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20.06.09 / Planinsolvenz: die zweite Chance / Der Antrag auf Gläubigerschutz muß heute keineswegs mehr die Pleite bedeuten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Planinsolvenz: die zweite Chance
Der Antrag auf Gläubigerschutz muß heute keineswegs mehr die Pleite bedeuten

Bekanntlich fürchtet Altkanzler Gerhard Schröder das Wort Insolvenz wie der Teufel das Weihwasser. Darum zimmerte er Ende 1999 ein nicht sehr nachhaltiges „Rettungspaket“ für den maroden Baukonzern Philipp Holzmann, der schließlich dennoch der Insolvenz nicht entgehen konnte.

Gelernt hat der heutige Erdgaslobbyist daraus gar nichts. Als Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) bei Opel für eine geordnete Planinsolvenz statt des massiven Einsatzes von Steuergeldern eintrat, verspottete Schröder ihn als „Baron aus Bayern“. Von seinem Mentor derart ermutigt, setzte der sonst blasse SPD-Kanzleraspirant Frank-Walter Steinmeier noch eins drauf: Es könne doch nicht sein, „daß der Arbeitsminister für Arbeit kämpft und der Wirtschaftsminister für Insolvenzen“. Auch im Falle des dank Managementfehlern schon seit Jahren strauchelnden Handels- und Touristikriesen Arcandor, vormals Karstadt-Quelle, wollten Sozialdemokraten eine Insolvenz vermeiden.

Warum verbreitet dieses Wort unter Sozialdemokraten so viel Schrecken? „Insolvenz ist nahe der Pleite“, erklärte Schröder den Zuhörern einer SPD-Veranstaltung im Europawahlkampf apodiktisch. Obendrein rief er dem Publikum zu, der Staat müsse „an der Seite der arbeitenden Menschen stehen“. Beobachter fragten sich, ob ausgerechnet Schröder sich nicht an die am Anfang seiner Regierungszeit beschlossene Reform des Insolvenzrechts erinnern könne. Die damals unter Rot-Grün eingeführte Planinsolvenz soll nämlich erlauben, ein angeschlagenes Unternehmen nicht zu liquidieren. Mit Zustimmung der Gläubiger sollen vielmehr seine sanierungsfähigen Teile und die damit verbundenen Arbeitsplätze gerettet werden. Allerdings: Das neue Instrument ist eher auf größere Unternehmen zugeschnitten. Mittelständlern, bei denen häufig kein Vermögen mehr vorhanden ist, hilft es nicht. Doch die hat auch die SPD nur selten im Blick.

„Der Makel, mit dem die Insolvenz immer noch behaftet ist, führt dazu, daß der Insolvenzantrag in der Regel viel zu lange hinausgezögert wird“, erklärt Martin Prager, Insolvenzverwalter aus München. Selbst mittelständische Unternehmen mit einem Umsatz zwischen fünf und 50 Millionen Euro könnten, so Prager, zu zwei Dritteln nach einer Insolvenz weitergeführt und müßten keineswegs zerschlagen werden. Dieser Weg wäre sogar für mehr Betriebe möglich, wenn bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzantrag rechtzeitig  gestellt würde. Dabei ist die Insolvenzverwaltung ein Spezialistengeschäft für erfahrene Krisenmanager. Der Verband der Insolvenzverwalter zählt nur 435 Mitglieder, zumeist Juristen und Betriebswirte.

Bei Arcandor haben sich der neue Generalbevollmächtigte Horst Piepenburg und der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg auf eine besondere Variante verständigt: die Planinsolvenz in Eigenverwaltung, ein „Maßanzug für Schuldner“, so die „FAZ“. Hierbei wird das alte Management nicht in die Wüste geschickt. Arcandor-Interimsvorstand Piepenburg beruhigte als allererstes die Beschäftigten: Er übernehme „keine aussichtslosen Mandate“. Schon beim Maschinenbauer Babcock-Borsig konnte er fast 18000 der gut 21000 Arbeitsplätze erhalten. Bei der Kaufhauskette SinnLeffers, einer ehemaligen Karstadt-Quelle-Tochter, erprobte Piepenburg erfolgreich die Planinsolvenz in Eigenregie.

Die von Steinmeier und Co. favorisierte „Rettungsalternative“ – vom Bund verbürgte Bankkredite – hätte bei Arcandor zu irrwitzigen Ergebnissen geführt. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Boß Thomas Middelhoff. Er soll seinerzeit in großem Stil Arcandor-Immobilien verkauft und für Arcandor zu erheblichen Kosten zurückgemietet haben, unter anderem von einem Fonds, an dem er selbst beteiligt ist. Hätte der Bund neue Kredite für Arcandor verbürgt, wären aus diesen womöglich auch die Mieten für den Middelhoff-Fonds bedient worden. Liquidität braucht Arcandor aber vor allem für jetzt notwendige Umstrukturierungen. Die sind jedenfalls bei einer Plan-insolvenz in Eigenregie leichter möglich.                Jost Vielhaber


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