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27.06.09 / Königsbergs Stadtbild ist gefährdet / Hochhausneubauten drohen den erhalten gebliebenen Rest historischer Ansichten zu zerstören

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Königsbergs Stadtbild ist gefährdet
Hochhausneubauten drohen den erhalten gebliebenen Rest historischer Ansichten zu zerstören

Der Bauboom in Königsberg schreitet trotz der Krise unaufhaltsam voran. Vor allem im Zentrum fallen die Reste historischer Ansichten der Zerstörung anheim. Die Kritik an diesen Bausünden mehrt sich.

Vor kurzem stattete Swetlana Siwkowa, Kulturberaterin des Gouverneurs Georgij Boos und Direktorin des Ozeanmuseums, dem Gouverneur einen Besuch ab. Ihr Anliegen, das sie ihm vortrug, betrifft einen Bauskandal in Königsberg, der zunehmend Wellen schlägt. Sie zeigte dem Gouverneur Fotos von Gebäuden, die um das Königstor herum wie Pilze aus dem Boden schießen. Um zu unterstreichen, wie sehr das Stadtbild dadurch zerstört wird, schenkte sie dem Gouverneur einen Kupferstich, der zum Stadtjubiläum vor vier Jahren hergestellt worden war.

Auf dem Foto, das die Kulturberaterin Boos zeigte, war das Königstor vor dem Hintergrund einer schönen Wolkenformation abgebildet. Swetlana Siwkowa gab zu bedenken, daß dieser historische Anblick, der unter großer Anstrengung und immensen Kosten zum Stadtjubiläum wiederhergestellt worden war, bald für immer zerstört sein könnte. Das neue Gebäude beim Königstor sei in so kurzer Zeit entstanden, daß die Museumsmitarbeiter es erst bemerkt hätten, als schon mehrere Etagen fertiggestellt waren. Nun überrage es bereits das Königstor. Bei Fertigstellung wird es mit 14 Etagen doppelt so hoch sein wie das Architekturdenkmal Königstor, welches unter der Leitung des Ozeanmuseums steht.

Diese Nachricht bestürzte Georgij Boos sehr. Er setzte sich sogleich mit der Baubehörde der Gebietsregierung in Verbindung und ordnete an, daß diese sich mit der Angelegenheit befasse.

Die Königsallee (Gagarinstraße), die vom Königstor zum ehemaligen Flughafen Devau führt, wird zur Zeit intensiv bebaut. Die Hochhäuser, die schon vor langer Zeit errichtet wurden, stören niemanden, was man von den neuen, die in der Nähe des Königstors entstehen, nicht sagen kann. Die Baufirma „Autokolonne Nr. 1114“ hatte alle Bauanträge ordnungsgemäß gestellt, alle Prüfungen durchlaufen und schließlich die Baugenehmigung erhalten.

Verstöße von Seiten des Bauherrn und der örtlichen Verwaltung, die die Genehmigung erteilte, gab es demnach nicht. Vermutlich handelt es sich um einen Fehler in der Projektplanung, in der die Nähe zum Baudenkmal nicht berücksichtigt wurde. Tatjana Kondakowa, Leiterin der Gebiets-Baubehörde, meint, daß künftig bessere Analysen des Gesamtbildes durchgeführt werden müssen. Hierfür plant die Baubehörde die Einrichtung einer speziellen Kommission, die problematische Fälle prüfen und zu einer qualifizierten Lösung kommen soll. Sollte entschieden werden, daß die Bebauung auf den derzeitigen Stand begrenzt wird, müßten gleichzeitig Fragen wie die Verteilung der Kosten und die Erfolgsaussichten eines Projekts berücksichtigt werden. Chefarchitekt Igor Li meint, daß man vor allem keine Zeit verlieren dürfe.

Probleme wie diese treten auch in Moskau und Sankt Petersburg häufig auf. Dort werden sie radikal gelöst – man entfernt kurzerhand die Etagen eines Gebäudes, die das Gesamtbild der Stadt zerstören.

Bausünden könnten sich negativ auf das Image Köngisbergs auswirken, befürchtet Swetlana Siwkowa. Das Ozeanmuseum bemüht sich derzeit um die Aufnahme Königsbergs in die Unesco-Liste für Denkmäler. Der gesamte Verteidigungskomplex Königsbergs soll geschützt werden: die Verteidigungsbauten, Anpflanzungen, Wälle und Bastionen. Sie befürchtet allerdings, daß die Unesco momentan ihren Antrag nicht annehmen wird. Dies würde aber auch den Schutz und die Finanzierung der Denkmäler in Frage stellen.

Es ließen sich viele Beispiele aufzählen, in denen Nachkriegsbauten in Königsberg in negativem Sinn die historischen Denkmäler „überragen“. Gegenüber dem Dom und dem Fischerdorf stehen gewaltige 20stöckige Hochhäuser, die im Stil der tristen Architektur der Sowjetzeit gebaut sind. Ließ sich ein solcher Baustil damals noch mit der Notwendigkeit erklären, möglichst schnell die Menschen mit Wohnraum zu versorgen, so sind es heute knallharte kommerzielle Interessen, die zum Bau von Wolkenkratzern führen: Grundstücke möglichst schnell bebauen, so viele Wohnungen hineinpressen wie möglich, um schnell viel Geld zu erwirtschaften. Dies geschieht vor allem im historischen Zentrum, weil hier der Quadratmeterpreis wesentlich höher ist als in reinen „Schlaf-Stadtteilen“.

Wenn man vom Wassiljewski-Platz zum Bernsteinmuseum blickt, sieht man riesige Gebäude am Ufer des Oberteichs aufragen, die nicht in die architektonische Landschaft passen, die vom Roßgärter Tor und dem Dohna-Turm geprägt sind.

Obwohl engagierte Bürger die Aufmerksamkeit der Politiker ständig auf dieses Problem lenken, ändert sich nichts zum Besseren. Was allein zählt, ist das Geld, das sich mit Bauprojekten verdienen läßt; was die Politiker den Kindern und Enkeln hinterlassen werden, interessiert sie vorerst nicht.         

Jurij Tschernyschew

Foto: Königstor: Hochhäuser wie das im Hintergrund könnten bald den Rest der historischen Silhouette zerstören


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