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20.06.09 / Zur Geschlossenheit genötigt / Der SPD-Parteitag versuchte vergeblich, die Probleme der Partei zu übertünchen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Zur Geschlossenheit genötigt
Der SPD-Parteitag versuchte vergeblich, die Probleme der Partei zu übertünchen

Müntefering hielt sich auffällig zurück, denn nur der Kanzlerkandi-dat sollte glänzen, doch Steinmeier verspielte als Schröder-Karrikatur.

Die SPD hat eine Woche nach dem Schock des miserabelsten bundesweiten Wahlergebnisses seit dem Krieg (20,8 Prozent) ihren einzigen Hoffnungsträger, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, zum offiziellen Start des Bundestagswahlkampfes in Berlin hochleben lassen – und das trotz weiterhin miserabler Umfragewerte von 25 Prozent.

Steinmeier mühte sich redlich um gute Stimmung, konnte aber nicht so recht aus dem Schatten seiner Mentoren treten: SPD-Parteichef Franz Müntefering und Altkanzler Gerhard Schröder. Der Vizekanzler kupferte in Stil und Inhalt beim roten Strippenzieher und beim letzten richtig erfolgreichen SPD-Politiker ab: Er verband das Münteferingsche Kurzsatz-Staccato mit Schröders typischem ostwestfälischen Wahlkampf-Röhren.

Dabei heraus kamen Sätze wie „Wir waren, sind und bleiben die Partei der Arbeit“, „Das war Mist“ – letzteres mit Blick auf die Europawahl – oder auch: „Das Ding ist offen“, anscheinend mit Blick auf die Bundestagswahl. Mit dem Satz „Nur wenn wir selber überzeugt sind, können wir andere überzeugen“ nahm Steinmeier sogar eine Anleihe bei Oskar Lafontaine.

Dabei galt wieder: Wer die Augen schloß, mußte an Schröder denken. Wenn er wie das große Vorbild kraftvoll und pointiert sprach, riß er sein Publikum durchaus mit. „Das Fernsehen zeigt immer nur die Sätze, wo er wie Schröder spricht. Dabei ist er ein so netter Mensch“, klagte eine Parteitags-Delegierte und brachte das Dilemma auf den Punkt: Steinmeier wirkt immer wie eine Kopie des Originals, dabei erinnert er immer daran, daß er doch nur dessen „Mach-mal-Frank-Walter“ war.

Es ist wie verhext für die SPD: Der Versuch, Frank „ohne Walter“ zu plazieren, ging in kabarettistischen Lachsalven unter. Nach dem Motto: Eine Strategie, die als solche erkannt wird, ist schon gescheitert. Der Gegenentwurf, nämlich den „Frank-Walter“ zur Marke zu entwickeln, droht ebenfalls zu scheitern. Offenbar ist der graue „Doktor Aktendeckel“ (Zitat „Süddeutsche“) ganz einfach zu wenig mitreißend und dynamisch.

Mehr irritierend als mitreißend wirken für Außenstehende die kreisrunden roten „FW-Steinmeier“-Embleme, die eine Mischung sind aus den Logos von „Lucky Strike“ und „Zott“-Joghurt. Sie sind angeblich aus einem Internet-Wettbewerb hervorgegangen.

Was etwa bei CSU-Parteitagen seit dem Debakel bei der Landtagswahl 2008 verpönt ist, exerzierte die SPD nun vor: das minutenlange frenetische Klatschen, um sich selbst Mut zu machen. Volle zehn Minuten waren es in Berlin. Je mehr Geklatsche auf dem Parteitag, desto mehr Stimmen? Daß jedenfalls letztere Formel nicht stimmt – frag nach bei Günther Beckstein und Erwin Huber.

Eines jedenfalls wurde durch die Tatsache klar, daß der 69 Jahre alte Parteichef Müntefering sich auffällig zurückhielt und sich bestenfalls mit verwirrenden Bemerkungen über seine Beziehung mit der 29 Jahre alten Michelle Schumann hervortat: Die gesamte Kampagne soll tatsächlich auf Kanzlerkandidat Steinmeier zugeschnitten sein – und das trotz des massiven Umfrage-Rückstandes auf Amtsinhaberin Angela Merkel von zuletzt 60 zu 27 Prozent (Infratest Dimap). Offenbar ist die SPD-Wahlkampfzentrale zu der Einsicht gekommen, daß das irrlichternde Durcheinander von Steinmeier, Müntefering und EU-Spitzenkandidat Martin Schulz auf den Europawahlplakaten die Sympathisanten mehr verwirrt als mobilisiert hat.

Doch allein die Geschlossenheit seiner Partei wird Steinmeier nicht genügen, um im September zum Erfolg zu kommen. So unterwarf sich etwa die Parteilinke Andrea Nahles momentan dem Burgfrieden, drohte aber schon unüberhörbar für den Spätherbst mit einem Aufstand gegen eine Wiederwahl Münteferings.

Und: Zwar müht Steinmeier sich unter Einsatz von Staats-Milliarden um die Sympathien der Opel- wie der Karstadt-Mitarbeiter, zwar buhlt er gleichzeitig mit der verbalen Bekräftigung der Agenda-Politik – von der sich die SPD in Wirklichkeit unter dem Druck der Linkspartei längst verabschiedet hat – um die Gunst derer, die wirtschaftliche Vernunft über die „Wir retten alle“-Attitüde stellen. Doch er dringt in der Breite der Bevölkerung nicht durch. Die Europawahl hat gezeigt, daß der Bürger es nicht goutiert, haarsträubende Managementfehler mit Steuer-Milliarden auszubügeln und sterbende Industrie-Dinosaurier per Staats-Tropf künstlich am Leben zu erhalten.

Aus einem Fehlschlag der Europa-Kampagne will die SPD ihre Lehren ziehen: Die Negativ-Werbung soll für den Bundestagswahlkampf in der Schublade bleiben. Hatte die SPD es noch vor zwei Wochen für nötig befunden, die Wähler von FDP, Union und Linkspartei als Finanzhaie, Dumpinglöhne und heiße Luft zu verunglimpfen – übrigens in Anlehnung an Propaganda der Nazis, die ebenfalls ihre Gegner mit Tieren verglichen und ihnen so die Menschenwürde nahmen –, wird Steinmeier nun viel mehr ikonographisch als Sozi-Heiliger den irdischen Unbillen entrückt: Der „Revoluzzer von Brakelsiek“ (so hämische Bemerkungen auf Bundestagsfluren) wird monochrom verfremdet dargestellt, angelehnt an die Ikonographie des Kommunisten-Heiligen Che Guevara. Bleibt im Sinn der SPD nur zu hoffen, daß niemand bemerkt, daß Che Guevara in Wirklichkeit ein Massenmörder war, der die Kuba-Krise heraufbeschwor und die Welt nach eigener Aussage in einen Atomkrieg treiben wollte.   Anton Heinrich

Foto: Bunte Embleme: Frank-Walter-Steinmeier-Schilder sollten „FW“ als „Marke“ etablieren.


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