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27.06.09 / Offener Machtkampf im Iran / Ahmadinedschad und Mussawi sind selbst nur Schachfiguren – Rafsandschanis Rolle wird unterschätzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Offener Machtkampf im Iran
Ahmadinedschad und Mussawi sind selbst nur Schachfiguren – Rafsandschanis Rolle wird unterschätzt

Mindestens 17 Tote hat der laufende Machtkampf im Iran bis zum Wochenbeginn gefordert. Auch wenn es nicht zu Neuwahlen kommen sollte, steht die Islamische Republik vor einer Zeitenwende: Inzwischen wird selbst in Qom, dem religiösen Zentrum des Landes, die Machtfülle von Ayatollah Chamenei in Frage gestellt. Alle Akteure halten aber am Atomprogramm des Iran fest.

Die iranische Präsidentschaftswahl hatte wie ein Planspiel begonnen: Von Hunderten Bewerbern durften neben Präsident Mahmud Ahmadinedschad nur drei weitere kandidieren – alle Teil des Systems, sonst wäre ihre Kandidatur untersagt worden. Und der Wahlkampf schien wenig interessant zu werden, denn Ahmadinedschad wurde von Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei und vom Machtapparat unterstützt.

Dann kamen noch vor der Wahl die Kundgebungen für den früheren Ministerpräsidenten Mir Hussein Mussawi. Sie waren anfangs offenbar spontan und überraschten selbst Mussawi, der sich nur zögerlich zur Galionsfigur machen ließ. Über das Ausmaß der Bewegung kann weiterhin nur spekuliert werden, denn aus den Provinzen liegen kaum Informationen vor und die Demonstrationen für Mussawi sind eher Proteste gegen die schlechten Lebensverhältnisse, die vor allem beim städtischen Mittelstand und der Jugend für Unmut sorgen.

Nun sind sie auch Proteste gegen Wahlbetrug. Der hohe Wahlsieg Ahmadinedschads könnte zwar dadurch erklärt werden, daß seine Anhänger wegen der Mussawi-Kundgebungen alarmiert und besonders mobilisiert waren. Aber ebenso könnten die Machthaber aus Angst vor einer Niederlage die Urnen „nachgefüllt“ haben. Statistiker jedenfalls halten die offiziellen Angaben zumindest dem Ausmaß nach für unwahrscheinlich. Daß andererseits CIA und Mossad das Thema Wahlfälschung bagatellisieren, bedeutet auch nicht viel, sondern bestätigt nur, daß für die Konfrontationspolitik gegenüber dem Iran das Feindbild Ahmadinedschad viel nützlicher ist, als es ein „Reformer“ wäre.

„Unregelmäßigkeiten“ werden inzwischen sogar zugegeben. Zugleich wird es dem Machtapparat aber leicht gemacht, das Ausland zu beschuldigen: Warum etwa tragen Demonstranten Transparente in englischer Sprache? Auch wäre es naiv zu glauben, daß einschlägige „Dienste“ nicht die Gelegenheit nutzen. Und daß der Westen Mussawi als „Reformer“ etikettiert, paßt in die lange Tradition von Schwarz-Weiß-Malerei, die seit Jahrzehnten die Wahrnehmung verzerrt und auf das Geschehen zurückwirkt. Wie war das einst mit dem Schah-Regime: An dessen Glanz partizipierten sämtliche Staatsmänner, und die Regenbogenpresse sorgte dafür, daß der Blick auf die Realität verstellt blieb. Verstärkt wurde das sogar durch die Linken – die damals noch nicht die Meinungshoheit hatten. Denn da sie den Schah zum Lieblingsfeind erkoren, konnte man auch seriöse Schah-Kritiker leicht diskreditieren.

Eben darum wirkte bereits der Umsturz 1979 „überraschend“. Daß eine eigentlich nationale Erhebung, die an die weltliche Politik des 1953 durch einen CIA-Putsch gestürzten Premierministers Mossadegh anknüpfte, zur „islamischen Revolution“ wurde, ist eine Überreaktion auf das „verwestlichte“ Schah-Regime. Ayatollah Chomeini, der bedeutendste Schah-Gegner, verlieh ihr Ideologie und Struktur, und seine überragende Autorität übertünchte auch, daß der schiitische Klerus keineswegs eine homogene Gruppe war und ist.

Dies tritt nun aber deutlich zutage und wird immer mehr zur persönlichen Konfrontation zwischen Ayatollah Chamenei und dem früheren Präsidenten Haschemi Rafsandschani, einem der reichsten und einflußreichsten Männer des Landes. Denn er ist Vorsitzender des 86köpfigen „Expertenrats“, der einst Chamenei zum Nachfolger Chomeinis wählte und der ihn als einzige Verfassungs-Instanz wieder absetzen könnte. Ahmadinedschad und Mussawi sind de facto nur Schachfiguren.

Doch ob „Konservative“ oder „Reformer“, alle sind für das Atomprogramm und für die Rüstung, und sie wissen dabei die meisten Iraner hinter sich. Es ist dies eine Reaktion auf die massive Unterstützung des Westens für Saddam Hussein in dessen Krieg gegen den Iran in den Jahren 1980 bis 1988 sowie auf die Embargo-Maßnahmen, die für die aktuellen Wirtschaftsprobleme mitverantwortlich sind. Die haben natürlich auch etliche hausgemachte Ursachen, aber selbst eine neue Regierung könnte nur wenig gegen die hohe Arbeitslosigkeit ausrichten, denn sie resultiert primär aus der Altersstruktur – aus der „Überjüngung“ des Iran, wo rund 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt sind.            R. G. Kerschhofer

Foto: Wird seine Macht beschnitten? Ajatollah Chamenei, religiöser Führer und Staatsoberhaupt


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