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27.06.09 / Tragik des Lebens / Walter Jens, Befürworter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-09 vom 27. Juni 2009

Tragik des Lebens
Walter Jens, Befürworter von Sterbehilfe, als Pflegefall

Sterbehilfe erregt tiefe Emotionen. Zu den Befürwortern gehören hochachtbare Persönlichkeiten wie Walter Jens, der bis 1988 den Lehrstuhl für Rhetorik an der Universität Tübingen innehatte, und Hans Küng, bis 1996 Professor für Ökumenische Theologie in Tübingen.

1995 hatten sie sich in einer gemeinsamen Buchveröffentlichung mit dem in Deutschland nachgerade tabuisierten Thema befaßt. Eine Neuauflage ihres Werkes „Menschenwürdig sterben – Ein Pläydoyer für Selbstverantwortung“ ist nun erneut im Piper Verlag erschienen. Der Band enthält außerdem Beiträge des Völkerrechtlers Prof. Dr. Albin Eser und des Mediziners Prof. Dr. Dietrich Niethammer. Inge Jens, eine promovierte Germanistin, meldet sich ebenfalls zu Wort. Der bedauerliche Anlaß für die Neuerscheinung ist die Alzheimererkrankung von Walter Jens. Dessen fulminanter kulturhistorischer Abriß, der vom Umgang des Menschen mit Tod und Sterben handelt, hinterläßt einen tiefen Eindruck. Bedrückend wirkt unter diesen Umständen der Satz: „Millionen von Menschen könnten, wie Hans Küng und ich, gelassener unserer Arbeit nachgehen, wenn wir wüßten, daß uns eines Tages ein Arzt zur Seite stünde: kein Spezialist, sondern ein Hausarzt wie Dr. May Schur es war …“ Nun lebt Walter Jens, gepflegt von seiner Frau, in seiner eigenen Welt und kann seine Emotionen selten auf verständliche Weise mitteilen.

Aus Anlaß der Erkrankung seines Freundes stellt Hans Küng in seinem Vorwort nüchtern fest, daß seine vor 15 Jahren geäußerte Hoffnung darauf, daß „die Frage der Selbstverantwortung des Menschen für sein Sterben nüchtern, würdig und moralisch-ernsthaft neu verhandelt werden kann – ohne Rechthaberei und fundamentalistisches Räsonieren“ nicht in Erfüllung gegangen ist. Auch er sieht die Notwendigkeit, Mißbräuche der Sterbehilfe durch einzelne anzuprangern. Unabhängig davon glaubt er, daß die Gemüter in unserem Land bei dieser durch den Nationalsozialismus belasteten Frage unverhältnismäßig aufgeheizt seien. Nach seinem Verständnis als Theologe und Christ ist Sterbehilfe eines Bevollmächtigten „als ultimative Lebenshilfe“ zu verstehen. 

Inge Jens geht offen mit ihrer Situation um. Sie berichtet von den persönlichen Abmachungen im Sinne einer Patientenverfügung, die sie mit ihrem Mann für den Fall einer unheilbaren Krankheit getroffen hatte. Nun aber leidet ihr Mann an einer ganz anderen Krankheit, und sie sieht sich außerstande, sich anders als abwartend zu verhalten.

Alle Autoren dieses Bandes nehmen auf die allgemein verbreitete Angst vor der Apparatemedizin Bezug und auf die Angst des Menschen vor dem Verlassensein beim Sterben. Sämtliche rechtlichen Bestimmungen, mit deren Hilfe Grenzüberschreitungen verhindert werden sollen, werden beleuchtet. Fraglich bleibt jedoch, wie Gesetze zukünftig aussehen sollten, in die alle Beweggründe für Einzelentscheidungen einfließen könnten.  Dagmar Jestrzemski

Walter Jens, Hans Küng: „Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für Selbstbestimmung“, Piper Verlag, München 2009, geb., 248 Seiten, 16,95 Euro


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