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11.07.09 / Raus aus Afghanistan? Das erinnert an »Mourir pour Danzig«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-09 vom 11. Juli 2009

Moment mal!
Raus aus Afghanistan? Das erinnert an »Mourir pour Danzig«
von Klaus Rainer Röhl

Noch ist Afghanistan nicht verloren. Die Taliban, eine Gruppe extremer Machtpolitiker, die das Land erobert und es nach den Regeln des islamischen „Scharia“-Gesetzes in eine Art Steinzeit-Islamismus verwandelt hatten (Schulverbot für Mädchen, Berufsverbot für Frauen, Fernsehverbot, Verbot aller kulturellen Veranstaltungen, Zwangsehen, Steinigung der Frau bei Ehebruch), hatten sich nach dem Sieg der Amerikaner und ihrer Verbündeten in die zerklüfteten Bergregionen an der Grenze zu Pakistan zurückgezogen und haben von dort aus Dorf für Dorf zurückerobert und beherrschen heute nicht nur viele afghanische Gebiete, sondern nun auch ganze Provinzen in Pakistan. Ihre Selbstmordattentäter bewegen sich frei in einem traditionell geprägten Umfeld.

Von hier aus planen sie mehr als nur die Rückkehr an die Macht am Hindukusch, langfristig scheint nun die Macht-ergreifung auch in Pakistan möglich und damit der Besitz von Atomwaffen. Sie spielen auf Zeit. Sie haben Zeit, Menschen, die ihnen zuwachsen und die Weite des Landes, das schwer zu kontrollieren ist. Für eine Demokratie. Für sie nicht, sie kennen westliche Skrupel bei der Durchsetzung ihrer Ziele nicht und auch nicht eine Kontrolle durch die Medien. Aber sie sind sehr gut informiert über die Medien im Westen und beherrschen das Spiel mit ihnen vorzüglich. Und einer spielt immer mit. Wenn in irgendeinem Bergschlupfwinkel eine amerikanische Bombe sie trifft und dabei auch Frauen und Kinder getötet werden, stellen sie die Filme und Fotos davon noch am selben Tag ins Netz. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Eine Mehrheit der Deutschen, nämlich 69 Prozent, ist mittlerweile der Ansicht, die Bundeswehr solle sich aus Afghanistan zurückziehen. Kurz vor dem Sturz der Taliban im März 2001 war noch eine Mehrheit für den Einsatz.

Nachdem jedoch immer mehr deutsche Soldaten in Afghanistan gefallen sind, schlug die Stimmung um. Die Selbstmordattentate und Raketenüberfälle auf deutsche Soldaten häuften sich besonders in den letzten beiden Wochen, in denen der Bundestag die Verlängerung des Bundeswehrmandats beschließen sollte. Aber die Führer der afghanischen und pakistanischen Taliban wußten, daß trotz geschlossenem Widerstand der Partei „Die Linke“ und Teilen der Grünen die Mehrheit zum Bündnis stehen würde, besonders wo dieses in Barack Obama einen konsequenten Anführer gefunden hat, der den Krieg unter allen Umständen beenden will.

Nun hat er zum ersten Mal eine Boden-offensive mit 10000 US-Marinesoldaten befohlen, die, unterstützt von 650 regierungstreuen afghanischen Soldaten, direkt in eine der Hochburgen der Taliban in der Drogen-Provinz Helmand einmarschiert sind, während an der Grenze zu Pakistan etwa 200000 pakistanische Soldaten zusammengezogen wurden. Die Engländer beteiligen sich mit 700 Soldaten an den Aktionen gegen Talibanstützpunkte, ausgerüstet mit zwölf „Chinook“-Hubschraubern. Die englisch-amerikanisch-pakistanische Großoffensive ist so ziemlich das einzige, was Obama und seinen Leuten übrigbleibt, wenn sie den Vormarsch der Taliban wenigstens stoppen wollen. Die Ausbreitung der Taliban ist eine Folge der vor acht Jahre auf dem Petersberg beschlossenen Politik der „Sammetpfötchen“ (das heißt geringe Truppenpräsenz), die inzwischen dazu geführt hat, daß die Taliban-Milizen in 25 der 44 Provinzen Afghanistans aktiv sind. Sie haben dort eigene politische Strukturen mit eigenen Gouvernements, Distriktverwaltungen – und Sozialstationen – gegründet.

Kann Obama diesen Krieg, bei dem langfristig nicht weniger auf dem Spiel steht als die Eroberung der Atommacht Pakistan durch die Terroristen, noch gewinnen? Die neue Landoffensive bringt die Taliban zumindest erstmals wieder in Schwierigkeiten. An deutschem Einsatz sollte es diesmal nicht liegen: Eine Mehrheit aller Fraktionen außer einigen Grünen und der Fraktion der Linken hatte am letzten Donnerstag im Bundestag die Entsendung von vier Awacs-Aufklärungsflugzeugen zur Sicherung des afghanischen Luftraums beschlossen.

Die fliegenden Radarstationen sollen laut Verteidigungsminister Jung auch die Luftoperationen der internationalen Schutztruppe Isaf unterstützen. Die Terrorgruppe Al-Kaida hofft, Deutschland als Bündnispartner der USA herauszubrechen, indem es den Bundestagswahlkampf durch Angriffe massiv beeinflußt. Ein Anschlag im Land durch die sogenannte „Sauerlandzelle“ wurde beispielsweise 2007 durch einen Hinweis von US-Geheimdiensten erst in letzter Minute verhindert.

Angeblich haben schon 15 in pakistanischen Camps der Al-Kaida ausgebildete Terroristen, darunter vier Deutsche, das Land verlassen, um in Deutschland Terroranschläge großen Ausmaßes auszuführen. Man erinnert sich, daß in Spanien 2004 ein Zugattentat auf vier Vorortzüge in Madrid mit rund 200 Toten und 1500 Verletzten die Wahlergebnisse massiv zugunsten der (als Antikriegspartei auftretenden) Sozialisten beeinflußte.

Nun könnte einer kommen – und es kommt öfter einer in der deutschen Presselandschaft –, der sagt: Raus aus Afghanistan! Moment mal! Woher die Fürsorge für die deutschen Soldaten? Sind die plötzlich bei der „taz“ und bei den Jusos national geworden? Woher kommt diese rührende Fürsorge bei dem ehemaligen RAF-Anwalt Ströbele? Ist der plötzlich national geworden auf seine alten Tage?

„Raus aus Afghanistan!“ Aber wer kommt rein?

Die Taliban. Dazu muß man wissen, daß das von den Terroristen und den mit ihnen verbündeten Paschtunen-Stämmen regierte Land eine modern ausgerüstete und finanziell durch die Lobby der Mohnanbauer (Afghanistan  ist mit über 90 Prozent der größter Heroin-Produzent der Welt) gut gepolsterte Männergesellschaft war.

Hier hatten die Selbstmordattentäter ihre Ruheräume, hier wurden, in der Sicherheit eines totalitären Staatsgebildes, die Pläne für den ersten Großangriff gegen die westliche Zivilisation vorbereitet, mit beiläufig 3000 toten Büroangestellten und zirka 500 Flugzeuginsassen, die den todeswütigen Selbstmördern ausgeliefert waren. Daß Obama an dem Kampf gegen den Terror etwas ändern wolle, das war Wunschdenken im Berliner Kuschelkiez zwischen Linken, Ströbele und Wowereit. Soll Rot-Rot und der von ihnen favorisierte Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan im Herbst die Lösung sein, nachdem zwei oder drei gelungene Massenmorde von Al-Kaida die Nation reif zur Kapitulationreif gemacht haben sollten? Rot-Rot und Frieden?

Sterben für Afghanistan? Das erinnert an etwas: Mourir pour Danzig?

Diese im Mai 1939 zum ersten Mal von dem Franzosen Marcel Deat (1894–1955) ausgegebene Losung war in Frankreich auch nach der Kriegserklärung vom 3. September 1939 sehr populär und weit verbreitet. Daß Frankreich auf Drängen Englands Krieg führen sollte, weil Hitler in Polen einmarschiert war und die im Versailler Diktat geschaffene „Freie Stadt Danzig“ wieder ins Reich eingegliedert hatte, sah kaum ein Franzose ein. Mourir pour Danzig? Non!

Wäre der Zweite Weltkrieg mit seinen zig Millionen Toten zu vermeiden gewesen, wenn die um ihr Leben bangenden Franzosen sich durchgesetzt hätten? Wohl kaum. Hitlers Pläne zielten auf eine Neuordnung Europas und eine Neuaufteilung der Welt. Furcht ist kein Mittel, mit radikalen Weltveränderern umzugehen.


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