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20.06.09 / Gottesstaat, Militär ... oder Mubarak / Fernab europäischen Demokratieverständnisses: Ägyptens Gesellschaft im Zerreißkampf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Gottesstaat, Militär ... oder Mubarak
Fernab europäischen Demokratieverständnisses: Ägyptens Gesellschaft im Zerreißkampf

Groß war weltweit die Bestürzung, als 1997 – anscheinend aus heiterem Himmel – islamische Extremisten beim Totentempel der Königin Hatschepsut ein Blutbad unter Touristen anrichteten. Wie konnte das nur kommen – in einem Land, das 1979 sogar einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen hatte.

Die Erregung legte sich wieder, aber der ohnehin überdimensionierte ägyptische „Sicherheitsapparat“ wurde weiter ausgebaut. Er umfaßt heute zwei Millionen Personen – bei 82 Millionen Einwohnern. Knapp ein Viertel entfällt auf die Armee. Die unteren Ränge sind durchwegs kümmerlich bezahlt, was der Korruption Tür und Tor öffnet, und die oberen Ränge gehen dabei mit leuchtendem Beispiel voran.

Obwohl mit dem Israel-Vertrag das Kriegsrisiko wegfiel, kam es nicht zur allgemeinen Hebung des Lebensstandards, sondern bloß zur Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich.

Das Regime ist natürlich interessiert, daß möglichst nur positive Themen in die internationalen Medien gelangen: Etwa Vermittlungsbemühungen und Konferenzen – mit Staatspräsident Hosni Mubarak im Mittelpunkt. Oder neue Ausgrabungen – Zahi Hawass, Chef der Altertümerverwaltung, ist zudem ein hervorragender Selbstdarsteller. Oder Sport, primär Fußball – auch daheim ideal, um Dampf abzulassen. Und natürlich sind selbst unzufriedene Ägypter stolz auf Landsleute, die im Ausland zu Ansehen kommen – wie Mohammed El-Baradei, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde und Nobelpreisträger. Die Führung, die solche Personen mit Ehrungen überhäuft, nascht an deren Ruhm mit.

Daß US-Präsident Barack Obama für seine große Nahost-Rede die Kairoer Universität wählte – nicht zu verwechseln mit Al-Azhar, der zweitältesten Uni der Welt –, schmeichelte allen Ägyptern. Um so mehr als die vielen Islam-Bezüge von seiner Beraterin Dalia Mogahed kamen, die aus Ägypten stammt und sich „islamisch“ kleidet. Das erklärt übrigens Obamas Aussage, daß es ein Recht der Frauen sei, den „Hidschab“ zu tragen, sowie manches andere, das sehr nach Anbiederung klang. Was in den Berichten unterging: Daß die Universität komplett geräumt war und es nur handverlesene Zuhörer gab. Und daß Obama für Strenggläubige trotz allem ein lebendes Ärgernis ist, ein „Abtrünniger“, denn die Kinder eines Muslims müssen Muslime sein.

Extreme Mißstände sind – wie überall – der Nährboden, ja die Grundvoraussetzung für extreme Ideen und Bewegungen, und dementsprechend hat die noch in der Kolonialzeit entstandene Muslim-Bruderschaft seit Jahren riesigen Zulauf. Das wiederum zwingt das Regime immer öfter zu „religiösen“ Zugeständnissen oder zum Öffnen von „Notventilen“. Typisches Beispiel ist das Keulen von 400000 Schweinen – angeblich wegen der Schweinegrippe, doch de facto eine Maßnahme gegen die Christen.

Solche Konzessionen ähneln jedoch dem Kniefall europäischer Regierungen vor den „Umweltschützern“: Man hofft, den Fundamentalisten Wind aus den Segeln zu nehmen, ermuntert sie aber in Wahrheit zu noch mehr Unsinn. Die Fragestunden von Islam-Gelehrten im Fernsehen sind Dis-kussionen über Scheinprobleme. Und im Parlament wird gerade über die Männerkleidung debattiert: Ein islamistischer Abgeordneter verlangt, die „Gallabeya“, jenes traditionelle lange Gewand, das längst nur von armen Leuten getragen wird, aus „religiösen Gründen“ zur Pflicht zu machen. Die Damen der Gesellschaft kleiden sich ja meist schon „islamisch“ – mit sündhaftteurer „Haute Couture“ aus den Golf-Staaten.

Wie sehr auch das Regime den Bezug zur Realität verliert, zeigte sich, als im Mai ein Enkelkind Mubaraks starb: Der Präsident sagte einen USA-Besuch ab – noch irgendwie verständlich. Aber im Land war Staatstrauer, und in Rundfunk und Fernsehen gab es ganztägig nur Koran-Lesungen. Kein Wunder, daß man von Mubarak als „Pharao“ redet.

An seiner wichtigsten Aufgabe, der Kontinuität in Form einer Dynastie, wird der Pharao allerdings scheitern. Nicht weil man grundsätzlich etwas dagegen hätte, daß der 81jährige seinen Sohn Gamal zum Nachfolger aufbaut. Aber der Frust über die Mißstände und über die US-hörige Außenpolitik – etwa auch die zynische Beihilfe zur Abriegelung des Gaza-Streifens – ist so gewaltig, daß Gamal Mubarak, der noch dazu keinen Rückhalt in der Armee hat, im Falle des Falles überfordert sein wird. Die Alternativen heißen dann Chaos oder Militärdiktatur oder „Gottesstaat“. R. G. Kerschhofer


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