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27.06.09 / Profilierung durch Polarisierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Profilierung durch Polarisierung
von Wilhelm v. Gottberg

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier und der SPD-Vorsitzende Müntefering haben die Sozialdemokraten beim SPD-Wahlparteitag am 14. Juni in Berlin auf Wahlkampf eingestimmt. Ihr Mobilisierungsmotto: „Kämpfen heißt zuspitzen.“ Damit ist verbale Polarisierung gemeint, die der Profilierung der SPD dienen soll. Das geht in Ordnung, wenn alle darauf achten, daß die verbale Zuspitzung nicht zur Schlammschlacht verkommt.

Das vorgelegte SPD-Programm zur angestrebten Regierungsverantwortung bietet für alle etwas.  Bemerkenswert ist das Bekenntnis und der Anspruch des Kandidaten, um die politische Mitte in Deutschland zu werben und diese zu vertreten. Nach der linken Mitte und der neuen Mitte früherer Kanzlerkandidaten ist es nun wieder schlicht die Mitte, die Wählerstimmen und damit den Einzug in das Kanzleramt bringen soll.

Immer wieder betonte Steinmeier bei seiner Rede, daß die SPD bei den Menschen in Deutschland stehe. Allerdings wurden die Personen mit Migrationshintergrund besonders angesprochen.

Läßt es sich mit dem Werben um die politische Mitte vereinbaren, daß Steinmeier und Müntefering einen harten Lagerwahlkampf führen wollen, um Schwarz-Gelb zu verhindern? Merkwürdig auch, daß „Die Linke“ von den SPD-Granden auffallend geschont wurde. Sind denn die Wähler der Linkspartei auch politische Mitte? Wäre die SPD nicht glaubwürdiger, wenn sie um jeden Wähler der Linkspartei werben würde? Denn die Wähler der Linkspartei hatten ursprünglich überwiegend ihre politische Heimat in der SPD.

Steinmeier gab sich bei seiner Rede staatsmännisch. Er unterließ verbale Rundumschläge gegen einzelne Personen des Koalitionspartners. Wollte er damit von seinem ehrabschneidenden Tiefschlag gegen Wirtschaftsminister zu Guttenberg vor 14 Tagen ablenken, ihn vergessen machen? Wollte er womöglich auch die Tür zum Koalitionspartner CDU/CSU ein wenig offenhalten? Ein entsprechendes Wählervotum muß der Kanzlerkandidat ins Kalkül nehmen.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil übernahm am Parteitag die Aufgabe, einzelne Kabinettskollegen des Koalitionspartners herabsetzend zu bewerten. Er sprach der Kanzlerin und dem bayerischen Ministerpräsidenten Augenmaß und Verantwortungsbewußtsein im politischen Tagesgeschäft ab, nicht aber der sozialdemokratischen Ministerriege, weshalb die SPD die Regierungsverantwortung übernehmen müsse. Man geht nicht fehl in der Annahme, daß Heil von Seehofer (CSU) sprach, aber zu Guttenberg (CSU) meinte. Sozialdemokraten sind lernfähig. Das unangemessene verbale Einprügeln auf zu Guttenberg hat sich als Bumerang erwiesen. Es gibt in diesem Bundestagswahlkampf keinen zweiten Fall Paul Kirchhoff.

Die SPD verspricht anders als die Union keine generelle Steuersenkung, weil dazu die Spielräume nicht vorhanden wären. Das ist richtig. Dennoch will die Partei Geringverdiener und Familien entlasten, die Studiengebühr wieder abschaffen, Schüler-Bafög ab der 11. Klasse einführen, den Eingangssteuersatz von 14 auf zehn Prozent senken, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem ersten Lebensjahr einführen, die Teilrente ab dem 60. Lebensjahr ermöglichen sowie die geförderte Altersteilzeit bis 2015 verlängern. Frage: Woher soll das erforderliche Geld für diese „Wohltaten“ kommen? Die vorgesehene Anhebung des Spitzensteuersatzes um zwei Prozentpunkte und die Einführung einer Börsenumsatzsteuer werden nicht reichen.

Die Jusovorsitzende Franziska Drohsel hatte beantragt, die Einführung der Vermögensteuer und die Abschaffung des Familiensplittings in das Wahlprogramm aufzunehmen. Der Parteitag ist ihr nicht gefolgt. Damit wäre der Anspruch des Kandidaten, die politische Mitte zu vertreten, zu offensichtlich konterkariert worden.

Foto: Partei ohne Kurs: SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Franz Müntefering sprachen nach einem mißglückten Linksrutsch der SPD wieder viel von der politischen Mitte. Doch schon kurz nach dem Parteitag wurde mit Polemik gegen die Rente mit 67 das Steuer bereits wieder nach links verdreht.


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