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20.06.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-09 vom 20. Juni 2009

Außergewöhnlich / Wie uns Lügen zum Lachen bringen oder auch nicht, warum in der Not der Gürtel platzt, und wer aus Guantánamo erwartet wird
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Manche Lügen machen dem Belogenen richtig Spaß. Kinder, die unbeholfen oder auf abenteuerliche Weise über eine Bagatelle hinwegflunkern, sind ein Härtetest für die Lachmuskeln: Die Ohren rotglühend, die Sprache tapsig oder frech. Man kann kaum an sich halten. Doch als Erwachsener will man den Anschein vom Ernst der Lage nicht gefährden und reißt sich unter Anspannung aller Gesichtsmuskeln eisern zusammen.

Begeistern kann auch das genaue Gegenteil des Kinderschwindels: das ausgefeilte Lügengebäude von machiavellistischer Grandezza nämlich. Ein feinziseliertes Kunstwerk, das uns  auf die allerabgefeimteste Art hinters Licht führen soll. Solche Meisterstücke sind zwar ganz und gar nicht zum Lachen, aber doch alle Bewunderung wert.

Dann gibt es noch eine dritte Variante, bei der man zwischen Zorn und Belustigung hin- und herschwankt. Dem Muster nach entspricht sie der Kinderlüge. Daß sie aber von Erwachsenen ausgeheckt wird, setzt unserer Nachsicht Grenzen.  Wir sehen zwar wieder die lustigen roten Ohren, doch unser Lachen gerät ein bißchen säuerlich.

So wie neulich im Bundesrat, als dort der blaue Dunst einer „Schuldenbremse“ den Saal einhüllte, wie zwei Wochen zuvor bereits den Bundestag. Schon das Wort ist pure Schummelei. 2016 (Bund) und 2020 (Länder) wollen sie dem Beschluß zufolge drauftreten auf die Bremse. Von da an werden also keine neuen Schulden mehr gemacht, soll der wohlmeinende Staatsbürger nun glauben.

Tut er auch, bis er auf die Ausnahmebestimmungen stößt, an denen sein Vertrauen sogleich zerschellt. Denn Schulden machen darf der Staat trotz „Bremse“ weiterhin bei Naturkatastrophen (geschenkt) und – „außergewöhnlichen Notsituationen“!

Ein Hintertürchen so groß wie ein Palastportal. Mögen bei „außergewöhnlichen Notsituationen“ die älteren Semester noch an Krieg, Hunger und Blockade denken, so haben  unsere  zeitgemäßen Politiker den Begriff zu einem superelastischen Allesentschuldiger erweitert. Auch Wirtschafts- und Finanzkrisen, wie sie moderne Industriestaaten rhythmisch alle paar Jahre heimsuchen, haben sie unter die Rubrik „außergewöhnlich“ gepackt und sich so das erwünschte Schlupfloch geschaffen.

Denn ist die Krise, die „außergewöhnliche Not“, denn je zuende? Man muß die Wurst der Normalität nur hoch genug hängen, wenn man sie auf keinen Fall in die Finger bekommen möchte. Annähernde Vollbeschäftigung als Maßstab dafür, daß die „außergewöhnliche Notsituation“ überwunden ist, genügt schon: Die hatten wir vor 36 Jahren das letzte Mal. Und wenn wir sie wieder haben werden, dann spätestens fliegt uns die Überalterung des Volkes „außergewöhnlich“ um die Ohren.

Die Sache ist also geritzt. In den dünnen Mantel der „Schuldenbremse“ gehüllt haben die Parteien gründlich vorgesorgt, daß sie auch in Zukunft noch auf Kosten der Zukunft prassen können.

Daß sie damit so geräuschlos durchkommen, läßt tief blicken, tief hinunter auf das Niveau, auf welches das Ansehen der Politiker mittlerweile gefallen ist. Natürlich glauben wir ihnen den Quatsch keine Sekunde. Wir haben aber gar nichts anderes erwartet „von denen“, weshalb außer ein bißchen Grummeln und bitterem Grinsen kaum eine Regung in uns emporsteigt. Das hier wäre jetzt die Stelle, um über den Zustand der Demokratie, das gestörte Verhältnis zwischen Politik und Volk etc. zu lamentieren. Aber wie Sie wissen, sind Sie in dieser Kolumne sicher vor solchem Gedröhn, andernfalls würden Sie sie ja nicht lesen.

Und dann würden Sie nie erfahren, was nach der Krise kommt. Die Finanzminister der G8-Staaten stellten soeben ihre angebliche Ratlosigkeit in Fenster und versprachen als einziges ausgerechnet das, was ihnen nun wirklich niemand abnimmt: Daß der Internationale Währungsfonds einen Weg finden werde zu verhindern, daß sich aus der derzeitigen Lawine an frischem Geld gleich nach Ende der akuten Krise das Ungeheuer der Inflation erhebt – dabei riechen die Rohstoffmärkte bereits seinen schwefligen Atem. Anders gesagt: Daß sich der Rohöl-Preis in den letzten Monaten verdoppelt hat trotz zurückgehenden Verbrauchs, das stinkt wie der Vorbote einer üblen Geldentwertung, die parallel zum Ausklingen der Krise an Fahrt gewinnen wird, wie immer mehr Fachleute warnen.

Und was kommt noch? Experten sagen voraus, daß es nach der Krise heftigen Streit in der EU geben werde, weil etliche Mitglieder versuchen würden, sich auf Kosten anderer EU-Staaten zu sanieren. Da sind wir doch froh, daß Helmut Kohl und sein Scheck­buchdiplomat Genscher nicht mehr im Amt sind. Denn auf welches Land sich die gierigen Blicke richten werden, da haben wir schon eine ganz präzise Ahnung.

Manches ändert sich eben nie, was etwas Beruhigendes hat in einer Zeit, in der so vieles unvorhersehbar erscheint. Schon unsere Redewendungen zeigen an, daß die alten Erfahrungen nicht mehr greifen: Wir durchlebten „magere Jahre“, hört man immerfort, daher müßten wir „den Gürtel enger schnallen“. Alles Unsinn, das war mal, heute ist es geradewegs umgekehrt: US-Mediziner schlagen Alarm, weil ihren Landsleuten infolge der Krise die Gürtel regelrecht von der Wampe knallen. Die miese Wirtschaftslage macht sie sprunghaft fetter. Grund: Während „magere Jahre“ die Leute früher zu schmaler, fettarmer Kost wie Kartoffeln und so gut wie kein Fleisch nötigte, füllt die Flaute in den Portemonnaies der Amerikaner heute die billigen Fast-Food-Buden, wo es Fettmacher zum Spottpreis gibt.

Für die Deutschen liegen noch keine vergleichbaren Untersuchungen vor. Wir hoffen doch, daß es hier nicht auch so kommt. Schließlich kann man aus einer Krise ja auch etwas Positives ziehen, wie ausgewählte Landsleute beweisen. Eine Meldung sagt, daß die Scheidungsrate bei Unternehmern plötzlich sinkt. Die Trennungswilligen ziehen ihre Anträge zurück, weil ihnen der Unterhalt für die künftige Ex unbezahlbar erscheint. Na, vielleicht regt die erzwungene Denkpause die Scheidungswilligen sogar zu neuem Nachdenken an und die Ehe bleibt bestehen. Dann hätten wir die erste Wirtschaftskrise erlebt, der wir die Rettung von Familien verdanken.

Das Beste aus der Krise machen, das wollte auch Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Voll des stolzen Gefühls, ein „aufgeräumtes Haus“ hinterlassen zu haben, wie er öffentlich meinte, verließ er den Konzern kurz vor dem Wasserfall. Nicht schlecht. Besser noch: Middelhoff hatte sich an dem Fonds beteiligt, an den die Karstadt-Häuser unter seiner Leitung verkauft und von dem sie zurückgemietet worden waren – zu völlig überhöhten Mieten. Hätte der Konzern nun Staatsgeld erhalten, wäre ein Teil davon direkt in Middelhoffs Taschen geflossen. Tja, leider nichts geworden, woran vor allem dieser „Baron aus Bayern“ schuld sein soll. Der wollte ja am liebsten auch die künftigen Opel-Ausschlachter, ob Magna/Sberbank, Fiat oder wer auch immer, um ihre deutsche Subventionsbeute bringen. Frank-Walter Steinmeier kann nicht verstehen, warum so ein herzloser Typ wie Karl-Theodor zu Guttenberg in Deutschland überhaupt Politik machen darf, Middelhoff vermutlich auch nicht.

Weit mehr Verständnis hat der Außenminister für die Nöte der Guantánamo-Häftlinge, für deren Aufnahme er sich vehement einsetzte. Nun kommen Einzelheiten über die Personen heraus, welche die USA gern an Deutschland loswürden. Darunter ein 40jähriger Tunesier, der Deutschland bereits verbunden ist: 1996 beantragte er unter falschem Namen Asyl und integrierte sich als Drogendealer und Kleinkrimineller in unsere Gesellschaft. 1999 in ein Terror-Camp nach Pakistan entschwunden, ging er dort 2003 den Amis ins Netz. Ein echtes Goldstück, der Mann.


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