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18.07.09 / 600 Uiguren wurden getötet / Exilpolitiker: »Polizisten nahmen in zivil an Ausschreitungen teil«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

600 Uiguren wurden getötet
Exilpolitiker: »Polizisten nahmen in zivil an Ausschreitungen teil«

Dolkun Isa (42), der Generalsekretär des in München ansässigen Weltkongresses der Uiguren, gab der PAZ ein Interview zur Lage seiner Volksgruppe. Die Familie des zweifachen Vaters lebt zum Teil in Deutschland, zum Teil in der offiziell autonomen chinesischen Provinz Xinjiang, die aufgrund ihrer Bevölkerung auch Ostturkestan genannt wird. Der Physiker und Fachinformatiker (Studium in Deutschland) erhält seit Tagen Anrufe, in denen Uiguren die Todesopfer melden.

PAZ: Herr Isa, wie ist die Lage in Ihrer Heimat?

Isa: Ab und zu kommen noch Telefonate aus der Heimat durch – trotz gekappter Verbindungen −, was Informationen sehr schwer zugänglich macht. 180 Tote meldet China offiziell – tatsächlich sind es mehr. Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Anruf aus Urumschi – 600 Uiguren sind getötet worden.

PAZ: Was genau passiert dort?

Isa: Nach 22 Uhr stellen die Chinesen den Strom ab, dann kommen die nächtlichen Übergriffe, Menschen werden nachts in ihren Häusern getötet. Ich weiß nicht mal, ob mein älterer Bruder noch lebt. Auch die Moscheen sind gesperrt.

PAZ: Was muß jetzt geschehen?

Isa: Wir brauchen den Dialog, doch China zeigt kein Interesse, denn alle friedlichen Proteste bezeichnet Peking als terroristisch und separatistisch. Dabei unterstützen wir die Einheit Chinas, doch die Regierung setzt nur auf Stärke. Auch muß der internationale Druck auf China wachsen.

PAZ: Wie ist das Verhältnis Chinesen – Uiguren im Alltag?

Isa: In Ostturkistan waren 1949 nur zirka drei Prozent der Menschen Chinesen, heute sind es fast 50 Prozent. Assimilationspolitik und Diskriminierung sind gewollt, das geht nicht so sehr von den Menschen aus, sondern von Peking. Uigurisch ist offizielle Sprache, darf aber seit 2003 nicht mehr an Universitäten gelehrt werden, seit 2006 ist sie sogar in Kindergärten verboten.

PAZ: Was gibt es noch an Diskriminierung?

Isa: Wir bekommen keine Jobs – Öl, Bodenschätze, das alles machen chinesische Firmen und die bringen ihre Leute mit. Religionsfreiheit gibt es nur auf dem Papier, tatsächlich ist vielen Berufsgruppen der Moscheebesuch verboten. Als die chinesischen Zivilisten mit Messern „demonstrierten“, schaute die Polizei weg, Polizisten zogen sogar die Uniform aus, um in Zivil an Ausschreitungen gegen Uiguren teilzunehmen.

PAZ: Welche Rolle spielt der Islam in dem Konflikt?

Isa: Wir Uiguren sind Muslime, ich selbst gehe aber nicht fünf Mal am Tag beten, dafür habe ich nicht die Zeit. Ostturkistan ist ein Ort, durch den so viele Religionen kamen: Buddhismus und der Islam. Doch dieser kam nicht durch Krieg, sondern als philosophische Strömung, gefördert von der Oberschicht, ins Land. Wir sind keine Radikalen. Unsere Imame dürfen sogar tanzen.

Das Gespräch führte Sverre Gutschmidt.


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