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27.06.09 / Der Goebbels von Pjöngjang / Nordkoreas »Geliebter Führer« Kim Jung-Il nutzt vor allem Filme, um sein Volk zu indoktrinieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Der Goebbels von Pjöngjang
Nordkoreas »Geliebter Führer« Kim Jung-Il nutzt vor allem Filme, um sein Volk zu indoktrinieren

Mit Raketen, Atombombentests,  einem riesigen Heer und martialischen Drohgebärden macht Nordkorea derzeit von sich reden. Wie aber sieht das Alltagsleben in dem abgeschotteten Land aus? Einem deutschen Journalisten gelang es, im Herbst 2008 zehn Tage lang vor Ort zu recherchieren.

Nachts gehen in Pjöngjang im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter aus. Die Hauptstadt Nordkoreas liegt im Dunkeln, weil kein Strom mehr fließt. Das berichtete der Journalist und Autor Malte Herwig in einem Vortrag vor dem renommierten Hamburger Überseeclub. Nachts gelang es dem Journalisten einige Male, seine ständigen Begleiter, eine Übersetzerin und einen Geheimdienstmann, abzuschütteln und Streifzüge durch das nächtliche Pjöngjang zu unternehmen. Armselige Gestalten huschten dann über die Straßen; sie suchten nach Nahrungsmitteln oder Holz für den Ofen.

Ganz anders der Eindruck bei Tage. Die Hauptstadt präsentiert sich sauber, die Schulkinder sind adrett angezogen. Pjönjang wirke wie ein riesiges Potemkinsches Dorf. Riesige Reklametafeln verkünden den Sieg des norkoreanischen Kommunismus über den amerikanischen Imperialismus. Filme erzählen von den heldenhaften Taten der Soldaten oder Arbeiter. Selbst Bäume und ganze Waldflächen an Bergabhängen werden so beschnitten, daß von weither die Werbebotschaften des Regimes zu erkennen sind. Ein Triumphbogen mitten in der Stadt und ein 170 Meter hoher Turm runden das sozialistische Utopia mit vielen Plattenbauten ab.

Zwei Jahre brauchte Herwig, um eine Einladung in das weitgehend verschlossene Land zu erhalten. Schließlich gelang der Zugang über eine Einladung zum Internationalen Filmfestival von Pjöngjang, das alle zwei Jahre dort stattfindet. Filme sind der ganze Stolz des nordkoreanischen Diktators Kim Jung-Il. Schon dessen Vater, der „Ewige Führer“, betätigte sich selbst als Drehbuchautor und förderte die Filmindustrie des Landes mit allen Mitteln. Die Filmstadt von Pjöngjang, vergleichbar mit Babelsberg bei Berlin, hat eine Fläche von einer Million Quadratmetern. Nordkorea sei eine „endlose Kinoschleife, wo die Illusion die Realität verdrängt“, führte Herwig aus. Hollywood ist anscheinend nichts dagegen, wenn Kim Jung-Il persönlich Regie führt. Im Filmmuseum Pjöngjangs ist zu sehen, wie der große Feldherr auf seinem Hügel steht, Bügelfalten, scharf wie Offizierssäbel. Zu seinen Füßen tobt die Schlacht. Ihn scheint das Blutvergießen nicht zu berühren. Entrückt steht er da, den Blick in weite Fernen gerichtet. Der Feldherr Kim ist ein besessener Regisseur. Ähnlich wie Joseph Goebbels nutzt er die Medien für seine Zwecke.

Acht Millionen Koreaner sahen beispielsweise den Film „Das Tagebuch eines Schulmädchens“. Das Epos schildert, wie gut der Staat alle Bürger mit Nahrung und Kleidung versorgt. „Bald werden wir reich sein“, ist eine der Hauptbotschaften des Streifens. Dabei wird die Wirklichkeit des Landes in grotesker Weise überblendet. Denkt man das Ende der 90er Jahre, wo schätzungsweise eine Million Menschen in Nordkorea an Hunger starben, werden solche Filme zur Groteske. Was Karl Marx und Ludwig Feuerbach einst den Religionen vorwarfen − die Vertröstung auf eine bessere Zukunft −, praktizieren heute Spätkommunisten in Nordkorea.

Der Diktator und dessen Vater sind im Alltag der Hauptstadt allgegenwärtig. In jedem U-Bahnwagon der Hauptstadt hängen die Bilder der beiden „Führer“. Zudem ist jeder der 22 Millionen Nordkoreaner verpflichtet, einen Anstecker mit dem Bild des  „Ewigen Führers“ zu tragen. Dies sei nicht nur ein Zeichen für den Personenkult, sondern auch ein Symbol dafür, wie die propagandistische Beeinflussung von klein auf in Krippen, Kindergärten und Schulen im Sinne der kommunistischen Ideologie gestaltet wird. Aber auch Englisch werde als Fremdsprache in den Schulen und Hochschulen des Landes gelehrt, berichtete Herwig. Das mache die Verständigung mit der Bevölkerung möglich, soweit sie denn erlaubt wird.

Diese Erlaubnis wird allerdings  fast nie erteilt. Besucher des Landes, wie amerikanische Touristen oder südkoreanische christliche Missionare, müssen in einem speziellen Hotel absteigen, das hermetisch abgeriegelt ist. So sind etwa Journalisten auf andere Informationsquellen wie Flüchtlinge und Überläufer, Satelliten und Abhörgeräte angewiesen.

Wie Nordkorea seine teure Armee mit 1,2 Millionen Soldaten, Kriegsschiffen und der neuen Atomrüstung finanziert, scheint vielen ein Rätsel. Vermutet wird, berichtete Herwig, daß der Staat sich über den Waffen- und Drogenhandel sowie Devisenfälschung im großen Stil die notwendigen Mittel beschafft. China und Südkorea seien auf sehr verschiedene Weise Handelspartner. Viele MP3-Player und Digitalkameras aus chinesischer Produktion sehe man im Stadtbild. Handys seien aber generell verboten.

Die Südkoreaner investieren in großem Stil in sogenannten Sonderwirtschaftszonen im Norden, in denen sie das Heft des Handelns in der Hand behalten können. Nordkorea profitiert von diesen Sonderzonen, um der chronischen Mangelwirtschaft abzuhelfen. Nach dem Vorbild der deutschen Vereinigung hoffe Nordkorea, so Herwig, auf eine Wiedervereinigung mit dem Süden − allerdings unter kommuni-stischer Herrschaft. Die Südkoreaner seien von einer Wiedervereinigung nicht begeistert und hätten dafür nur eine kurze Antwort parat: „Zu teuer!“           H. E. Bues

Foto: Indoktrination von klein auf: Nordkoreanische Faust zerschlägt die USA.  


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