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04.07.09 / Ein Nachweis zum Mitnehmen / Anlegerschutz: Dokumentationsprotokoll wird Pflicht − längere Verjährungsfristen bei Falschberatung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Ein Nachweis zum Mitnehmen
Anlegerschutz: Dokumentationsprotokoll wird Pflicht − längere Verjährungsfristen bei Falschberatung

Nicht nur mit Lehman-Zertifikaten haben Anleger in den letzten Monaten ihre Ersparnisse verloren. Die Politik verspricht vollmundig gesetzliche Abhilfe, doch die Umsetzung läßt auf sich warten.

Als im März Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner und der Chef der Verbraucherschutzzentralen, Gerd Billen, erklärten, daß die Politik jetzt die Anleger vor Falschberatung schützen wolle, klang dies nach einer beschlossenen Sache. Verbesserter Anlegerschutz durch einheitliche Standards, mehr Transparenz und Stärkung der Rechte der Verbraucher, so die Versprechen. Auch warb Billen für eine Checkliste der Verbraucherschützer, die Kunden hilft, ihrem Bankberater die richtigen Fragen zu stellen (www.vz-nrw.de/checkliste_geldanlage).

Immerhin, die Checkliste ist seit März einsehbar. Das von Ilse Aigner in Aussicht gestellte Gesetz, das am 18. Februar im Bundeskabinett beschlossen wurde, befindet sich aber noch in Bearbeitung. Am 3. Juli lag der „Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“ dem Bundestag zur Abstimmung vor. Sollte der Entwurf angenommen werden, dann wird er nach Unterzeichnung des Bundespräsidenten noch in dieser Legislaturperiode Gültigkeit erlangen. Doch so weitreichend, wie es die Verbraucherschutzministerin versprochen hat, ist der neue Anlegerschutz nicht. Dieser sieht vor: Erhöhung der Verjährungsfrist von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung von drei auf zehn Jahre, mehr einklagbare Rechte für Gläubiger von Schuldverschreibungen, Erhöhung der Anforderungen an die Dokumentation der Beratung und die Einklagbarkeit des Anspruches auf Aushändigung dieser Dokumentation. Bei telefonischer Beratung soll das Protokoll zugesandt werden, der Kunde hat ein einwöchiges Widerspruchsrecht. „Der Bundesrat bittet, ... zu prüfen, ob die Anforderungen an den Mindestinhalt eines Beratungsprotokolls ... stärker konkretisiert werden können“, hieß es in einer Stellungnahme der Länderkammer. Zahlreiche Anlegerschutzvereinigungen wünschen sich sogar ein standardisiertes Dokumentationsprotokoll für eine bessere Vergleichbarkeit, doch Verbraucherschutz- und Justizministerium begründen ihre jetzige Entscheidung nicht weiter. Beispielsweise ein klares Nein zu weiteren Bürokratiekosten für die Wirtschaft − allein die neue Protokollpflicht wird mit etwa 50 Millionen Euro für die Wirtschaft beziffert − hätte den Entschluß nachvollziehbarer gemacht. „Minimalkompromiß“ nennt das „Handelsblatt“ den Gesetzentwurf.

Immerhin sollen im Beratungsprotokoll, das am Ende eines Gesprächs auch dem Kunden zur Unterschrift vorgelegt und als Kopie ausgehändigt werden soll, „Informationen über die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind“ angeführt werden. Das bedeutet, daß Rechtsstreitigkeiten wie im Falle der inzwischen wertlosen Lehman-Zertifikate in Zukunft leichter zu beurteilen wären. Der Fall eines Hamburger Sparers, der 10000 Euro Schadensersatz erstritten hat, weil die Sparkasse verschwiegen habe, daß die Zertifikate nicht unter die deutsche Einlagensicherung fallen, ist nämlich nur ein Einzelfall. Jeder weitere Käufer von Lehman-Zertifikaten muß seiner Bank belegen, daß sie ihm dies ebenfalls nicht mitgeteilt hat. Da der Kunde die Beweislast trägt, ist ein Rechtsstreit programmiert.

Daß in Sachen Anlegerschutz mehr möglich gewesen wäre, bestreitet Sandra Pabst, Pressereferentin im Verbraucherministerium. Ihr Haus habe vor der Frage gestanden: „Was können wir noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich regeln?“ Dessen ungeachtet führe man Gespräche mit der Finanzbranche über Mindeststandards in der Ausbildung von Finanzberatern sowie über Honorarberatung. Auch arbeite das Ministerium an einem Verbraucher-Produktinformationsblatt.

Angesichts der Angst der Anleger vor Falschberatung sind die derzeitigen Ergebnisse in Sachen Anlegerschutz recht gering. Experten fordern eine Beweisumkehr bei Falschberatung und eine Offenlegung der Eigeninteressen bei den Banken, die aus der Krise nichts gelernt hätten. Produktverkauf statt Bedarfsanalyse wird den Bankern vorgeworfen. Auffallend an den Vorwürfen ist, daß sie eine schon seit zehn Jahren um sich greifende Entwicklung geißeln, von der auch die Politik profitiert hat. Denn nicht nur die Privatbanken, sondern auch Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen und Landesbanken schwammen und schwimmen auf dieser Welle mit. Länder, Städte und Gemeinden haben jahrelang von den Gewinnen profitiert, die ihre Landesbanken und Sparkassen mit diesen Methoden erwirtschaftet haben.

Auch klingt es heuchlerisch, wenn erst jetzt entdeckt wird, daß Bankberater „Diener zweier Herren“ sind. Jeder Verkäufer will etwas verkaufen. Auch ist es schwierig, die Gewinne von Banken per Gesetz transparenter gestalten zu wollen, die von Gemüse- und Autohändlern jedoch nicht.

Waren es bis zur Bankenkrise kurzfristige Gewinnziele, die die Banken zum provisionsträchtigen Produktverkauf veranlaßten, so überwiegt jetzt die Not, im Kundengeschäft Verluste aus dem Wertpapierbereich ausgleichen zu müssen. Dieses Bestreben der Vorstandsetage zwingt die Berater im Vertrieb zwischen Gewissen und Zahlendruck zu entscheiden. Ein Gesetzentwurf, der vielleicht das Gewissen von Managern leiten würde, wäre das Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapInHaG). Dieses Gesetz zur persönlichen Haftung von Managern wurde aber bereits 2004 auf Druck aus der Wirtschaft von Finanzminister Hans Eichel (SPD) „versenkt“. Bei grober Fahrlässigkeit müßte jetzt so mancher Bankvorstand mit bis zu vier Jahresgehältern haften, statt auch noch Abfindungen zu kassieren. „Da wird doch unterstellt, die Manager belügen die Öffentlichkeit“, wehrte sich der damalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer gegen das Gesetz. Von Pierer mußte 2007 wegen der „Schmiergeldaffäre“ seine Ämter bei Siemens aufgeben.   R. Bellano

Foto: Verbesserter Anlegerschutz: Beratungsgespräche müssen schriftlich protokolliert werden.


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