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20.06.09 / Im Ringen um die »richtige« Weltanschauung / Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zeigt eine in den USA konzipierte Ausstellung über die Kunst im Kalten Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Im Ringen um die »richtige« Weltanschauung
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg zeigt eine in den USA konzipierte Ausstellung über die Kunst im Kalten Krieg

Es ist schon bezeichnend, daß es ein US-amerikanisches Museum war, das diese Ausstellung mit deutsch-deutscher Kunst zusammengestellt hat. Zu sehen war die Ausstellung, die jetzt im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gezeigt wird, zuvor im County Museum of Art in Los Angeles.

Die große Retrospektive zur Kunst in Deutschland zwischen den Ideologien wurde von 70000 Kunstfreunden besucht. Was trennte und was vereinte die Kunst in beiden deutschen Staaten? Welche Wechselwirkungen existieren zwischen Kunst und Ideologie? Die Ausstellung zeigt erstmals viele bislang unbekannte Verbindungen von Künstlern aus Ost und West auf und vermittelt einen neuen, differenzierten Blick auf ein zentrales Kapitel der Moderne in Deutschland. „Das ist so ziemlich die erste Ausstellung, die in einem breiten Umfang Kunst aus Ost und West gegenüberstellt“, betonte Museumsdirektor Ulrich Großmann.

Unter dem Titel „Kunst und Kalter Krieg“ werden etwa 320 Werke der Malerei, Skulptur, Graphik, Fotografie, Video- und Installationskunst gezeigt, als Ausdruck einer umfassenden Auseinandersetzung um konkurrierende Menschenbilder und ideologische Konzepte. Arbeiten westdeutscher Künstlerinnen und Künstler wie Baselitz, Immendorff, Kiefer, Trockel oder Richter sind ebenso vertreten wie Werke von Mitteldeutschen wie Altenbourg, Sitte, Schleime oder Tübke. Die zwischen 1945 und 1990 entstandenen Arbeiten machen gesellschaftliche und politische Stimmungen in beiden Teilen Deutschlands nachvollziehbar. Begleitet werden die Werke aus internationalen Museen und Privatsammlungen von Film-, Foto- und weiteren zeithistorischen Dokumenten.

Mit der Frage nach Kontinuität oder Neubeginn 1945 beginnt der Rundgang in der ersten Ausstellungshalle. Der Bezug auf die Kunst der Klassischen Moderne ist im Osten wie im Westen zunächst gemeinsam. Die fünfziger Jahre stehen ganz im Zeichen des Streits über das Menschenbild. Der unerschütterliche Held der Zukunft, wie ihn das Bildnis eines jungen Maurers von Otto Nagel zeigt, ist das Sujet des Sozialistischen Realismus im Osten, während die informelle Malerei des Westens Ausdruck des befreiten Subjekts sein will.

Denkmalwettbewerbe konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen. Das in WestBerlin geplante Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen von Bernhard Heiliger versteht sich als Widerpart zum russischen Siegerdenkmal und klagt die Unfreiheit im sowjetischen Machtbereich an. Das Buchenwald-Ehrenmal mit der bronzenen Skulpturengruppe von Fritz Cremer wird zum Symbol des Antifaschismus in der DDR.

In der großen Ausstellungshalle beginnt mit den sechziger Jahren in beiden deutschen Staaten die Auseinandersetzung mit dem Trauma der Vergangenheit. Der Kapitalistische Realismus, inspiriert durch die Pop-Art, wird im Westen zur Kunst des Wirtschaftswunders. Neue Medien „verflüssigen“ den auf Staffeleigemälde und Skulpturen fixierten statischen Kunstbegriff. Die ständige Präsenz der Vergangenheit thematisieren Maler wie Georg Baselitz und Anselm Kiefer im Westen, aber ebenso Bernhard Heisig oder Werner Tübke im Osten. Die Fotografen emanzipieren sich und werden zu gleichberechtigten Akteuren in der Kunstszene.

Besonderes Augenmerk verdienen die Werke von Fotografinnen wie Sibylle Bergemann oder Gundula Schulze Eldowy, die ihre subversive Sicht auf den Alltag in der DDR festhielten.

In den achtziger Jahren wird der Sprung aus der Geschichte gewagt und alle Ideologie in Frage gestellt. Das Wandbild in der Frankfurter Paulskirche von Johannes Grützke oder die „Frühbürgerliche Revolution“ als Panoramagemälde, die Werner Tübke für das Museum in Frankenhausen malte, befragen kritisch die Identität der Deutschen in Ost und West. Dieser Frage geht auch Jörg Immendorff in seinem „Café Deutschland“ nach.

Mit der nonkonformen Kunst in der DDR und der zwischen Dresden und West-Berlin entstandenen Bildschaukel „Gefrorene Glieder brechen leicht“ von Via Lewandowsky endet der Rundgang durch die Ausstellung.

Den Besucher erwartet hier keine erbauliche Kunst, sondern vielmehr eine Konfrontation mit einer meist aggressiv wirkenden Malerei oder Bildhauerkunst. Die „New York Times“ beschrieb diese Kunst als „tortured“, als gequält, gefoltert vom Schatten der Vergangenheit. Vielleicht ist das aber auch ein Zeichen der Zeit im Ringen um die „richtige“ Weltanschauung.

gnm /os

Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Nürnberg, ist bis 6. September dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 6 / 4 Euro. Vom 3. Oktober bis 10. Januar 2010 ist sie im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Dumont-Verlag erschienen (Hrsg. Stephanie Barron und Sabine Eckmann, 459 Seiten, 200 schwarzweiße und 330 farbige Abbildungen, 32 Euro im Museum, 49,95 Euro im Buchhandel).


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