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27.06.09 / Mundart / Heimatkultur – ostpreußisches Niederdeutsch 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Mundart
Heimatkultur – ostpreußisches Niederdeutsch 

Will man die Menschen verstehen, muß man ihre Sprache verstehen; ebenso umgekehrt. „Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“, meint Wilhelm von Humboldt.

Im Norden Ostpreußens wurde das Nieder- oder Plattdeutsche, im Ober- und Ermland das Mitteldeutsche gesprochen. Zu einem einheitlichen Dialekt hat es die zusammengewürfelte Bevölkerung nie gebracht. Seit über 750 Jahren kamen Siedler aus allen Himmelsrichtungen ins Land. Diese mußten sich zunächst untereinander und gleichfalls mit den Ureinwohnern, den Prußen, verständigen. So entstand ein ganz eigenständiges Platt, welches aus vielen Sprachen gemischt war.

Das ostpreußische Niederdeutsch ist wie ein Tuch – schön und bunt. Keine andere deutsche Mundart kann soviel ausgeprägte Eigenwörter aufweisen wie die ostpreußische. Viele gehen auf prußische Wurzeln zurück, andere auf unsere Vorfahren aus deutschen Landen, aber auch aus Frankreich und der Schweiz, aus Holland und Schottland. Dazu kamen die Salzburger, die Polen, die Litauer, die Kuren.

Die folgende kleine Anekdote soll deutlich machen, wie verwirrend Ausdrücke in Mundart sein können:

Der Herr Schulrat inspiziert die 5. Volksschulklasse in der Nähe von Insterburg und stellt verschiedene Fragen. Dabei schaut er zufällig zum Fenster raus, da sieht er im Schulgarten eine Ziege weiden. Er fragt die Kinder: „Was ist das für ein Tier, das da draußen weidet?“ Nun meldet sich der kleine Fritz und sagt: „Das is e Koss.“ „Nein“, sagt der Herr Schulrat und schaut den Lehrer an. Der Lehrer schaut raus und sagt: „Herr Schulrat, das ist wirklich ne Koss.“ „Aber, – aber – das ist eine Ziege, immer richtig deutsch sprechen! Wer hat zuhause eine Ziege?“ – Der kleine Paul meldet sich und sagt: „Meine Ohmche hat eine Ziege!“ „So, deine Oma hat eine, wo befindet sich denn die Ziege?“ „Na, im Sommer ist sie immer draußen, da weidet se.“ „Ja, und im Winter?“ „Na, im Winter ist se bei meine Oma in de Schlafstub.“ „Erbarmung“ sagt der Schulrat, „die Ziege in der Schlafstube, aber Junge, der Gestank.“ „Ja, daran muß sich de Koss gewöhne!“

Es ist nicht leicht, das ostpreußische Platt zu verstehen, weil diese Mundart von einer erstaunlichen Vielfalt geprägt ist. So gibt es ausdrucksvolle Wörter, in denen sich die ganze Sprache versteckt hält:

Alte Lappen, das sind Koddern, / wirre Haartracht nennt man Zoddern / Der kleine Mensch ist ein Gnoss, / und die Ziege eine Koss. / Ein kleiner Haufen ist ein Gumpel, / und die Nase eine Tuntel. / Starkes Regnen, das ist pladdern, / und erzählen, das ist schabbern./ Heiraten bedeutet friejen, / zärtlich sein ist puscheien. / Küssen, das ist butschen, / und ausrutschen ist glutschen. / Etwas betasten ist befummeln, / und warm anziehen ist bepummeln.“          Lothar Kuhn


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