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04.07.09 / Monströse Beschlüsse / Bisher galt »Potsdam« als Inbegriff der Willkür – Regierung Merkel sieht es positiver

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Monströse Beschlüsse
Bisher galt »Potsdam« als Inbegriff der Willkür – Regierung Merkel sieht es positiver

Es ist eine alte polnische Maximalforderung, daß Deutschland die Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945 als den Ort anerkennen solle, an dem die Oder-Neiße-Gebiete polnisch geworden seien. Noch nicht einmal das SED-Regime war bereit, diese absurde Forderung zu erfüllen. Jetzt hat das CDU-geführte Bundesinnenministerium es faktisch doch getan.

Was geschah auf der Potsdamer Konferenz der drei Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion vom 17. Juli bis 2. August 1945? Die drei großen Mächte, deren Interessen längst auseinandergingen, versuchten noch einmal, eine gemeinsame Linie für die Behandlung des am Boden liegenden Deutschland zu finden. Ziemlich schnell war man sich einig über die durchgreifende Entnazifizierung und Entmilitarisierung des Landes. Schon schwieriger war die Frage der Reparationen. Die UdSSR, die unter dem Zweiten Weltkrieg weit mehr als die Westalliierten gelitten hatte, bestand darauf. Schließlich einigte man sich (gegen geltendes Völkerrecht), daß jede Macht sich aus ihrer Zone bedienen sollte.

Zur sowjetischen Zone gehörten zu diesem Zeitpunkt nicht nur das Gebiet der späteren DDR, sondern auch noch die deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße, Schlesien, Pommern, Ostbrandenburg und Ostpreußen. Auch kleinere Gebiete der alten Provinzen Posen und Westpreußen sowie ein paar sächsische Dörfer gehörten zu den Arealen, die Stalin in einem einseitigen Akt allerdings bereits einige Wochen vor dem Kriegsende am 8. Mai 1945 polnischer Verwaltung unterstellt hatte. Diese begann umgehend mit der Vertreibung der noch nicht geflohenen Deutschen.

Hauptzweck von Stalins Geschenk war, die polnische kommunistische Regierung um Bolesław Bierut gegenüber der bürgerlichen polnischen Exilregierung in London zu stärken. Letztere war nicht bereit, auf die Gebiete um Wilna und Lemberg zu verzichten, wollte andererseits aber auch keine derart gigantischen Vertreibungen im Westen.

Großbritannien und vor allem die USA waren über den einseitigen Schritt Stalins aus vielen Gründen nicht begeistert. Der britische Premier Winston Churchill hatte zwar mit der Vertreibung von Millionen Deutschen kein Problem, doch ihm war klar, daß diese Politik Polen auf unabsehbare Zeit von der UdSSR abhängig machen und damit Stalins Vorherrschaft in Osteuropa zementieren würde. In den USA gab es überdies erhebliche Widerstände gegen die Vertreibung selbst.

Allerdings war dieser Prozeß bereits im Sommer 1945 in vollem Gange. Polnische und tschechische Milizen taten alles, um Fakten zu schaffen. Um der Potsdamer Konferenz die „Notwendigkeit“ der Vertreibung vor Augen zu führen, scheute beispielsweise das tschechoslowakische Innenministerium keine Mühe und organisierte am 31. Juli in der Stadt Aussig noch eigens ein Massaker an den Deutschen. Die vorangegangene Explosion hätten angeblich deutsche „Werwölfe“ herbeigeführt.

Angesichts solcher Fakten, vor allem aber angesichts der katastrophalen humanitären Situation in ihren eigenen Zonen, fanden sich Briten und US-Amerikaner schließlich zum „Transferbeschluß“ in Artikel XIII des Abschlußkommuniqués der Konferenz bereit. Dort ist die Rede von der „Überführung“ der in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn verbliebenen deutschen Bevölkerung, die allerdings nur „ordnungsgemäß und human“ vonstatten gehen dürfe. Die laufenden wilden Vertreibungen sollten sogar für mehrere Monate gestopt werden. Das Kommuniqué sagte kein Wort über das Eigentum der zu Transferierenden und schon gar nichts über künftige Grenzen, im Gegenteil: Die Zusicherung der USA, bei einer künftigen Friedenskonferenz den Anspruch der UdSSR auf Königsberg zu unterstützten, kann durchaus als Absage an die Oder-Neiße-Grenze gelesen werden.

Nun hatte jeder was er wollte: Stalin, Bierut und Benesch die ersehnte „Erlaubnis“ zur Vertreibung und gleichzeitig Churchill und Roosevelt einen trefflichen Persilschein für die Geschichtsbücher. Sie konnten argumentieren, in Potsdam vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein und nur das Schlimmste verhindert zu haben, zumal doch eigentlich nur Stalin große Vertreibungen gewollt habe.

Die Potsdamer Beschlüsse, die nie Vertragsqualität hatten, gelten darum je nach Lesart des mehrdeutigen Artikels XIII als Dokument der Barbarei oder aber der Heuchelei. Nun hat das Bundesinnenministerium mit Schreiben vom 13. März 2009 sich die polnisch-nationalistische Interpretation des Dokuments rückwirkend zu eigen gemacht. K. Badenheuer

Foto: Selbst die SED erkannte die Oder-Neiße erst 1950 an: Unterzeichnung des Görlitzer Abkommens durch Otto Grotewohl (DDR, li.) und Jozef Cyrankiewicz (VR Polen, r.)

 

Zeitzeugen

Wolfgang Schäuble – Der Bundesinnenminister hat oft auf Vertriebenentreffen gesprochen und sich vielfach zu deren Anliegen bekannt. Nun kam am 19. März aus seinem Ministerium eine „Empfehlung“, wonach die ehemals deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße bereits rückwirkend seit dem 2. August 1945 als „Ausland“ anzusehen seien. Wer beispielsweise noch 1946 in Breslau geboren wurde, dem wird nun amtlich bescheinigt, er sei „in Polen“ zur Welt gekommen. Eine Panne subalterner Beamter? Keineswegs! „Die getroffene Klarstellung war ohne Alternative“, heißt es im Schlußsatz eines Schreibens des Ministers an LO-Sprecher Wilhelm v. Gottberg vom 19. Juni.

 

Norbert Geis – Der CSU-Politiker und Jurist hat auf Anfrage der Preußischen Allgemeinen Zeitung allen Schritten eine Absage erteilt, bereits den Warschauer Vertrag von 1970 zum Zeitpunkt der Grenzanerkennung umzudeuten. „Völkerrechtlich wurde die Grenze erst mit dem Vertrag von 1990 anerkannt.“ Erst seit diesem Zeitpunkt seien die Oder-Neiße-Gebiete aus deutscher Sicht Ausland, so Geis: „Nicht seit 1970 oder gar seit 1950.“ Die Union solle rechtlich exakt bleiben und auf die Gefühle der Vertriebenen Rücksicht nehmen.

 

Anne O’Hare McCormick – Nicht nur deutsche, sondern auch britische und US-amerikanische Beobachter haben eine klare Meinung über die Potsdamer Konferenz. „Der unmenschlichste Beschluß, der jemals von zur Verteidigung der Menschenrechte berufenen Regierungen gefaßt wurde“, nannte die prominente Publizistin und Mitherausgeberin der „New York Times“ am 13. November 1946 in ihrer Zeitung den Transferbeschluß von Potsdam.

 

George Bell – Der anglikanische Bischof und Oberhaus-Abgeordnete lehnte die Vertreibung der Deutschen als unmenschlich ab. „Es ist außerordentlich schwierig, sie grundsätzlich von den Massendeportationen zu unterscheiden, für welche die NS-Führer jetzt als Kriegsverbrecher in Nürnberg vor Gericht stehen“, erklärte er am 30. Januar 1946 vor dem House of Lords. Churchill haßte ihn dafür, aber auch in Deutschland heißt noch nicht einmal eine Straße nach ihm.


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