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20.06.09 / Innere Emigration 2009

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Innere Emigration 2009
von Rebecca Bellano

Sie sitzen in ihrem Reihenhaus in München, ihrer Altbauwohnung in Berlin, ihrem Ökohaus in Bad Fallingbostel, ihrer Mietwohnung in Cochem. Sie kommen aus allen Altersklassen, Bildungs- und Einkommensschichten, auch wenn sie tendenziell eher der bürgerlichen Mittelschicht angehören. Sie fühlen sich allein, sind aber Millionen.

Skepsis und Mißtrauen machen sich in Deutschland breit. Immer mehr Menschen fühlen sich von der Politik, ja, von der ganzen Gesellschaft, so wie sie jetzt ist, nicht mehr mitgenommen. Daß kaum einer die Wirtschaftkrise kommen sah, daß keiner weiß, wie sie sich entwickelt, verunsichert die Menschen ungemein. Und der gesunde Menschenverstand sagt ihnen, daß sich etwas ändern muß, doch egal wo sie hinschauen: Politik und Wirtschaft sind nur bemüht, die sich auftuenden Krisenfelder notdürftig in hektischen Aktionen zu flicken. Dabei werden – zum Teil ohne parlamentarische Kontrolle – Rezepte angewandt, die die jetzige Krise überhaupt erst verursacht haben.

Keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus, so das Motto in Politik und Wirtschaft, und so sind es nicht nur dieselben Rezepte wie vor der Krise, sondern weitgehend dieselben Personen, die versuchen, die Krise zu beenden.

Doch es gibt keinen Aufschrei, geschweige denn Menschen mit Visionen, Ideen zur Erneuerung. Irgendwie weiterwursteln ist die Devise. Deutschland, das einstige Land der Dichter und Denker, ist ohne Inspiration.

Wie auch, denn das Gewissen der Nation, die Medien und Universitäten, sind im Laufe der Jahre ähnlich kommerzialisiert worden wie die Banken und global agierenden Unternehmen. Rendite, shareholder value, Zielgruppenanalysen und so vieles mehr haben dazu geführt, daß außerhalb einer gewissen Bandbreite, das Denken verloren gegangen ist. Eine Verflachung der gesamten Gesellschaft ist die Folge. Zu vieles wurde über zu viele Jahre in einfache Formeln gegossen. Dabei wurde in der breiten Masse verlernt, zu hinterfragen.

Daß auch sie mitgemacht haben, das wissen viele Menschen. Dinge zu hinterfragen und dann auch noch konträre Meinungen zu vertreten ist ein hartes Brot. Es raubt Energien, die man lieber darauf verwandte, seinen eigenen privaten Wohlstand auszubauen. Und man hat ja auch profitiert, im Arbeitsleben aber auch im Privaten.

Da muß doch noch was sein, was anderes, etwas, an das man glauben kann. So mancher Hoffnungsträger wurde bereits schleichend in das jetzige System eingesogen. Wer sich dem System nicht anpaßt, hat kaum Chancen, Karriere zu machen. Begriffe wie „geistig-moralische Wende“, „Leitkultur“ und „Durch Deutschland muß ein Ruck gehen“ sind im Laufe der Jahre von zu vielen Phrasendreschern mißbraucht worden.

Ohne Anknüpfungspunkt fühlen sich immer mehr Deutsche orientierungslos. Die aktuellen Wahlergebnisse zeigen zwar, daß sie auch nicht auf politische Rattenfänger reinfallen, aber dafür wenden sie sich von der Politik und der Gesellschaft ab, da die Gemeinschaft nichts anbietet, aber auch keiner mehr weiß, was er selbst anbieten kann. Und so ziehen sich immer mehr zurück ... Sie sind Millionen − und doch sind sie allein.

Foto: Auf die Barrikaden: In Gedanken wünscht sich so mancher einen Befreiungsschlag, wenn auch weniger martialisch als ihn das Gemälde des französischen Malers Eugène Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“ zeigt.


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