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27.06.09 / Waffenstillstand für 20 Jahre / Vor 90 Jahren wurde der Vertrag von Versailles unterzeichnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Waffenstillstand für 20 Jahre
Vor 90 Jahren wurde der Vertrag von Versailles unterzeichnet

Gerne wird alles Unrecht und Unglück auf die „Machtergreifung“ von 1933 in Deutschland zurückgeführt. Dabei wird die Bedeutung des Ersten Weltkrieges einschließlich der durch ihn in Versailles geschaffenen Friedensordnung geflissentlich übersehen.

„Ohne Versailles kein Hitler.“ Diese Kritik Martin Walsers an das den Ersten Weltkrieg beendende Friedensdiktat ist hart, aber gerecht. Geradezu prophetisch kritisierte der französische Marschall Ferdinand Foch nach dem Ersten Weltkrieg, Versailles sei weniger ein Frieden als ein „Waffenstillstand für 20 Jahre“. Nicht zu widersprechen ist auch dem ebenfalls aus Frankreich stammenden Historiker Jacques Bainville, wenn er den den Deutschen in Versailles diktierten Frieden als „zu hart für einen milden Frieden“ bezeichnete.

Andererseits hatte Bainville – aus machtpolitischer Sicht – auch Recht mit der Feststellung, daß Versailles „für einen Frieden der Härte zu weich“ gewesen sei. Inwieweit der Vertrag von Versailles noch zu „weich“ gewesen sein könnte, zeigt ein Vergleich mit der Behandlung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg: Den Deutschen verblieben 1919 immerhin Souveränität und staatliche Einheit.

Der Versailler Frieden war zu hart, als daß die Deutschen ihn als gerecht hätten akzeptieren können, aber er war zu weich, um sie längerfristig von einem Versuch der Revision abhalten zu können. Bis 1939 gelangen dabei beachtliche Teilerfolge. In diesem Zusammenhang wird den Siegermächten zu Recht vorgeworfen, dem Dritten Reich zu weit entgegengekommen zu sein. Dabei lag der fatale Fehler der westeuropäischen Großmächte nicht darin,  Forderungen, die aus dem Recht der Deutschen auf Gleichberechtigung und Selbstbestimmung resultierten, entgegengekommen zu sein, sondern darin, dies erst Hitler gegenüber und nicht schon zur Zeit der Weimarer Demokratie getan zu haben. Damit diskreditierten sie Deutschlands demokratische Politiker, die aus Sympathie für das politische System des Westens die Westmächte durch eine Politik größtmöglicher Erfüllung der maßlosen Bedingungen von Versailles kulant stimmen wollten.

In diesem Zusammenhang sind aber auch die deutschen Politiker der Weimarer Koalition nicht frei von Verantwortung für das Scheitern der Demokratie. Durch eine zu starke Fixierung auf die Erfüllungspolitik trieben sie deren Gegner in die Hände der nicht am Westen orientierten extremen Parteien – übrigens auch der Kommunisten.

Wenn bundesrepublikanische Geschichtspolitiker wie Hans Mommsen den kausalen Zusammenhang zwischen dem von den ehemaligen Besatzungsmächten und heutigen Freunden der Bundesrepublik verfaßten Versailler Vertrag und der „Machtergreifung“ auch bestreiten, so ist doch immerhin der Zusammenhang zwischen Weltwirtschaftskrise und dem Ende Weimars Konsens. Diese Krise ging von den Vereinigten Staaten von Amerika aus und traf vor allem deshalb Deutschland so schwer, weil US-Gläubiger ihre meist kurzfristigen Kredite schlagartig kündigten und Unsummen aus der deutschen Wirtschaft herauszogen. Hauptgrund dieser Kredite wiederum war aber der gravierende Kapitalmangel in Deutschland infolge der immensen Reparationsverpflichtungen (und auch Exportbehinderungen) durch den Versailler Vertrag. Und da schließt sich der Kreis. Der kausale Zusammenhang zwischen Versailles und Hitler ist zwar eben leugbar, aber nicht wegzudiskutieren.     M. Ruoff / K. Badenheuer

Foto: Friede ohne Gerechtigkeit: Georges Clemenceau, Woodrow Wilson und David Lloyd George (von links) in Versailles

 

Zeitzeugen

Woodrow Wilson – Der US-amerikanische Präsident von 1913 bis 1921 hatte einen Verständigungsfrieden auf Basis des Selbstbestimmungsrechtes der Völker vorgeschlagen. Um die deutschfeindlicheren europäischen Verbündeten der USA für seine Idee vom Völkerbund, die Vorgängerorganisation der Vereinten Nationen, zu gewinnen, fand er sich jedoch zu weitgehenden Abstrichen von seinem auf Ausgleich abzielenden Friedenskonzept bereit.

 

Georges Clemenceau – Der deutschfeindliche Ministerpräsident Frankreichs von 1906 bis 1909 sowie von 1917 bis 1920 prägte das Versailler Diktat wie kein anderer. Sein primäres Ziel bei den alliierten Vertragsverhandlungen war es, Deutschland maximal zu schwächen und zu schädigen.

 

Philipp Scheidemann – Der deutsche Ministerpräsident der Gründungsphase der Weimarer Republik deckte die Weigerung seines Außenministers Brockdorff-Rantzau, den Versailler Vertrag zu unterzeichnen. Von dem Sozial-demokraten stammt das berühmte Wort: „Welche Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legt? Der Vertrag ist unannehmbar.“

 

David Lloyd George – Der britische Premier von 1916 bis 1922 teilte nicht den fanatischen Haß seines französischen Amtskollegen auf Deutschland. Seine Ziele beschränkten sich darauf, den Ver-lierer als Konkurrenten auf den Weltmärkten „zusammenzustutzen“ und möglichst viel Geld aus dem Land zu ziehen, ohne es aber in die Arme des Sowjetstaates zu treiben. Später vertrat er statt des Versailler Kriegsschuldartikels die These, daß Europa in den Ersten Weltkrieg hineingeschlittert sei.

 

Martin Walser – Der 1927 geborene Schriftsteller ist immer wieder für einen Tabubruch gut. Auf Einladung des Bundeskanzlers hielt er am 8. Mai 2002 in Berlin eine Rede, in der er den kausalen Zusammenhang zwischen Versailles und Hitler ansprach – was früher noch als „Binsenweisheit“ gegolten hätte, erfordert heute Mut. Er stellte damit auch die verbreitete Sichtweise von der deutschen Alleinschuld an der NS-Herrschaft in Frage.


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