23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.07.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-09 vom 11. Juli 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es gibt schon Augenblicke, da möchte man die Zeit zurückdrehen, wenn auch nur um wenige Tage. So erging es mir, als ich die letzte Folge unserer Zeitung in der Hand hielt und natürlich zuerst meine Kolumne las im Hinblick auf eigene mögliche Fehler. Beim Schreiben auf dem PC übersieht man auf dem Monitor doch so manche Ungenauigkeit, weil die Augen sehr angestrengt sind, auch der Korrekturabzug, den ich über Fax erhalte, ist nicht immer optimal. Aber diesmal war es etwas ganz Anderes, was mich betroffen machte. Da hatte ich über das Boot „Pillkallen“ berichtet, das sein Besitzer Peter Adomat nach der Heimatstadt seines Vaters so benannt hatte. Dieser hatte mir die Fotos von der Bootstaufe mit einem netten Begleitschreiben übersandt. Ich kannte den Studienrat i. R. Heinz Adomat, er hatte mir auf einer Lesung in Wiesbaden sein Buch „Wo Pillkallen ist, ist oben“ mit persönlicher Widmung überreicht, auch sonst standen wir über die Ostpreußische Familie in Verbindung. Den Brief erhielt ich Ende Mai und wußte natürlich sofort: Das ist was für unsere Kolumne zur beginnenden Ferienzeit. So konnte er in Folge 27 auch gut aufgemacht erscheinen, und ich dachte beim Lesen: Da wird sich Herr Adomat aber freuen. Aber dann blätterte ich weiter und – las unter den Todesanzeigen seinen Namen! Ich hatte leider nichts von seinem Ableben erfahren. Das macht doch sehr betroffen, vor allem, wenn ich seinen Brief lese, der wohl einer seiner letzten war und in dem er humorvoll auf unser Alter einging, denn wir sind ein Jahrgang. Er schreibt: „Es zeigt doch, daß wir Alten eine recht zähe ostpreußische Konstitution haben. Ich lese Ihre Ostpreußische Familie jedesmal als ersten Leckerbissen und nehme innerlich an den Schick­salen der Suchenden und Fragenden teil und hoffe immer ein bißchen, daß ich auch etwas zur Aufhellung von Schicksalen mithelfen könnte.“ Nun kann er es nicht mehr, und er konnte auch nicht mehr den Bericht in unserer Zeitung lesen, er hätte sich wohl sehr gefreut. Aber sein Lebensschiff hatte keine Handbreit Wasser mehr unter dem Kiel, das wir der „Pillkallen“ wünschen, damit sie – wie Heinz Adomat es in seinem letzten Brief ausdrückte – den Namen seiner Heimatstadt in alle Welt hinaustragen kann.

In alle Welt trägt uns auch unsere Ostpreußische Familie durch unsere Leserinnen und Leser – und diesmal nach West Point in den USA. Und es ist auch hier ein liebevolles Gedenken an einen Menschen aus unserer Heimat, der kürzlich verstarb, die Bestätigung einer 75jährigen Freundschaft zwischen zwei Ostpreußinnen, die in guten und schlechten Zeiten gehalten hat, wenngleich auch ihre Wege weit auseinander drifteten. Gisela Hannig blieb in Deutschland, Eva Sweberg ging mit ihrem Mann in dessen Heimat, die USA. Und wenn Frau Hanning uns bittet, der Freundin an dieser Stelle posthum danken zu können, so fächert sie damit auch das Leben einer ungewöhnlichen Frau auf, denn Eva Sweberg wurde mit militärischen Ehren auf dem Ehrenfriedhof in West Point beigesetzt. Aber beginnen wir mit der Kindheit in Heiligenbeil. Dort drückten Gisela Pultke und Eva Stepke sieben Jahre lang gemeinsam die Schulbank, wurden auch zusammen konfirmiert. Sie waren beide begeisterte Schlittschuhläuferinnen, und unvergessen blieb ein Lauf über das zugefrorene Frische Haff von Rosenberg nach Kahlholz, wobei aber die Rückkehr durch einen unerwarteten Temperatursturz kläglich mit Frostbeulen endete. Während des Krieges war Eva als Krankenschwester in Garmisch tätig und wurde somit zum Anlaufpunkt für die Familie Pultke nach der Flucht. Unvergessen blieb ihre Hilfe für die Mittellosen, vor allem dann, als Eva heiratete und ihrem Mann in den USA folgte. Gisela Hannig schreibt: „Es kamen nicht nur Pakete von Eva an, sie vermittelte auch einen Job für meinen Mann bei der US-Botschaft. Der Beruf ihres Mannes führte Eva nicht nur nach Amerika, sondern auch nach Japan und Thailand und immer wieder nach Deutschland. Viele Jahre lebte sie in West Point, wo ihr Mann und später auch beide Söhne die Militärakademie besuchten. Sie selber war ebenfalls dort sehr aktiv als Fremdenführerin und Hosteß, vor allem aber gemeinsam mit ihrem Mann in der persönlichen Betreuung der Kadetten. Wir haben uns gegenseitig oft besucht, und unsere Kinder sind befreundet. Ich blieb für sie immer ein Stück Heimat, die sie nie vergessen konnte. Wir sandten uns wöchentlich Briefe und viele Pakete. Ein Stein von ihrem Elternhaus, den ich ihr mitbringen sollte, war ihr mehr wert als jeder Diamant, wie sie schrieb. Als sie starb, wurde ihr größter Dank von höchsten Militärs zuteil. Als ihre Urne auf dem Ehrenfriedhof in West Point beigesetzt wurde, geschah dies durch eine Ehrengarde in historischen Uniformen. Ruhe in Frieden, liebe alte Freundin aus Ostpreußen.“

Es ist leider so, daß ich nicht auf jeden Brief so intensiv eingehen kann, wie ich gerne möchte, wenn ein Schreiber fünf oder mehr Themen behandelt, und das in jeder Woche – gibt’s tatsächlich! Unsere Kolumne soll ja gerne gelesen werden, vor allem wollen unsere Leserinnen und Leser darüber informiert werden, was sich im Rahmen unserer Familienarbeit so alles getan hat, denn das beweist ja, wie lebendig die Vergangenheit ist. Dieser spürt besonders eifrig unser Landsmann Heinz Czallner aus Frankfurt nach, der auf Antikmärkten manche Sachen entdeckt, die einen großen Erinnerungswert für uns Vertriebene haben. Auf seiner Schatzsuche ist er nun wieder fündig geworden. Herr Czallner entdeckte in einer kleinen, alten Schachtel ein Foto, das vor 100 Jahren aufgenommen wurde, und zwar in Königsberg. Das war natürlich ein Fund so recht nach dem Herzen unseres Landsmanns, und er hat es uns sofort übersandt, damit auch andere Landsleute auf Entdeckungsreise gehen können. Und vielleicht fündig werden, wenn sie auf dem Bild eine weibliche Person entdecken, die zur Verwandtschaft zählen könnte – vielleicht eine Großmutter oder Großtante, bei älteren Lesern könnte es sogar die Mutter sein. Natürlich ist es schwierig, vertraute Gesichter, die man nur aus dem Alter kennt, in den Jugendbildern zu entdecken, aber wir haben in dieser Hinsicht ja schon einige Überraschungen erlebt. Und hier wird das Finden sogar noch leichter gemacht, weil auf der Rückseite des um 1910 aufgenommenen Fotos einige Namen verzeichnet sind, die von den hier abgebildeten Schülerinnen der Hauswirtschaftsschule handschriftlich eingetragen wurden. Es sind dies: Wanda Beyer, Clara und Else Strauß, Herta Polzeck, Marie Liedtke, Emma Vanjoks, Margret Buetcke und Mieze Borst Die Aufnahme wurde von dem Fotografen G. Knees gemacht, dessen Atelier sich in der Münzstraße 25/26 befand. Namen und Lage der Haushaltsschule sind nicht bekannt. Es könnte sich um die Ostpreußische Haushaltungsschule handeln, die als Kochschule von den Schwestern Doennig 1891 in Königsberg gegründet wurde und die solchen Zulauf hatte, daß sie in wenigen Jahren über 2000 Schülerinnen ausbildete. Und da diese als tüchtige Hausfrauen nach den hier erarbeiteten Rezepten auch weiterhin kochen, braten und backen konnten, wurde ein Kochbuch herausgegeben: das „Doennigsche“, – und nach diesem Kochklassiker haben Generationen von ostpreußischen Hausfrauen gekocht und tun es heute noch! Königsberger Klopse bleiben eben Königsberger Klopse und zählen noch immer zu den beliebtesten deutschen Nationalgerichten. Nicht umsonst hieß die 1930 in der Beethovenstraße erbaute Mädchengewerbeschule „Klopsakademie“.

Ursprünglich wurde ja das Fleisch gehackt und „geklopft“ – daher die Bezeichnung „Klops“ –, aber dann übernahm der Fleisch­wolf diese langwierige Arbeit und lieferte buchstäblich im Handumdrehen feinstes Hackfleisch. Na ja, wir wissen ja jetzt, daß dieses unentbehrliche Haushaltsgerät bei uns einfach „Maschien“ genannt wurde – übrigens heißt es auch im Doennigschen „Fleischmaschine“. Aber nun präsentiert unser Landsmann Alfred Görlitz aus Hamburg eine weitere Version, und die klingt noch mundartlicher: „Worschtmaschin“! Er hat selber als Junge beim Wurstmachen die „Maschien“ – mit einem dazu gehörenden Zinkrohr, auf das der Darm geschoben wurde – bedient, auch das Därmesäubern war seine Arbeit. Vielleicht erinnern sich jetzt auch andere ältere Landslied daran.

Aus Bladiau bei Heiligenbeil stammt eine eifrige Leserin unserer Zeitung, Frau Traute Fortkamp geborene Stangscheidt. Ihr Brief ist an unsere Ostpreußische Familie gerichtet, obgleich sie zu dem Artikel „Belogene Heimatvertriebene“ in Folge 25 Stellung nimmt. Sie wollte sich von der Seele schreiben, was sie als Vertriebene so oft erleben mußte und muß: „Wenn ich in Gesprächen sage, ich komme aus Ostpreußen, dann sagt man mir, du bist entweder ein Russe oder Pole. Das tut weh!“ Ja, das ist schon verdammt hart, und ähnliche bittere Erfahrungen haben viele von uns gemacht, liebe Frau Fortkamp. Und wenn man dazu wie Sie bis 1948 in der Heimat verblieb und Schreck­liches erleben mußte, dann schmerzt das um so mehr. Aber vergangen ist nicht vergessen, das verspüren wir immer wieder in unserem Familienkreis, und deshalb sind solche Briefe wie der Ihre so wichtig für unsere heutige und künftige Arbeit. Ihre lieben Grüße erwidere ich ebenso herzlich.

Eure Ruth Geede

Foto: Schülerin einer Haushaltsschule im Jahre 1909: Die Aufnahme stammt von dem Fotografen G. Knees, der sein Atelier in Königsberg in der Münzstraße 25/26 hatte.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren