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20.06.09 / Auch aus arabischer Sicht / Ernst Nolte über den Islamismus als radikale Widerstandsbewegung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Auch aus arabischer Sicht
Ernst Nolte über den Islamismus als radikale Widerstandsbewegung

So viel Unmut gab es lange nicht mehr über den seit dem Historikerstreit 1986 aus der Geistesrepublik Deutschland verbannten Ernst Nolte: Seine These „Die dritte radikale Widerstandsbewegung: Der Islamismus“, so urteilte beispielsweise die Hamburger „Zeit“, stelle im Kern „einen endlosen Abwehrkampf gegen das Jüdische in der Geschichte“ dar und den „Versuch, das Rationale daran zu erfassen und zu verteidigen“. Ein irritierendes Verdikt des Zeitgeistes, wenn man bedenkt, daß das neue Buch von Nolte kaum Neues zu Tage bringt: Denn daß der Islamismus eine radikale Widerstandsbewegung gegen die westliche Moderne darstellt und Islamisten Israel als deren nahöstlichen Vorposten betrachten, weiß heutzutage jeder. Auch würde nur ein Ignorant die Existenz eines arabischen Antisemitismus leugnen und genauso, daß dieser sich vor allem an der israelischen Politik entzündet. Das Palästinaproblem ist denn auch ein entscheidendes Moment in Noltes Interpretation des Islamismus – für ihn nach Bolschewismus und Nationalsozialismus, die dritte politisch-ideologische Strömung, die radikal gegen den Westen opponiert. Nolte bietet für sie eine unkonventionelle, wenngleich diskussionswürdige Lesart: Für die „Verteidigungsaggressivität“ des Islam sei die Existenz des Staates Israel ein entscheidender Grund, denn in ihr würde sich jene feindselige und demütigende Überlegenheit zementieren, die die westliche Welt seit Napoleons ägyptische Feldzug gegenüber den Muslimen an den Tag legte. Gibt es also einen „kausalen Nexus“ zwischen der zionistischen Besiedlung Palästinas und islamistischen Selbstmordattentätern heute? Kritiker werfen Nolte vor, derartiges überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Kann man es da Nolte ankreiden, wenn er vom Verrat des Westens an den Arabern spricht? Und es ist bekannt, daß während des israelischen Unabhängigkeitskrieges über 700000 Araber vertrieben und 200000 weitere zu Bürgern zweiter Klasse wurden. Noltes Bewertung lautet daher: Der Krieg von 1948 bis 1949 war ein Akt „gewaltsamer Verdrängung“ und der arabische Antisemitismus tst nicht nur „verständlich“, sondern auch „gerechtfertigt“. Sich in kollektive Befindlichkeiten hineinzuversetzen ist ein Weg zum tieferen Verständnis, anderswo wird er immer wieder eingefordert, so, wenn man von den Verfehlungen spricht, die den Vertreibungen der Deutschen vorangingen. Nolte will nun vor allem verstehen, deshalb betrachtet er die historischen Fakten auch aus der arabischen Sicht. Dafür gebührt ihm Respekt.

Die Geburt des Islamismus aus dem Geist des Zionismus – das ist gleichwohl eine problematische These. Es scheint, daß Nolte hier zu sehr der europäischen Tradition verhaftet ist: In ihr galt das Judentum im 19. Jahrhundert als Verkörperung einer unheilvollen neuen Zeit, das mit internationaler Dominanz in modernem Bankwesen, der Jurisprudenz und der Industrie gewachsene Lebensmuster zerstöre. Aber läßt sich das auch weltweit auf den islamistischen Totalitarismus beziehen und seine Verachtung gegenüber dem zwar reichen, aber dekadenten Westen?

Muslime leben heute zum größten Teil nicht im Nahen Osten, sondern in Nord- und Zentralafrika, in Asien und Indonesien. Pakistan und Afghanistan sind geradewegs vom Islamismus bedroht. Verbirgt sich dort hinter dem militanten Haß auf die US-Amerikaner tatsächlich das Bild der „jüdischen Weltverschwörung“? Nolte sagt dazu kein Wort.

Man hätte sich gewünscht, daß er seine Thesen mit vertieften Analysen der islamischen Religion und Philosophie untermauert hätte. Aber hierzu spricht er nicht genug Arabisch. So bleibt sein Buch nur das folgerichtige Ergebnis seines Ansatzes, den er in seinem Nachwort beschreibt: eine Annäherung an eine „Sache“, „unvollkommen“, und „widersprüchlich“. Michael Böhm

Ernst Nolte: „Die dritte radikale Widerstandsbewegung: Der Islamismus“, Landt Verlag, Berlin 2009, geb., 414 Seiten, 39,90 Euro


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