18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.07.09 / Selbstaufgabe oder Kampf / China: Die Kulturen der Uiguren, Mandschu und Tibeter sind vom Untergang bedroht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Selbstaufgabe oder Kampf
China: Die Kulturen der Uiguren, Mandschu und Tibeter sind vom Untergang bedroht

Die nicht-chinesischen Völker und Volksgruppen Chinas stellen nur knapp zehn Prozent der Bevölkerung, bewohnen aber traditionell fast 60 Prozent der Fläche des riesigen Landes. Entsprechend groß ist die Angst Pekings vor dem Ruf nach Selbstbestimmung. Brutale Repression inklusive Siedlungspolitik soll derartige Forderungen im Keim ersticken.

Knapp zehn Prozent der 1,3 Milliarden Einwohner Chinas gehören nicht zur Titularnation der Han-Chinesen. Mehrere Volksgruppen haben eine millionenstarke Bevölkerungszahl und ein ursprünglich geschlossenes Siedlungsgebiet. In Europa wären sie damit mittelgroße Staatsnationen. Zu ihnen gehören die 16 Millionen Zhuang, die zehn Millionen Mandschu, die islamisch-chinesischen Hui (neun Millionen), die Uiguren (acht Millionen), die Miao Südchinas (7,5 Millionen), die Yi (6,5 Millionen), die Tujia (5,7 Millionen), die Mongolen der Inneren Mongolei (fünf Millionen) und nicht zuletzt die Tibeter (4,6 Millionen).

Bis zum Ende der Mandschu-Dynastie (1911), als der han-chinesische Siedlungsraum nach Norden nur bis zur Chinesischen Mauer reichte, war die Auswanderung der Chinesen in die in loser Souveränität kontrollierten umliegenden „Barbarengebiete“ verboten. Auch in den chinesischen Bürgerkriegen der Zwischenkriegszeit und im Krieg mit Japan (1937–1945) standen sie am Rand des Weltgeschehens. Die Äußere Mongolei wurde 1923 sowjetisch besetzt und gleichgeschaltet. Die Mandschurei und die Innere Mongolei wurden japanische Protektorate. Nach dem Sieg der Kommunisten 1948 wurden alle jene Randgebiete, außer der (Äußeren) Mongolei, die unter sowjetischer Kontrolle blieb, militärisch besetzt und der Diktatur Maos unterworfen. Am schlimmsten hauste die Kulturrevolution 1966/67 in den neuen Minderheitengebieten. Ihre kulturelle Traditionen und religiöse Bauwerke waren für die von Mao aufgehetzten han-chinesischen Roten Garden Symbole unchinesischer Rückständigkeit und des Feudalismus und lösten bei ihnen Haß und Zerstörungswut aus. Geistige und politische Führungsgruppen der Minderheiten wurden verhaftet, gefoltert und ermordet. Die „unfehlbare“ Partei hat sich für diesen von ihr angeordneten, kulturellen Völkermordversuch nie entschuldigt, geschweige denn die Schuldigen  bestraft. Die Exzesse der Kulturrevolution haben die Minderheitenvölker traumatisiert und sie damit der systematischen Sinisierung ausgeliefert. Am schlimmsten traf die Zerstörung der Tempel und das Verbrennen ihrer Archive und Bibliotheken die nomadischen Völker wie die Mongolen und Tibeter. Die Klöster waren die einzigen Zentren ihrer nationalen Kultur, von Schriftsprache und Wissen, da die Stämme nur mit leichtem Gepäck wandern konnten.

Alle nicht-sinisierten Minderheiten leben in Armut und sind von chinesischsprachigen Verwaltungs- und Wirtschaftsberufen und von höherer Bildung, die die vertiefte Kenntnis der chinesischen Schriftsprache voraussetzen, ausgeschlossen.

Offiziell werden die Minderheiten toleriert, sofern sie in der KP-Diktatur mitschwimmen und brav die ihnen zugedachte Rolle als putzige Volkstanzgruppen, Touristenattraktion und Restaurantbetreiber spielen. Grundsätzlich aber stehen die Minderheitennationen im han-chinesischen Nationalstaat vor der Alternative zwischen ethnischer Selbstaufgabe und Assimilation oder Selbstbehauptung in opfervollem Widerstand.

Die Mandschus und die in den Städten lebenden Inneren Mongolen haben den Weg der Selbstaufgabe gewählt. Denn nur die volle Teilhabe am chinesischen Bildungssystem bietet ihnen und ihren Kindern Beschäftigungschancen. Die buddhistischen Tibeter und die islamischen Uiguren leisten dagegen weiter Widerstand gegen den großchinesischen Kolonialismus. Albrecht Rothacher

Foto: Werde Han-Chinese oder gehe unter: Die Nationalitätenpolitik der Volksrepublik China hat genozidische Züge.

 

Zeitzeugen

Rebiya Kadeer – „Lebe lieber ungewöhnlich“ könnte das Motto der 1948 geborenen Uigurin sein. Mit 27 Jahren machte sich die sechsfache Mutter nach der Scheidung von ihrem ersten Mann im Textilhandel selbständig. Während der zweiten Ehe mit dem uigurischen Widerstandskämpfer Sidik Rouzi wurde ihr Interesse für Politik geweckt. Nach weiteren zwei Kindern wurde sie 1992 in den Nationalen Volkskongreß gewählt. So lange sich Rebiya Kadeer international nur für Frauenrechte einsetzte, war sie bei Chinas Kommunisten gerngesehen, als sie jedoch begann, sich für die Rechte ihres Volkes einzusetzen, wurde sie 1999 inhaftiert. 2005 kam sie frei, ging in die USA ins Exil und wurde noch im selben Jahr Präsidentin des neu gegründeten Uigurischen Weltkongresses. In den Augen Chinas ist sie eine terroristische Separatisten.

 

Tenzin Gyatso – Der 14. Dalai Lama ist der Regierung in Peking genauso ein Dorn im Auge wie Rebiya Kadeer. Der Friedensnobelpreisträger und religiöse Führer der Tibeter wird ebenfalls immer wieder als böser Separatist dargestellt. Seit er 1959 ins Exil nach Indien fliehen mußte, reist er um die ganze Welt, um für die Rechte seines Volkes zu werben. Dabei fordert der Dalai Lama gar nicht die Unabhängigkeit seiner Heimat von China, sondern nur weitgehende Autonomie, doch das ist den Chinesen bereits zu viel.

 

Mao Zedong – Der langjährige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas bestimmte fast 30 Jahre die Geschicke Chinas. In der von ihm initiierten Kulturrevolution wurden 1966/67 und weiter bis zu seinem Tod 1976 alle alten Denkweisen, Kulturen, Sitten und Gewohnheiten brutal bekämpft. Völkermord-Forscher machen ihn für 37 bis 76 Millionen Tote verantwortlich.

 

Kaiser Gao von Han – Er gilt als Gründer der Han-Dynastie und prägte von 202 bis 195 v. Chr. China. Von ihm leiten die Han-Chinesen ihren Namen ab. Sie stellen heute fast 92 Prozent der Bevölkerung der Volksrepublik China. Unter Kaiser Gao von Han entwickelte sich erstmals ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Volksgruppe. Die gemeinsame Han-Schrift hat trotz sehr unterschiedlicher Dialekte zu einer gemeinsamen Identität geführt.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren