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04.07.09 / Wowereit schielt nach ganz oben / Nach einer SPD-Schlappe bei der Bundestagswahl könnte die Stunde des Berliners schlagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Wowereit schielt nach ganz oben
Nach einer SPD-Schlappe bei der Bundestagswahl könnte die Stunde des Berliners schlagen

Geht die SPD bei der Bundestagswahl unter, dürfte ein Kampf um die Spitze entbrennen. Einer hält sich bereit für höchste Ämter: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Er hat es eilig, denn dem ehrgeizigen 55jährigen läuft für eine Karriere auf Bundesebene die Zeit weg.

Der Christopher Street Day ist Klaus-Wowereit-Zeit. Am Vortag hatte er seine Bestürzung über den Tod Michael Jacksons kundgetan. Und davor war er in Istanbul, um eine Konferenz über alternative Energien zu eröffnen und für Berlin zu werben. Demo, Michael Jackson, Auslandsreise. So kennen die Berliner Wowereit: als bizarren Typen, als Partylöwen mit besten Kontakten zum Glamourmilieu, als umtriebigen Handelsreisenden in Sachen Berlin.

Auf der Beliebtheitsskala hat er sich einen Platz ganz oben erarbeitet. Doch nach genau acht Jahren im Amt des Regierenden Bürgermeisters der Hauptstadt beginnt sein Stern langsam zu sinken. Seine Partei steht nicht gut da, und sein Senat auch nicht.

Das heiße nicht, daß er am Ende sei, beteuern Kenner der politischen Szene an der Spree. Aber es wird enger. Er hat vielleicht nicht mehr viele Chancen, um den Absprung in die Bundespolitik zu schaffen. Der 55jährige steht am Scheideweg seiner politischen Karriere. Die beste Nachricht seit langem kam für Wowereit vom Magazin „Cicero“, das eine spekulative Umfrage durchgeführt hat. Spekulativ deshalb, weil die Frage lautete, wer SPD-Chef werden sollte, wenn die augenblickliche Führung  um Franz Müntefering abdankt, was in der SPD bereits hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird.

Dem bald 70jährigen Parteichef wird von vielen Genossen nicht zugetraut, daß er als Oppositionsführer die vier Jahre durchhält, die der SPD nach einem schwarz-gelben Wahlsieg drohen. Und so ist die Frage akut, wer sein Nachfolger werden könnte: 26 Prozent aller Befragten und 38 Prozent der SPD-Wähler nannten Klaus Wowereit, der damit alle anderen möglichen Bewerber deutlich hinter sich ließ (zum Beispiel Andrea Nahles, Olaf Scholz und Sigmar Gabriel).

Wowereit ist ein Machtmensch, der sich nach oben boxt. Er hat solche Situationen in seiner Autobiographie „Und das ist auch gut so“ beschrieben. Dort schildert er, wie er als Neumitglied mit drei Freunden in der Tempelhofer SPD für Wirbel gesorgt habe: „Wir marschierten sehr schnell durch die Institutionen, denn wir wollten mitentscheiden. Wir drängten ins Innere dieses Apparats, wohlwissend, daß die älteren Herrn da nicht unbedingt auf uns warteten. Das Verblüffende war: Kungeln funktioniert.“

Die Chance besteht, daß Wowereit nach der Bundestagswahl von sich aus aktiv wird, die Macht an sich reißt, um in die Fußstapfen Willy Brandts zu treten, der ja auch (West-)Berlins Bürgermeister war und dann SPD-Chef wurde. Ob Wowereit den gleichen Weg nimmt, hängt von der Situation in Berlin ab. Noch hat Wowereit die Berliner hinter sich. Ohne Wowereit wäre die SPD bei Wahlen wahrscheinlich verloren. Bei der Europawahl gab es keinen „Wowereit-Bonus“. Die Partei rutschte prompt auf den dritten Platz hinter den Grünen ab: 18,8 Prozent. Zudem wäre „Wowi“ nach acht Jahren rot-rotem Senat der Mann für eine Linksblock-Perspektive auch im Bund.

Doch langsam mehren sich auch die schlechten Nachrichten aus dem Senat. Die Regierung bekommt die linke Gewaltwelle nicht in den Griff, wie brennende Autos und die Beinahe-Erstürmung des Flughafens Tempelhof abermals gezeigt haben. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wird nicht mehr ganz ernstgenommen, seit er vor Autonomen aus Friedrichshain davongelaufen ist (PAZ 19/09).

Den Bildungssenator Jürgen Zöllner hat Klaus Wowereit gerade eigenhändig entmachtet. Zöllner hatte vor Monaten den Universitäten der Stadt mehrere Millionen Euro zugesichert. Wowereit kassierte die Zusagen und brüskierte den Senator, der nach nur zwei Jahren im Amt bereits als lahme Ente gilt.

Wowereit halte von Zöllner nicht viel, schreibt der gut unterrichtete „Tagesspiegel“. Zuvor war ein Gesetzesentwurf Zöllners auf breites Unverständnis gestoßen: Plätze auf Gymnasien sollen danach demnächst zu einem Großteil verlost werden. „Schul-Lotterie“ spotten Kritiker.

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn Zöllner nicht der „Super-Senator“ wäre, den Klaus Wowereit nach der Wahl 2006 persönlich bei Kurt Beck in Mainz abgeworben hat. Jetzt gilt dieser neue Mann schon als ausgebrannt. Man sorge sich bei den Genossen um seine Motivation und um seine Psyche, will die „Berliner Morgenpost“ erfahren haben. Das wirft kein gutes Licht auf das Arbeitsklima, das im Wowereit-Senat herrscht. Und bedeutet für den ambitionierten Bürgermeister, daß er sich mit seinen Plänen hinsichtlich einer Bundeskarriere lieber beeilen sollte.      Markus Schleusener

Foto: Partylöwe, Handlungsreisender in Sachen Berlin, Machtmensch: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nutzt, wie hier die Eröffnung eines Jugendhauses im März,  jede Gelegenheit zur Selbstinszenierung.


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