27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.07.09 / So wild waren sie gar nicht / Buch zur Arte-Dokumentation »Die Germanen« räumt mit Vorurteilen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

So wild waren sie gar nicht
Buch zur Arte-Dokumentation »Die Germanen« räumt mit Vorurteilen auf

2000 Jahre nach der Varusschlacht werden die Germanen vielfach erneut ins Blickfeld des Interesses gerückt. Eine Gelegenheit, sich über die Geschichte der lange Zeit mystifizierten nördlichen Nachbarn der Römer zu informieren, bietet das Buch „Die Germanen. Neues, Interessantes & Überraschendes von den Stämmen des Nordens“ der Herausgeber Uwe Kersken und Helfried Spitra, das als Begleitbuch zur vierteiligen ARD/Arte-Dokumentationsserie „Die Germanen“ erschienen ist. Es ist dem Autorenteam gelungen, den Bogen über eine Zeitspanne von rund 550 Jahren zu schlagen und dabei Religion, Kultur und die politische Entwicklung „des Volkes vieler Völker“ verständlich und kurzweilig zu schildern. Wer sich einen fachlich fundierten und insbesondere anschaulichen Überblick von Cäsars linksrheinischen Eroberungen bis zur Konsolidierung des Frankenreichs verschaffen möchte, sollte nicht zögern, auf dieses reichlich mit farbigem Bild- und Kartenmaterial aus der TV-Produktion ausgestattete Buch zurückzugreifen. Eine Liste der historischen Quellen und vertiefender Literatur ist angefügt.

Vermutlich übernahm Julius Cäsar den Begriff „Germanen“ als Sammelbezeichnung für die Barbarenstämme, die beidseitig des Rheins siedelten, von dem griechischen Forschungsreisenden Poseidonius (80 v. Chr.). In seinem Werk „De bello Gallico“ (51 v. Chr.) befaßte er sich in einem Exkurs mit den zahlreichen Stammesgemeinschaften, die man später als Germanen bezeichnet hat. Auch das Gebiet Germania Magna rechts des Rheins und nördlich der Donau wollten die Römer dauerhaft unterwerfen und provinzialisieren. Doch einige Jahre nach der Niederlage des Feldherrn Varus im Jahre 9 n. Chr. gegen die Germanen unter dem Cheruskerfürsten Arminius zogen sie sich endgültig hinter die Rheingrenze zurück und errichteten den 500 Kilometer langen Limes-Wall zum „Barbaricum“. Der Sieg des Arminius gegen die römische Weltmacht wurde nach der napoleonischen Ära zum deutschen Mythos, dem seit 1878, nach der Fertigstellung des Hermanndenkmals, im Teutoburger Wald Huldigungen dargebracht wurden. Inzwischen gilt eine Senke bei Kalkriese im Osnabrücker Land als Austragungsort der Schlacht.

Tacitus beschrieb die „Speer-Männer“ in seiner „Germania“ (98 n. Chr.) als wilde Menschen, die in ihrer frostigen Heimat nur spärlich mit Fellen bekleidet waren und ihr Leben der Jagd und dem Kampf weihten. Er widmete sich vor allem den Stämmen vom Rhein bis zur Weichsel und von der Nordsee bis zur Donau. Verblüffende Übereinstimmungen weist die Bildsprache der verschiedenen Stämme auf, die durch ungefähr 900 sogenannte Goldbrakteaten, die als Amulette dienten, überliefert worden ist. Desgleichen verehrten die meisten Stämme dieselben Hauptgötter und bedienten sich derselben Schriftzeichen. Die Alltagskultur derjenigen Völker und Stämme, die in Nachbarschaft zu den Römern siedelten, war demgegenüber von römischen Einflüssen geprägt.

Im Kapitel „Rom am Rhein“ wird anhand des Beispiels von Köln, der Stadt der Ubier, erklärt, was die Unterworfenen zu Ruhe und Frieden verlockte: der Bau von Tempeln, Forumsanlagen, Häusern und Bädern. Andererseits dokumentieren die Autoren Grabungsergebnisse, die den Nachweis einer bedeutenden römischen Siedlung im freien Germanien erbrachten. Sie räumen ebenfalls mit der immer noch kursierenden Meinung auf, innerhalb der germanischen Stämme sei erblicher Adel unbekannt gewesen. Die Forschung hat längst den Beweis erbracht, daß es innerhalb einer streng hierarchisch gegliederten Gesellschaft eine kleine Adelsschicht gab, aus deren Kreis die historisch bezeugten Fürsten und Könige gewählt wurden. Seit dem Jahr 375, das als Auftaktjahr der Völkerwanderung gilt, „beschleunigten die Germanen den Niedergang des angeschlagenen Weltreichs“.

Recht kurz geraten sind zum Schluß die Kapitel über den Abstieg Roms und die zum Christentum bekehrten ersten fränkischen Könige, die als Begründer Europas gelten.        Dagmar Jestrzemski

Uwe Kersken und Helfried Spitra (Hrsg.): „Die Germanen. Neues, Interessantes & Überraschendes von den Stämmen des Nordens“, Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2009, brosch., 208 Seiten, 12,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren