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20.06.09 / Als das Korsett fiel / Eine Ausstellung in Berlin zeigt Modezeichnungen und Accessoires der zwanziger Jahre

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Als das Korsett fiel
Eine Ausstellung in Berlin zeigt Modezeichnungen und Accessoires der zwanziger Jahre

Mode als Spiegel der Zeit – in kaum einer anderen Epoche erlebte die Modekultur einen Aufschwung wie in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Eine Ausstellung der Berliner Kunstbibliothek zeigt die Entwicklung des Schönheitskults in Deutschland.

Die Sammlung „Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek“ zeigt die maßgebliche Rolle, die Mode und Schönheit in weiten Teilen der großbürgerlichen Bevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielten. Der Schönheitskult mit der Errichtung von Kosmetikstudios sowie der Einführung neuer Produkte erlebte einen beispiellosen Aufschwung. In der Sammlung sind wesentliche Beispiele künstlerischer Modegraphik der 1920er Jahre aus den Modemetropolen Paris, Wien und Berlin zu finden. Die Bleistiftskizzen, lavierte Tuschfederzeichnungen, Aquarelle wie auch Collagen erlauben einen Blick auf die Modeideale der Zeit. Etwa 200 originale Zeichnungen, die einst als Druckvorlagen für eine Veröffentlichung in Zeitschriften entstanden oder als geschlossene Kompositionen im Rahmen einer Ausbildung zum Modeillustrator gefertigt wurden, sind in der Ausstellung erstmals seit ihrer Entstehung wieder zu sehen.

„Die Mode“, so Adelheid Rasche, Leiterin der Sammlung und Kuratorin der Ausstellung, „entwickelte sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zu einem kulturell und wirtschaftlich enorm bedeutenden Baustein der Moderne. Bedingt durch die gesellschaftlichen Veränderungen in der noch jungen Weimarer Republik veränderten sich das Kleiderrepertoire wie auch das Körperideal ganz entscheidend.“

Rasche weist darauf hin, daß Frauen 1919 erstmals das Wahlrecht und auch mehr Möglichkeiten erhielten, einen Beruf auszu-üben. Im Zuge dieser Neuerungen gab es auch in der Mode einige Erleichterungen, so fiel das bis dahin obligatorische Korsett und wurde durch elastische Unterwäsche ersetzt. Die Röcke, die zuvor den Knöchel bedeckten, wurden kürzer, so daß erstmals Damenbeine in den Blick gerieten. Auch nahm die Damenmode das eine oder andere Detail der Herrengarderobe in ihr Repertoire auf.

Das betont frauliche Ideal der Vorkriegsjahre verschwand und machte bei modebewußten Frauen zwei besonderen Erscheinungsformen Platz: dem „Garçonne“ und dem „Girl“. Jugendlichkeit und schlanke Formen waren fortan gefragt. Um diese Ideale zu erreichen, mußte frau sich bewegen und Sport treiben. Tennis, Segeln, Skilaufen galten als schick, aber auch die flotten Tänze der damaligen Zeit brachten die nötige Verbrennung von Kalorien. Charleston und Shimmy waren besonders beliebt. „Der Typus Garçonne, der seine Berühmtheit dem gleichnamigen, 1922 erschienen Erfolgsroman von Victor Margueritte verdankte, nahm männliche Elemente ins Verhalten und ins Äußere auf, führte ein beruflich und privat unabhängiges Leben jenseits aller Konventionen und kleidete sich bewußt androgyn“, erläutert Adelheid Rasche.

 „Mit dem zweiten neuen Frauentypus, dem Girl, teilte die Gar-çonne zwar den Kurzhaarschnitt – Bubikopf genannt –, der entscheidend zum jugendlichen Aussehen der Frauen beitrug. Allerdings spielte der Girl-Typus, der sich am amerikanischen Revue-Ballett der Zeit orientierte, wesentlich stärker mit den weiblichen Trümpfen einer leichtlebigen, oberflächlichen Erotik in Aussehen und Kleidung.“

Den zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden die erstmalig präsentierten Puderdosen und Kosmetikaccessoires einer Berliner Privatsammlerin. Die rund 200 Exponate dieser Sammlung verdeutlichen die hohe Qualität, Gestaltungs- und Formenvielfalt dieser selten gewordenen Schönheitsartikel.

Mit dem zunehmenden Bedarf an Gesichtspuder, Rouge oder Lippenstift wuchs auch der Bedarf an entsprechenden Behältnissen. Die unterschiedlichsten Materialien wurden verwendet – Karton, Metall, Bakelit oder Glas – und die Oberflächen mit phantasievollen Motiven dekoriert. Schönheitsartikel, die wie Schmuckstücke anmuten.

Der Bedarf an solchen Artikeln war groß, denn während zuvor der Umgang mit Schminke und Puder diskret gehandhabt wurde, war es nun nicht verpönt, sich auch in aller Öffentlichkeit die Nase zu pudern. Glücklich konnte sich schätzen, wer dann sogar ein Döschen von einem berühmten Designer sein eigen nennen konnte. Silke Osman

Die Ausstellung „Pailletten – Posen – Puderdosen. Modezeichnungen und Objekte der Zwanziger Jahre“ in der Kunstbibliothek, Matthäikirchplatz 8, Berlin, ist bis zum 9. August dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr zu sehen, Eintritt 8/4 Euro.


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