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20.06.09 / Lautstarke Plagegeister / Vor allem Verkehr und Freizeitvergnügungen belasten Mensch und Umwelt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Lautstarke Plagegeister
Vor allem Verkehr und Freizeitvergnügungen belasten Mensch und Umwelt

Lärm ist für die meisten Menschen in Deutschland die lästigste aller Umweltbelastungen. Als Hauptverursacher wird der Straßenverkehr empfunden. Hinzu kommt lärmintensiver Freizeitspaß, der vor allem bei der jüngeren Generation langfristige Gesundheitsschäden bewirken kann.

Etwa 13 Millionen Deutsche leiden unter lärmbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und anderen Gesundheitsschäden. Wie Berechnungen des Umweltbundesamtes zeigen, ist der Lärm damit für die Volksgesundheit noch gefährlicher als Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung oder Wasserverunreinigung.

Bei einer repräsentativen Umfrage des Umweltbundesamtes war der Hauptschuldige eindeutig ausgemacht: der Straßenverkehr. 59 Prozent der 2000 Befragten (das sind hochgerechnet fast 50 Millionen Menschen in Deutschland) fühlen sich in ihrem Wohnumfeld durch Verkehrslärm gestört, belästigt oder geschädigt, zwölf Prozent (zehn Millionen) sogar „stark“ oder „äußerst stark“.

Je ein Drittel der Bevölkerung empfinden auch Fluglärm beziehungsweise Gewerbe und Industrie als erhebliche Beeinträchtigung von Lebensqualität und Gesundheit; ein Viertel fühlt sich zudem durch laute Züge gestört.

Langfristig wirkt sich die Lärmbelastung nicht nur direkt auf das Hörvermögen aus. Die vom Umweltbundesamt zitierten medizinischen Studien zeigen, daß Menschen, die besonders starkem Straßenverkehrs- oder Fluglärm ausgesetzt sind, in weit überdurchschnittlichem Maße Arzneimittel gegen Herz- und Kreislaufkrankheiten sowie Depressionen einnehmen.

Vielfältig wie die Ursachen sind auch die Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) nennt Stichworte wie Flüsterasphalt und Flüsterreifen. Auch eine intelligente Verkehrsführung – zum Beispiel Tempolimits, Nachtfahrverbote für Lkw, Sperrung reiner Wohnbereiche für den Durchgangsverkehr, sinnvoller Aus- und Umbau des Straßennetzes – könnte Millionen Bürger von gesundheitsschädigendem Lärm befreien. Hier ist, wie das Umweltbundesamt bestätigt, die Politik gefordert; doch herrsche in vielen Städten und Gemeinden „noch zu viel Ruhe um den Lärm“.

Nicht nur im Verkehr, ob auf Straße, Schiene oder in der Luft, auch im Arbeitsleben lauern Gefahren für Gehör und Gesundheit. Dazu legt die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft erschreckende Zahlen vor: Pro Jahr muß sie für rund 6500 Lärmgeschädigte nahezu 20 Millionen Euro aufwenden. Lärmarme Maschinen und wirkungsvolle persönliche Schutzeinrichtungen gibt es längst – leider wird am Bau immer noch allzu oft auf sie verzichtet.

Die Berufsgenossenschaft verweist auf eine auch durch eigene Erfahrungen mit Berufsanfängern bestätigte Erhebung des Bayerischen Gesundheitsministerium: Demnach haben fast 40 Prozent der Jugendlichen im Freistaat kein intaktes Gehör mehr.

Einen Beitrag zur Ursachenforschung leisteten vor wenigen Wochen das Bundesumweltministerium, das Bundesbildungsministerium und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit ihrem gemeinsam verantworteten „Kinder-Umwelt-Survey“. Auch hier spielt der Straßenverkehr eine wichtige Rolle. 47,7 Prozent aller Kinder zwischen acht und 14 Jahren haben ihr Zimmer zur Straße hin. Doch von jenen, die an besonders stark befahrenen Straßen wohnen (16,5 Prozent), spielen, lernen und schlafen 61 Prozent an der lautesten Seite der Wohnung; hier sind neben Architekten auch die Eltern gefragt.

Im Vergleich zu den Erwachsenen sind die Kinder jedoch insgesamt durch Straßenlärm etwas weniger geschädigt. Umso intensiver ruinieren sie Ohren, Kreislauf und Nerven auf andere Weise. Zum Beispiel mit überlauter Musik (siehe Beitrag unten). Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Ein Messgerät mißt die Dezibel-Zahl eines vorbeifahrenden Autos: Gut 50 Prozent der Deutschen nervt Straßenlärm massiv.

 

Zeitzeugen

Robert Koch – Der Mediziner und Mikrobiologe (1843−1910), der 1876 den Milzbrand-Erreger, 1882 den Erreger der Tuberkulose und 1884 den Cholera-Erreger entdeckte und 1905 den Medizin-Nobelpreis erhielt, war auch in Sachen „Lärm“ weit vorausschauend. Zitat Koch: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“

 

Arthur Schopenhauer – Der Philosoph (1788−1860) erkannte schon zu Beginn des Zeitalters der Industrialisierung deren Kehrseiten. Zitat Schopenhauer: „Lärm ist die Bedeutenste von allen Störungen. Es ist nicht allein eine Störung, es ist mehr als eine Spaltung des Denkens.“

 

Jean Cocteau – Der französische Autor (1889−1963) wußte Rat, um sich vor Lärm zu schützen. Zitat Cocteau: „Dem Schweigen kann man nur durch Lärm entfliehen; aber wie flieht man den Lärm? Nur durch Schweigen.“

 

Johann Wolfgang von Goethe – Der Dichterfürst (1749−1832) dachte ans Praktische, als er die erste Begegnung Fausts mit Mephisto von lautem Lärm begleiten ließ. Zitat Goethe: „Wozu der Lärm, was steht dem Herrn zu Diensten?“

 

Laotse – Der chinesische Philosoph hatte schon im 6. Jahrhundert v. Chr. die Gefahren des Lärms erkannt. Zitat Laotse: „Zu grelles Licht gefährdet das Sehen. Übermäßiger Lärm betäubt das Gehör. Zu starkes Gewürz verdirbt den Geschmack. Übergroße Erregung stumpft das Gefühl ab.“

 

Pearl S. Buck – Die amerikanische Schriftstellerin (1892−1973, Literatur-Nobelpreis 1938) hatte eine durchaus passende Antwort auf die Frage Mephistos. Zitat Buck: „Lärm ist ein geeignetes Mittel, die Stimme des Gewissens zu übertönen.“

 

Mahatma Gandhi – Der indische Freiheitskämpfer (1869−1948) empfahl den von ihm praktizierten gewaltfreien Widerstand auch im Kampf gegen Lärm. Zitat Gandhi: „Lärm kann nicht über Lärm siegen: Schweigen tut es.“


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