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20.06.09 / Hier fanden Künstler eine Heimstatt / Vor 100 Jahren wurde in Ahrenshoop der Kunstkaten eröffnet – Jubiläum mit Ausstellungen gefeiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Hier fanden Künstler eine Heimstatt
Vor 100 Jahren wurde in Ahrenshoop der Kunstkaten eröffnet – Jubiläum mit Ausstellungen gefeiert

Bis heute zählt Ahrenshoop neben Worpswede zu den bekanntesten Künstlerdörfern im Norden Deutschlands. Vor 100 Jahren wurde dort der „Kunstkaten“ eröffnet, eine Galerie für die Ahrenshooper Künstler. Mit verschiedenen Ausstellungen feiert man jetzt dieses Jubiläum.

Ein dreiteiliger Ausstellungszyk-lus wartet auf die Kunstfreunde. Noch bis zum 6. Juli sind Gemälde, Zeichnungen und Graphiken von Gründern der Künstlerkolonie zu betrachten. Neben Paul Müller-Kaempff (1861–1941) sind Arbeiten von Carl Malchin (1838–1923), der noch vor Müller-Kaempf in Ahrenshoop gemalt hat, Elisabeth von Eicken (1862–1940), Anna Gerresheim (1852–1921), Hugo Richter-Lefensdorf (1854–1904) und Friedrich Wachenhusen (1859–1925) zu sehen.

Vom 8. August bis zum 13. Ok-tober werden Plastiken, Graphik und Malerei der Folgegenerationen vorgestellt, darunter Werke von César Klein (1876–1954), Dora Koch-Stetter (1881–1968) und Gerhard Marcks (1889–1981).

Den Abschluß bildet vom 18. Oktober 2009 bis zum 3. Januar 2010 eine speziell für die Kunstkaten-Räume konzipierte Präsentation von Installationen, Buchobjekten, Arbeiten auf Papier und filmischen Dokumentationen des zeitgenössischen Künstlers Jürgen Brodwolf. Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1932, der im deutschen Kandern lebt und arbeitet, war 2008 einer Einladung der FAMA-Kunststiftung ins Künstlerhaus Lukas Ahrenshoop gefolgt.

Seen, Wälder und die sanfte Weite, die Lichtverhältnisse und Stimmungen am Meer führten Ende des 19. Jahrhunderts Künstler ins heutige Mecklenburg-Vorpommern, in eine Landschaft „tiefsten Ernstes und vollkommener Unberührtheit“, wie es der Maler Paul Müller-Kaempff 1889 formulierte.

An diesen aus Oldenburg stammenden Maler und Graphiker würde sich heute wahrscheinlich kaum einer mehr erinnern, wenn er nicht 1889 mit seinem Studienfreund, dem Tiermaler Oskar Frenzel (1855–1915), eine Wanderung über die Landzunge am Saaler Bodden unternommen und dabei das weltabgeschiedene Fischerdorf Ahrenshoop für die Kunst entdeckt hätte. 1892 baute Müller-Kaempff sich dort als erster Künstler ein Haus. Zwei Jahre später eröffnete er die Malschule und Pension

St. Lukas. Aktivitäten, die sich herumsprachen. Mit einigen Kolleginnen und Kollegen aus Berlin begründete der Oldenburger die Künstlerkolonie Ahrenshoop. 1906 wurde Müller-Kaempff zum Professor ernannt und lebte ab 1908 in Hamburg, wo er Mitglied des Hamburger Künstlervereins von 1832 war. Gestorben ist der Maler später 80jährig in Berlin.

Paul Müller-Kaempff zählte Ende des 19. Jahrhunderts zu den fortschrittlichsten und bekanntesten Landschaftsmalern seiner Zeit. So wurden seine Arbeiten schon zu Lebzeiten nicht nur von Museen in Rostock, Oldenburg, Kiel und Hamburg gekauft, auch viele Privatsammler begeisterten sich für sie. Sogar aus Argentinien und China kamen Anfragen.

Prominenter Käufer war Prinz Eitel Friedrich (1883–1942), der zweite Sohn von Kaiser Wilhelm II., der 1908 mehrere Werke für den kaiserlichen Hof erwarb. Der Preußen-Prinz, seine Gemahlin Sophie Charlotte Herzogin von Oldenburg und Staatssekretär Bernhard Dernburg steuerten auch die entscheidenden finanziellen Mittel bei, damit am 11. Juli 1909 der „Ahrenshooper Katen, das Haus für heimische Kunst und Kunstgewerbe“, später nur noch „Kunstkaten“ genannt, eröffnet werden konnte. Diese Galerie für die in der Künstlerkolonie ansässigen Landschaftsmaler war notwendig geworden, denn mit dem sich auf dem Fischland und dem Darß entwickelnden Bäderwesen war eine Klientel vor Ort entstanden. So konnte man es wagen, an den aufwendigen Transporten der Bilder zu Ausstellungen der städtischen Kunstvereine und Galerien zu sparen.

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges erzwangen 1918 die Schließung des Hauses. Nach wechselvoller Geschichte hat die Gemeinde Ahrenshoop 1993 den Kunstkaten übernommen und wieder den Malern der Künstlerkolonie, aber auch folgenden Künstlergenerationen, denen die norddeutsche Ostseeküste Quelle ihres Schaffens war oder ist, gewidmet. Nach einer Komplettsanierung mit Vergrößerung der Räumlichkeiten im Jahr 2001 wurde die Ausstellungskonzeption mit Themen zu europäischen Künstlerkolonien erweitert.

Es waren viele bedeutende Künstler, die es einst nach Ahrenshoop zog, darunter Lyonel Feininger, Erich Heckel, Alfred Partikel, Max Pechstein oder Karl Schmidt-Rottluff. Sie genossen das Spiel von Licht und Schatten, den hohen Himmel über dem weiten Meer, den Zauber der Farbe in dieser  unvergleichlichen Landschaft und brachten ihn auf die Leinwand.  Ahrenshoop, das war für sie die Steilküste, aber auch der langgezogene Strand, die vom Wind zerzausten Kiefern und die Katen, die sich gegen diesen Wind zu wappnen wußten, indem sie sich tief duck-ten. In allen erdenklichen Variationen zogen Wolken über den Himmel, bauschten sich am Horizont oder verdunkelten ihn bedrohlich, so daß man ein nahes Gewitter ahnen konnte. Immer wieder aber ist es das Licht, das die Künstler auf ihren Gemälden und Skizzen festhielten – ein Sonnenstrahl, der sich durch die Wolken bahnt oder  Sonnenreflexe auf dem Dach einer Kate.            H. Schnehagen/S. Osman

Weitere Informationen zu Ausstellungen und Aktionen im Jubiläumsjahr im Internet unter: www.kunstkaten.de, Telefon (038220) 80308.

Foto: Der Kunstkaten in Ahrenshoop: Nicht nur von außen sehenswert


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