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04.07.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-09 vom 04. Juli 2009

Helden und Zeichen / Warum Michael Jackson die Erde beben läßt, wie uns die SPD enttäuschte, und was passiert, wenn die Schuldenbremse quietscht
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Eine Zeit harter Proben liegt hinter uns. Insbesondere ältere Deutsche durften sich gratulieren, daß sie es schon immer gewußt haben: Die Welt ist verrückt geworden, nachdem die Leute in einem Tollhaus der Nichtigkeiten vollends den Überblick verloren haben.

Wer bitte ist Michael Jackson? Hat er das Rad erfunden? Als erster den Mond betreten? Den Hunger besiegt? Nein, er hat gesungen und getanzt und damit jede Menge Geld gemacht, das er anderwärts wieder verzockte.

Jetzt ist er mit nur 50 gestorben, und der Globus erbebt. Nachrichtensender, die sonst eifrig bemüht sind, so seriös zu wirken, wie ihre Sponsoren es eben zulassen, bringen die Geschichten um den „König der Pop-Musik“ noch Tage nach dessen Ableben als erste Meldung – vor Kriegen, Putschen und Steuerdebatten. Was ist in die gefahren?

Die Sender sagen, sie könnten nicht anders, weil die Zuschauer das eben verlangen. Und warum verlangen die das? Ganz einfach: Weil dieser „Jacko“ ihnen etwas bot, das es sonst nur noch in Phantasie-Romanen und alten Sagen gibt, einen richtigen Helden nämlich.

Was? Dieses beklagenswerte Geschöpf soll ein Held gewesen sein? Ja, und ob, mit allem, was dazugehört.

Sein ganzes Leben lang war er auf der Suche nach seinem Leben, eine 50jährige Odyssee. Gefunden hat er Geld, Kitsch und Skandale. Verloren hat er dabei alles, seine Schönheit, seine Gesundheit, ja sogar Rasse und Geschlecht schienen am Schluß verschollen zu sein. Dann verließ ihn das Leben selbst. Rasanter Aufstieg, nebulöses Glamourleben auf dem Thron und dann tragischer Niedergang. Und alles im Scheinwerferlicht, in den Stahlgewittern der Klatschblatt-Schlachten.

Jackson hat Sehnsüchte befriedigt, für die sonst keiner mehr da ist. Es gibt keine strahlenden Sieger mehr, ebenso wenig wie fatale Verlierer. Früher war die Politik so ein Feld, in dem sich Schicksale ereigneten, weshalb auch alle gebannt hinschauten. Heute fallen uns die Augen zu.

Wenn da jetzt mal einer richtig runterfällt wie bei der Europawahl, dann brabbelt er was von „ein Stück weit Stimmen eingebüßt“ und giftet, daß die anderen viel mehr verloren hätten. Diese anderen spielen den Ball zurück und verweisen auf das Gesamtergebnis, das sie wieder etwas besser aussehen läßt. Und am Schluß kommt ein Zehn-Komma-Etwas-Parteichef und feiert sich als den „eigentlichen Sieger“.

Keine echten Sieger, keine traurigen Verlierer, alle tragen Mas­ken. Keine Dramatik nirgends. Kleine Hoffnungen auf ein bißchem mehr Leben in der Bude werden umgehend zertreten. Im Umfeld des Merkel-Besuchs bei Obama taten sich Keime der Besserung auf, die eilig planiert wurden.

Da waren zunächst Präsident und Kanzlerin. Die können nicht miteinander, hatten uns die „Kenner der Szene“ zuvor angestachelt. Das ließ auf Streit wetten, immerhin. Doch Pusteblume. Ging alles wie am Schnürchen, was insbesondere in der SPD eine tiefe Niedergeschlagenheit hinterließ, die angesichts immer näher rückender Wahlen jederzeit in Panik umschlagen kann.

Kurze Zeit schien sie tatsächlich ausgebrochen, diese allseits latente Panik bei den Sozis: Die SPD drohe mit dem Bruch der Koalition, wurde am Montag herumgetuschelt. Der Grund interessierte niemanden, aber die Nachricht hat uns elektrisiert. Wir hatten uns ja schon auf einen grottenlangweiligen Wahlkampf eingestellt, auf dem nur graue Phrasen vom Recyclinghof der ollen Parolen gereicht würden. Garniert mit offenen Lügen und kitschigen Losungen. Doch nun das: Koalitionsbruch drei Monate vor dem Urnengang! Das verhieß Hauen und Stechen, das ganz große Theater.

Kaum aber hatte uns dieser Strahl der Zuversicht getroffen, da schob sich ein massiger Mann behäbig vors Licht und es ward wieder dunkel. Die Sozialdemokraten stünden fest in der Koalition bis zur Wahl, gähnte SPD-General Hubertus Heil alle unsere Hoffnungen hinfort.

Da standen wir nun wieder. Doch wenn die Not am größten ist, naht das Rettende auch: Sie erinnern sich, Angela Merkel wird auf keinen Fall die Steuern erhöhen. Das wird die Belohnung, wenn wir sie oder die gewünschten Koalitionsgespielen von der FDP wählen. Versprochen. Versprochen? Den Text kennen wir doch irgendwoher! Gerhard Schröder! Gewann der die Wahl 2002 nicht auch mit einem tollen öffentlichen Auftritt (Merkel bei Obama, Schröder auf dem Elbdeich) und dem Versprechen, keine Steuern zu erhöhen oder so?

Kaum waren die Schröderstimmen in der Urne, da gings los mit der Wahrheit über den Haushalt. Prompt geriet der heldenhafte Flutenbezwinger Schröder mit den Gummistiefeln in die Speichen der Spaßgesellschaft, die sich grausam an ihm rächte für die „Steuerlüge“. Der Stimmen­imitator Elmar Brandt nahm mit Schröderstimme auf der Zunge den „Steuersong“ auf, der ein Riesenerfolg wurde. Kanzlergemahlin Schröder-Köpf wurde das Gelächter so unerträglich, daß sie die Justiz bemühte, um Zweifel an der Echtheit von Schröders Haarfarbe gerichtlich verbieten zu lassen.

Nach und nach mehren sich die Stimmen, die uns nach sieben Jahren eine Neuauflage der Schröderiade von 2002 prophezeien. Und es sind nicht nur die vom bösen Feind oder die biestigen Medien, die sich schon auf „Angelas Steuersong“ freuen. Als Angela Merkel in Washington vom glanzvollen Neuanfang der deutsch-amerikanischen Beziehung träumte, wachte Günther Oettinger mit der noch gar nicht komponierten Melodie im Kopf schweißgebadet auf. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg muß sich 2011 dem Wahlvolk stellen. Das dürfte in etwa die Zeit sein, wenn Merkels Beteuerungen zu Steuererhöhungen („Mit mir nicht!“) das Klo runtergehen. Dem wollte Oettinger schon mal vorbauen und seine Wähler sanft auf bevorstehende Steuererhöhungen vorbereiten. Die Tour hat ihm Merkel vermasselt. Die Kanzlerin will jetzt wiedergewählt werden, was interessiert sie da die Haushaltslage von 2011?

Warum ist 2011 so interessant? In jenem Jahr beginnt laut Plan die schrittweise Senkung der Neuverschuldung auf schließlich nahezu Null, wie sie die „Schuldenbremse“ vorsieht. Von da an heißt es also: Steuer rauf oder Ausgaben runter. Oder, wie die Dinge stehen, beides zugleich.

Schuldenbremse – letzte Woche erschien mir das Ding ja noch wie eine dieser skurrilen Propagandaeinlagen aus der Schublade der „Symbolpolitik“. Und so war sie wohl auch gemeint: Die Politiker wollten in Zeiten überbordender Neuverschuldung ein „Zeichen“ setzen, um ihr „Verantwortungsbewußtsein für die kommenden Generationen“ zu demonstrieren. In solchen Signalen haben sie Übung. Immer, wenn etwas nicht richtig läuft und die Politik das nicht ändern kann oder nicht ändern will, setzt sie ein „Signal“, ein „Zeichen“. Die Uno ist Weltmeister im „Zeichen setzen“ und gutes Anschauungsmaterial, wie diese Symbolpolitik mit ihren Signalen funktioniert: Es wird guter Wille demonstriert in dem ruhigen Bewußtsein, daß man sowieso nichts machen wird, weshalb einen auch keiner zur Verantwortung zieht. Zurück bleibt ein schönes Gefühl und die Sympathie der Menschen für den guten Willen, den man gezeigt hat.

So hatte es sich Berlin auch bei der Schuldenbremse gedacht: Laßt uns das Ding mal beschließen, macht bestimmt einen guten Eindruck. Später machen wir es sowieso anders, wie immer.

Doch Experten fürchten, daß diesmal erstmals alles anders kommen könnte: Die Bremse sei ein kompliziertes Regelwerk, das man nicht so ohne weiteres aushebeln könne. Da Schwarz-Rot der Bremse Verfassungsrang gegeben habe, sei sie nur unter Bruch des Grundgesetzes zu umgehen, was auch nicht so ohne weiteres durchgehe. Das werden interessante Jahre ab 2011.


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