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04.07.09 / Für ihn gab es wichtigeres als den Sieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Für ihn gab es wichtigeres als den Sieg

Der vor 100 Jahren, am 7. Juli 1909, in Nettlingen bei Hannover geborene „Tennisbaron“ Gottfried Freiherr von Cramm entsprach wie kaum ein anderer dem Idealbild des Sportlers. Der „Gen­tle­man des weißen Sports“ verhielt sich wahrlich gentlemanlike. Ein schönes faires Spiel unter Sports­kameraden war ihm wichtiger als der Sieg. Legendär ist, wie er 1935 einen Schiedsrichter zu seinen Ungunsten korrigierte. Bei einem Matchball des Gegners hatte der Unparteiische auf Aus entschieden. Cramm korrigierte ihn und verwies darauf, daß er gespürt habe, wie die Fasern des Balles seinen Schläger noch berührt hätten. Bei einem anderen Match bestand er darauf weiterzuspielen, obwohl sein Gegner sich durch eine regelwidrig lange Verletzungspause nach einem Sturz bereits disqualifiziert hatte. Beide Male verließ Cramm am Ende als Verlierer den Platz.

Doch nicht nur die Fairness war ihm wichtiger als der Sieg. Cramm war ein Ästhet. Die Bewegungen des Frauen­schwarms und Freundes schöner Autos waren voller Harmonie. „Er spielte schönes, einfach beneidenswert schönes Tennis, das war ihm wichtiger als der Sieg!“, so sein berühmter Freund und Gegner Donald Budge. Das Wimbledonfinale des Jahres 1937 zwischen dem Kalifornier und dem Preußen ist als eines der schönsten Spiele in die Geschichte des Welttennis eingegangen. Nach fünf Sätzen verließ Cramm als Verlierer den Platz. Den Sieger beglückwünschte der „gracious loser“, der noble Verlierer, mit den Worten: „Don, dies war das beste Spiel meines Lebens. Ich bin froh, es gegen dich, mein Freund, verloren zu haben.“

Wie in Wimbledon hatte Gottfried von Cramm es mittlerweile auch in der Weltrangliste bis zur Nummer 2 geschafft, aber die Nummer 1 zu werden war ihm in beiden Fällen nicht mehr vergönnt. Im darauffolgenden Sommer des Jahres 1938 befand sich „the best Player who never won Wimbledon“, der beste Spieler, der nie Wimbledon gewann, statt in dem Londoner Vorort im Strafgefangenenlager Rollwald. Im Mai des Jahres war der Sportler, der partout nicht NSDAP-Mitglied werden wollte, wegen homosexueller und Devisenvergehen zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden. Cramm wurde zwar bereits nach einem halben Jahr wegen guter Führung entlassen, aber er war nun vorbestraft und für die NS-Sportfunktionäre eine Unperson.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft konnte Cramm, politisch unbelastet und mit guten internationalen Kontakten zu einflußreichen Sportsfreunden, zwar seine Berufssportlerkarriere fortsetzen, aber den Zenit seiner sportlichen Leistungsfähigkeit hatte er überschritten. 1957 trat er vom internationalen Sport zurück und betätigte sich fortan wie viele ehemalige Berufssportler kaufmännisch. Am 9. November 1976 kam er bei einem Autounfall ums Leben.           M. R.


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