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18.07.09 / CO2-Speicherung als Alibi / Stromerzeuger wollen Kohlekraft populärer machen − Steuerzahler übernimmt die Zeche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

CO2-Speicherung als Alibi
Stromerzeuger wollen Kohlekraft populärer machen − Steuerzahler übernimmt die Zeche

Am 1. April war die großkoalitionäre Welt noch in Ordnung: Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Sigmar Gabriel (SDP) präsentierten die Kabinettsvorlage des sogenannten CO2-Speicherungs-Gesetzes (CCS) und ernannten sich – trotz des symbolträchtigen Datums – allen Ernstes zum „Vorreiter beim Umsetzen europaweiter Klimaziele“. Ein Vierteljahr später schon ließ die Union den rot-schwarzen Entwurf auf unbestimmte Zeit parlamentarisch einlagern und sich selbst von Grünen, Green-peace und anderen umweltbewegten Vereinigungen bejubeln. Allerdings sind die jeweiligen Motive absolut gegensätzlich.

So will die Union vor der Bundestagswahl kein neues Protestpotential schaffen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo am ehesten Lagerstätten für der Kraftwerk-Abluft entzogenes Kohlendioxid zu finden wären, hatte sich bereits massiver Widerstand angekündigt − ein zweites „Gorleben“ erscheint gefährlicher als der  Klimawandel durch CO2.

Auf grün-alternativer Seite hingegen werden die Pläne, das bei der Verfeuerung von Kohle, Gas oder Öl anfallende CO2 „klima­neutral“ unterirdisch zu speichern, generell als „Feigenblatt für eine rückwärts­gewandte Kohlepolitik“ der Energiekonzerne verteufelt. Dahinter steckt nicht nur die lauthals beschworene Sorge um Klima und Umwelt, sondern auch das von langfristig festgeschriebenen Milliardensubventionen beflügelte Interesse an einem Ausbau von erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne.

Neben dem merkwürdigen Gleichschritt, in dem Schwarz und Grün gegen das CCS-Projekt zu Felde ziehen, ist eine zweite höchst ungewohnte Allianz zu beobachten: Die SPD sieht in dieser Sache ausgerechnet die sonst heftig bekämpften Stromkonzerne an ihrer Seite. Deren Interesse ist offenkundig: Für den Fall, daß es nach der Bundestagswahl doch nicht zu einer Lockerung des Kernkraft-Ausstiegs kommen sollte, wollen sie vorsorgen. Das lukrative Geschäft mit Strom aus Kohle soll auch ökologisch langfristig abgesichert und die aus dem Emissionshandel entstehenden Kosten reduziert werden. Vattenfall hat bereits 200 Millionen Euro in die neue Technik investiert und rechnet, daß ein neues Kraftwerk etwa eine Milliarde Euro kosten wird. Vattenfall-Chef Lars Göran Joseffson verkauft die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid als „Grundvoraussetzung für wirkungsvollen Klimaschutz“. Die nun verzögerte gesetzliche Regelung ist für seine Pläne unverzichtbar, um CO2-intensive Kohlekraftwerke wieder populärer zu machen. Denn nach geltender Rechtslage würde die langfristige Lagerung von CO2 sowohl mit Abfallgesetzen (Deponierungsverbot) als auch mit dem Bergrecht kollidieren.

Hinter dieser politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Gemengelage bleiben die Sachargumente zur Beurteilung der CCS-Technologie weitgehend im Verborgenen. Erste Erkenntnisse aus drei Pilotanlagen – „Schwarze Pumpe“ (Vattenfall), Staudinger (Eon/Siemens), Niederaußem (RWE/Linde/BASF) – lassen einen flächendeckenden Einsatz frühestens um 2020 erwarten. Dann könnten 70 Prozent des bei der Verbrennung in Kraftwerken entstehenden CO2 abgeschieden werden. Nach Angaben des Bundesamts für Geowissenschaften reichen die in Deutschland nutzbaren unterirdischen Lagerstätten für etwa 23 Milliarden Tonnen CO2, das entspräche den Emissionen von maximal 60 Jahren.

Nach dem neuen Gesetzentwurf müßten die Stromerzeuger für die nächsten 30 Jahre alle Sicherheitsrisiken tragen. Was danach geschieht, obliegt dann den nächsten Generationen. Angeblich sollen innerhalb von 1000 Jahren nur zehn Prozent des CO2 entweichen. Potentiell gefährliche ist es nur, wenn man es konzentriert einatmet.

Kritiker weisen darauf hin, daß durch diese Technik der thermische Wirkungsgrad um etwa zehn Prozentpunkte sinkt, also je nach Kraftwerkstyp 30 bis 50 Prozent mehr Brennstoff verfeuert werden muß. Ferner verschlechtern Transport und Lagertechnik die Öko-Bilanz, so daß am Ende der mögliche Gewinn für Klima und Umwelt recht bescheiden ausfällt – für Stromkunden und Steuerzahler eine teure, vielleicht zu teure Zeche.                   H.-J. Mahlitz


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