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04.07.09 / Wie Togo Deutsches Schutzgebiet wurde / Vor 125 Jahren stellten sich die Westafrikaner unter den Schutz des Kaisers – Geschickt vermied Bismarck den Bruch mit London

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Wie Togo Deutsches Schutzgebiet wurde
Vor 125 Jahren stellten sich die Westafrikaner unter den Schutz des Kaisers – Geschickt vermied Bismarck den Bruch mit London

Die Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft in Togo im Jahre 1884 ist untrennbar verbunden mit der deutschen Politik gegenüber Großbritannien. Gerne wird der kaiserlichen Außenpolitik nach dem erzwungenen Rücktritt Otto von Bismarcks im Jahre 1890 der Vorwurf gemacht, man habe London durch die Flottenrüstung vor Augen führen wollen, daß es besser sei, Deutschland als Bündnispartner denn als Gegner zu haben, und habe sich England damit aber erst zum Gegner gemacht. Interessanterweise hatte bereits Bismarck in seiner Kanzlerschaft diese Bündnisstrategie gegenüber dem Vereinigten Königreich verfolgt. Statt der Flotten- benutzte er jedoch die Kolonialpolitik. Wichtiger allerdings ist der Unterschied, daß er stets darauf bedacht war, den Draht zu London nicht abreißen zu lassen, und die Druckausübung auf eine kurze Phase beschränkte, in der die weltpolitische Lage für London so ungünstig wie für Berlin günstig war.

Vor 125 Jahren hatte sein Imperialismus das Empire sowohl in Konflikt mit Frankreich wegen des Sudan als auch mit Rußland um das afghanische Grenzgebiet gebracht, während das Deutsche Reich in jenen Jahren sogar zu seinem „Erbfeind“ vergleichsweise entspannte Beziehungen unterhielt, ein Glücksfall in den deutsch-französischen Beziehungen, der bis zum Sturz des Premierministers Jules Ferry im Jahre 1885 Bestand hatte. Nichtsdestotrotz meinte die britische Regierung in ihrem ungebrochenen Glauben an die „Splendid isolation“ (großartige Isolation) weiterhin, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen.

Das zeigte sie überdeutlich im Falle Südwestafrikas. Vor dem Erwerb dieses Gebietes hatte Berlin London rücksichtsvoll gefragt, ob es Ansprüche auf den Küstenstrich von Angra Pequema erhebe. London antwortete sinngemäß, daß es das Festsetzen fremder Mächte auf dem Gebiet zwischen Portugiesisch-Angola und der Kapkolonie als Eingriff in seine legitimen Rechte betrachten  würde – und das, obwohl es einräumte, seine Souveränität nur an der Walfischbucht erklärt zu haben. Auf Bismarcks legitime Nachfrage, auf welchen Rechtstitel sich diese Ansprüche stützten und welche Einrichtungen die englische Regierung zum Schutze deutscher Untertanen „in ihren Handelsunternehmen und rechtmäßigen Erwerbungen“ getroffen habe, blieb London monatelang eine Antwort schuldig. Um den Briten zu verstehen zu geben, daß sie nicht bedingungslos und ohne Gegenleistung auf Deutschlands Wohlwollen und Unterstützung setzen könnten, ließ Bismarck daraufhin das Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika errichten.

Ähnlich entschieden verfuhr Bismarck im Falle Togos. Als die Briten mit den Franzosen 1882 in einem Vertrag ihre Interessen­sphä­ren abgrenzten, fragte Bismarck die Regierungen der Seestädte Bremen und Hamburg, ob die deutschen Kaufleute vor Ort Schutz benötigten. Einige Jahre zuvor, zu Zeiten der Freihandels­ära hätten die Hanseaten vielleicht noch desinteressiert abgewinkt. Solange Freihandel herrscht, ist es nämlich dem Kaufmann egal, wer die Herrschaft ausübt, da alle, Inländer wie Ausländer, gleich behandelt werden. In den 1880er Jahren griff jedoch wieder der Protektionismus mit seiner Bevorzugung der Inländer um sich. Damit stieg der Druck der Kaufleute auf ihre nationalen Regierungen, möglichst große Kolonialreiche und damit Märkte zu schaffen, in denen sie aufgrund ihrer Nationalität zumindest nicht benachteiligt werden. So antworteten die Hanseaten mit einem Plädoyer für eine regelmäßige Entsendung von Kriegsschiffen nach Westafrika; und die in Hamburg traditionell starke Handelskammer sprach sich sogar für die Errichtung einer Kolonie aus.

Januar/Februar 1884 kam dann tatsächlich mit der „Sophie“ ein deutsches Kriegsschiff nach Togo. Mit einem 100 Mann starken Landungskorps kam es seinen dortigen Landsleuten zu Hilfe in einem Zollstreit mit der englandfreundlichen Familie Lawson, die neben dem König G. A. Lawson III. auch dessen Regierungschef William Lawson stellte. Das Korps nahm sowohl den Regierungschef als auch zwei Berater des Königs in Gewahrsam. Wil­liam Lawson mußten die Deutschen zwar auf Druck des britischen Gouverneurs wieder freilassen, da er Angehöriger der britischen Kolonie Sierra Leone war, aber die beiden anderen nahmen sie als Geiseln mit nach Deutschland.

Die Briten reagierten auf den Vorfall mit dem Versuch, mit Unterstützung des Königs die Deutschen aus der Region zu verdrängen. Dieser Versuch war noch im Gange, als mit dem Kreuzer „Möwe“ im Sommer 1884 erneut Besuch aus Deutschland kam. Außer den beiden afrikanischen Geiseln hatte das Kriegsschiff auch den Afrikaforscher Gustav Nachtigal an Bord, der sich im Auftrag der Reichsregierung ein Bild von der Lage machen sollte. Nachdem die Deutschen ihm ihr Leid geklagt hatten, schritt er zur Tat. Dabei nutzte er den Umstand aus, daß Lawsons Regierung unter dessen Landsleuten nicht unumstritten war. Freiwillig stellte sich die Opposition mit ihrem Land unter den Schutz des Reiches. Vor 125 Jahren, am 5. Juli 1884, wurde ein entsprechender Schutzvertrag von Deutschen und Afrikanern unterzeichnet. Am selben Tag wurde in Bagida die deutsche Flagge gehißt. Der Anfang der deutschen Kolonialherrschaft in Togo war gemacht. Manuel Ruoff


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