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18.07.09 / Ein Zivilist unter Offizieren / Carl Friedrich Goerdeler war der Wunschkandidat der Männer des 20. Juli fürs Amt des Reichskanzlers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Ein Zivilist unter Offizieren
Carl Friedrich Goerdeler war der Wunschkandidat der Männer des 20. Juli fürs Amt des Reichskanzlers

Vor 125 Jahren wurde Carl Friedrich Goerdeler geboren. Vom Kaiserreich bis zur frühen NS-Zeit machte der Sproß einer alten preußischen Beamtenfamilie eine Karriere als Verwaltungsfachmann und Kommunalpolitiker ohne große Brüche. Doch dann wurde er zu einem der führenden Männer des nationalkonservativen Widerstandes gegen Adolf Hitler.

Am 31. Juli 1884 kam Carl Friedrich Goerdeler in der Stadt Schneidemühl in der Provinz Posen zur Welt. Nach einem Jurastudium und dem Assessorexamen arbeitete er ab 1911 in der Stadtverwaltung von Solingen. Im darauffolgenden Jahr wählte ihn die Stadtverordnetenversammlung für zwölf Jahre in das Amt des Beigeordneten. Im Ersten Weltkrieg widmete sich Goerdeler – nun als Angehöriger der Armee – weiterhin Verwaltungsaufgaben. Nach dem Ausbruch der Novemberrevolution kämpfte er als Freikorpsmitglied gegen den Spartakusbund, bevor er in die Verwaltung der Stadt Solingen zurückkehrte. Politisch engagierte sich der nationalkonservative Monarchist, der erst allmählich mit der Weimarer Republik seinen Frieden schloß, in der Deutsch­Nationalen Volkspartei (DNVP).

Goerdeler zog es zurück nach Ostdeutschland. So wechselte er 1920 auf den Posten des Zweiten Bürgermeisters von Königsberg. 1930 machte seine Karriere einen Sprung, der Goerdeler Ostdeutschland wieder verlassen ließ. Leipzigs Vereinigter Bürgerblock aus DNVP, Zentrum und Vertretern konservativer Kleinparteien wählte ihn mit Unterstützung einzelner Sozialdemokraten und Nationalsozialisten zum Oberbürgermeister.

Goerdeler war anglophil und wirtschaftsliberal, staatliche Eingriffe und Beschäftigungsprogramme auf Pump waren ihm zuwider. Ihm schwebte eher ein solide haushaltender, mit den Geldern der Steuerzahler sparsam umgehender „schlanker“ Staat vor. Das verband ihn mit dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning, der 1930 Reichskanzler wurde. Brüning wurde auf Goerdeler aufmerksam und bot ihm das Amt des Preiskommissars an. Staatliche Preiskontrollen sind ein Eingriff in die Wirtschaft, und so zögerte Goerdeler, aber nach einem Gespräch mit dem Reichspräsidenten nahm er das Amt denn doch an. Diese Entscheidung für Brüning führte zum Bruch mit dessen deutschnationaler Opposition und zum Parteiaustritt Goerdelers.

Goerdelers Reaktion auf die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten war wie die vieler Konservativer ambivalent. Einerseits gefiel ihm der autoritärere Führungsstil, die Stärkung der Exekutive gegenüber der Legislative, die hierarchischere Gliederung und der verstärkte Kampf gegen die Fesseln von Versailles. Andererseits störten ihn der Straßenterror von SA und SS. Darüber hinaus mißfielen ihm als Wirtschaftsliberalen die starken Eingriffe in die Wirtschaft.

Auch hinsichtlich seines eigenen Betätigungsfeldes sah er die „Machtergreifung“ zwiespältig. So begrüßte er das Ende der „überspitzten demokratischen Gedankengänge“ der alten Weimarer Zeit, lehnte aber auch die „uns wesensfremden faschistischen“ ab. Seines Erachtens lag das Wohl in der Mitte.

Goerdeler trat nicht der NSDAP bei, blieb aber trotzdem im Amt, was man durchaus als Kompliment für sein verwaltungstechnisches Können und seine kommunalpolitische Arbeit interpretieren kann. Wie zu Zeiten Brünings machten ihn die Nationalsozialisten 1934 sogar wieder zum Preiskommissar. Spätestens bei einer Aussprache mit Hitler 1935 wurde Goerdeler jedoch klar, daß er mit seiner wirtschaftsliberalen Kritik an deren Autarkie- sowie auf Pump finanzierten Beschäftigungs- und Aufrüstungspolitik bei den neuen Machthabern in Deutschland auf taube Ohren stieß. Er zog die Konsequenz und trat als Reichspreiskommissar zurück.

Als Folge der Unzufriedenheit mit der NS-Politik bereitete er fernerhin den Wechsel aus der Politik in die Privatwirtschaft vor, in concreto aus Leipzigs Rathaus ins Direktorium von Krupp. Auslöser für Goerdelers Rücktritt als Oberbürgermeister im Jahre 1936 wurde die Beseitigung eines Denkmals für den jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy vor dem Gewandhaus. Der Abriß geschah gegen eine ausdrückliche Weisung Goerdelers, während er nach Skandinavien reiste, um unter anderem in Helsinki einen Vortrag über Wirtschaft, Preise und Währung zu halten.

Den Wechsel in das Kruppdirektorium vereitelte Adolf Hitler, indem er Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zu verstehen gab, daß er einen Mann mit den wirtschaftspolitischen Ansichten Goerdelers nicht in der Schwerindustrie sehen möchte. Durch sein NS-kritisches Engagement geriet Goerdeler in Kontakt mit einem Kreis oppositioneller Demokraten um den Industriellen Robert Bosch. Dieser machte ihn offiziell zum Finanzberater seiner Firma und schickte ihn auf ausgiebige Auslandstouren mit dem Ziel, im Gespräch mit ausländischen Politikern und Entscheidungsträgern die internationale Lage zu sondieren und Sympathien für die Opposition in Deutschland zu werben.

Bis zum Weltkrieg entwickelte sich Goerdeler zu einem der führenden Köpfe im nationalkonservativen Widerstand gegen die NS-Herrschaft. So hatte die Gestapo bereits wenige Tage vor dem Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 gegen ihn Haftbefehl erlassen, ohne seiner allerdings sofort habhaft zu werden. Goerdeler teilte die Weltanschauung der Hitlerattentäter, lehnte jedoch deren Tat ab. Auch den Tyrannenmord hielt er für unmoralisch. Zudem sah er die Gefahr einer zweiten Dolchstoßlegende. Statt dessen hätte er eine Verhaftung mit anschließendem rechtstaatlichen Prozeß vorgezogen. Nichtsdestotrotz wollten ihn die Männer des 20. Juli zum Reichskanzler machen.

Das Attentat mißlang, und Adolf Hitler nahm unter seinen Gegnern keine großen Differenzierungen vor. Am 12. August 1944 wurde Goerdeler in seiner Heimat, in die er geflohen war, in einem Gasthof erkannt und verhaftet. Am 8. September wurde er vom Volksgerichtshof wegen „Verrats am Volke“ zum Tode verurteilt. Nachdem die Nationalsozialisten die Hoffnung aufgegeben hatten, ihm weitere Geheimnisse zu entlocken, wurde Goerdeler am 2. Februar 1945 auf Drängen des Reichsjustizministers und möglicherweise auf unmittelbaren Befehl Hitlers im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee enthauptet. Manuel Ruoff

Foto: Carl Goerdeler: Vor dem Volksgerichtshof, der ihn zum Tode verurteilte


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