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13.06.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-09 vom 13. Juni 2009

Prügel / Wie wir einst mit der Serbenflinte ins Wahllokal gescheucht wurden, warum das auch nichts mehr bringt, und was eine Revolte kostet
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Es hat alles nichts gebracht, sie sind einfach nicht hingegangen am Sonntag. Nicht die Dauerberieselung mit den allersüßesten Europageschichtchen im Fernsehen konnte die Deutschen erweichen, nicht die Endlosschleife der Quasselrunden über die Vorzüge der EU für „uns alle“ und „besonders uns Deutsche“, ja nicht einmal die teuren Werbeplakate. Ich meine nicht die Pappdinger von den Parteien, sondern richtig schicke Poster auf bezahlter Werbefläche hinter Glas.

Die Hamburger haben dort erfahren, was sie ohne die EU nie bekommen hätten: gefahrlos atembare Luft und eine saubere Elbe. Wie die Hanseaten ihren Sauerstoffbedarf vor den Römischen Verträgen deckten, bleibt Mutmaßungen überlassen. Aus Preßluft in Buddelschiffen vielleicht. Und die Elbe? Nun ja, die war bis 1990 in der Tat eine stinkende Kloake. Daß sie das nicht mehr ist, führen wir allerdings eher auf die Revolution stromaufwärts zurück als auf einen Brüsseler Kommissionsbeschluß.

Aber so meinten die das ja auch gar nicht. Quell unserer Dankbarkeit sollen die EU-Finanzhilfen sein und die vielen, vielen Verordnungen, mit denen Brüssel die Briefkästen von Bund, Ländern und Gemeinden vollstopft. Den Respekt für die Verordnungen werden wir ihnen nicht versagen können, jedenfalls, was die pure Masse betrifft. Die Dankbarkeit für das Geld aus Brüssel wärmt uns indes nur solange, wie wir nicht nachgerechnet haben, wieviel mehr wir vorher dorthin als deutschen Beitrag überwiesen hatten. Sei es, wie es sei: Insgesamt reichte die Begeisterung bei den meisten von uns nicht aus für den langen Weg von hier bis zur Urne nächste Ecke rechts.

Das war mal anders, was sicher auch an den furchteinflößenden Argumenten der EU-Euphoriker lag. Wenn wir keine EU mehr haben, dann gibt’s wieder Krieg, hieß es da. Noch Anfang der 90er Jahre drohte der CDU-Politiker Christoph Böhr: „Maastricht oder Sarajewo“. Die bosnische Hauptstadt lag damals unter dem mörderischen Dauerfeuer serbischer Belagerer. Und wenn wir die D-Mark nicht abschaffen, dann würden uns auch bald die Gedärme zerschossen, wollte Böhr uns sagen. Da haben wir gehorcht: Die Wahlbeteiligung lag 1994 bei 60 Prozent, wir schlichen sozusagen mit Böhrs Serbenflinte im Kreuz zum Stimmlokal.

Mittlerweile klappt das mit der Kriegsdrohung nicht mehr, zumal aufgedeckt wurde, daß wir mit Norwegen ebenfalls schon länger keinen Krieg mehr hatten, obwohl die gar nicht in der EU sind. Auf furchteinflößende Argumente zur Wähler-Erziehung will die Politik dennoch nicht verzichten. Diesmal holte ein SPD-Politiker den Prügel hervor. Eine Wahlpflicht müsse her, fordert der Bundestagsabgeordnete Jörn Thießen. Wer nicht hingeht, den will der schneidige Pastor aus Holstein mit einem Bußgeld von 50 Euro züchtigen. Aua. Seine Begründung: „Wir Parlamentarier müssen im Parlament abstimmen, das kann man auch von Wählern bei einer Wahl verlangen. Demokratie ohne Demokraten funktioniert nicht.“ Nochmal Aua.

Oder frei nach Richard von Weizsäcker, der einmal moserte, die Parteien hätten sich den Staat zur Beute gemacht: Der Staat ist im Sack, jetzt kommt das Volk dran. Wer sich verweigert, ist ein Undemokrat, worauf 50 Euro steht. Oder wahlweise fünf Tage Haft für die, die keinen Fuffi auf Tasche haben? Wir könnten jetzt ganz gehässig sein und zum Besten geben, wann wir das das letzte Mal hatten, Wahlpflicht in Deutschland. Ja, genau, Herr Thießen, beim größten (und so weiter) aller Zeiten. Deswegen gab es in der DDR (formal!) auch keine mehr. Wären Sie einer von der CSU, hätten die Genossen das bereits plakatiert.

Langsam, langsam, wir wollen nicht überziehen. Es gibt angesehene Demokratien, in denen Wahlpflicht herrscht, so wie Belgien, Australien oder auch Luxemburg (Steinbrück, Sie sagen jetzt mal nichts!). Doch wenn wir das schon nachmachen, dann wollen wir auch mit Nein stimmen können, sonst wären wir ja zur Zustimmung zu irgendwas genötigt, was penetrant nach Totalitarismus riecht.

Angenommen, die Deutschen hätten sich, trotz Wahlzwang, genauso entschieden wie gehabt, dann läse sich das Ergebnis vom Sonntag so: Nein: 56,7 Prozent, CDU/CSU: 16,1, SPD: 8,8, Grüne: 5,2, FDP: 4,7 und Linke: 3,2 Prozent. Ob Herrn Thießen das besser gefällt? Ohne Zweifel müßten die Nein-Wähler im Parlament vertreten sein, wenn es mehr als fünf Prozent sind – durch leere Sessel. Die Parteien hätten sich mit den übrigen Stühlen zu begnügen.

Das sind unbestreitbar schaurige Aussichten, weshalb auf den Thießen-Vorschlag keine große Reaktion erfolgte. Statt solche Höllenritte zu dis­kutieren, denken die Politiker lieber darüber nach, wie sie mehr Glanz in die europäische Hütte kriegen, damit die Leute wieder hingucken. Schillernde Namen helfen da oft, weshalb schon Fried­rich Merz als neuer deutscher EU-Kommissar gehandelt wurde für den Verheugen, der im November ausscheidet.

Da hatten sie die Rechnung ohne Angela Merkel gemacht, die haßt Merz, Merz weiß das und hat daher schnell abgewinkt. Stattdessen fiel der Name eines Mannes, der viel eher nach dem Geschmack der Kanzlerin geraten ist, weil er genauso aussieht und fast genauso spricht wie ihr CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Und was noch besser ist: Der selber schon mal CDU-Generalsekretär war und unter Kohl gelernt hat, daß man den Chef anzuhimmeln und seine Befehle still zu erfüllen hat. So einen hätte Merkel schon gern in Brüssel.

Heute versauert Peter Hintze als Parlamentarischer Sowieso im Wasweißich und harrt dringend seiner Wiederbelebung. EU-Kommissar, das wäre was. Allerdings, was den Glanz angeht ... mit einem Hintze drin wird die Hütte wohl duster bleiben.

Bliebe also nur, weiter auf die teuren Ofenschüsse namens „Imagekampagne“ zu setzen, um Europa beim Volk unterzubringen. Was soll’s, Demokratie ist eben nicht umsonst zu haben. Wieviel sie kostet, hängt von Zeit und Anlaß ab, wobei, wie immer, früher alles billiger war.

Eine veritable Studentenrevolte gab’s da schon für lumpige 50000 bis 100000 Mark. Woher wir das wissen? Von Manfred Bissinger. Oder von Peter Schneider, wobei Schriftsteller Schneider eine weitaus unterhaltsamere Version anbietet als Journalist Bissinger.

Anno 1967 will der damalige Apo-Revoluzzer Schneider von „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein 50000 Mark erhalten haben, um Rudi Dutschke und Genossen für den Kampf gegen den Springer-Verlag aufzurüsten. Das Geld habe Augstein aus der Hosentasche gezogen, zwei in Gummibänder gefaßte Bündel. So stellen wir uns Geldübergaben in der Unterwelt vor. Klasse!

Bissinger, damals „Stern“-Reporter, will hingegen von Augstein und dem damaligen „Zeit“-Verleger Gerd Bucerius zwei Schecks über je 50000 Mark bekommen haben, die er (auch für den Kampf gegen Konkurrent und Klassenfeind Springer) auftragsgemäß an Dutschkes „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“ (SDS) weitergeleitet habe. Als im Jahr darauf die Früchte der roten Investition aufgingen, heißt: bei Springer die Scheiben klirrten und Lieferwagen in Flammen aufgingen, wollten die edlen Spender mit dem Veitstanz nichts mehr zu tun haben.

Für die ohnehin reichlich beunruhigten 68er-Veteranen ist diese jüngste Enthüllung nach der Kurras-Geschichte der nächste Treffer im Tempel. Ihr Bau wankt, so mancher Säulenheiliger liegt bereits im Dreck seiner häßlichen Hintergründe. Aufstand für Geld? Revolution mit Kontonummer? Und besonders pikant: Stolze     16 Jahre vor dem „Bonner Parteispendenskandal“ von 1983 steck­ten die moralischen Ankläger von Flick und Co. bereits selber bis zum Hals im eigenen Spendensumpf. Geschichte kann richtig lecker sein, wenn man einen stabilen Magen hat.


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