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18.07.09 / Inmitten von Sturm und Wolkenbruch / Vor 100 Jahren wurde die Idee der Jugendherberge geboren –  Heute zwei Millionen Mitglieder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Inmitten von Sturm und Wolkenbruch
Vor 100 Jahren wurde die Idee der Jugendherberge geboren –  Heute zwei Millionen Mitglieder

Genau 100 Jahre nachdem die Idee der Jugendherberge entstand, ist das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) so stark wie nie zuvor. Erst vor kurzem konnte die Zwei-Millionen-Mitgliedsmarke überschritten werden.

In Zeiten knapper Kassen müssen besonders Familien auf die Kosten achten. Ein Urlaub ist oft nicht drin. Wer sich dennoch einen Tapetenwechsel leisten möchte, der greift gern auf das Familienangebot des DJH zurück. Abstand vom Alltag und eine unkomplizierte, gastfreundliche Atmosphäre sind dort allemal zu finden. Rund 560 Jugendherbergen mit mehr als 75000 Betten, über zehn Millionen Übernachtungen jährlich – diese Zahlen sprechen für sich. Der Idee des Lehrers Richard Schirrmann sind dazu keine Grenzen gesetzt: Weltweit gibt es mehr als 4000 Jugendherbergen in rund 80 Ländern – von Ägypten bis Australien.

Begonnen hatte alles in Altena, einer der schönsten Höhenburgen Deutschlands. Der ab dem 12. Jahrhundert errichtete Wehrbau verdankt seine internationale Be-kanntheit der ersten ständigen Jugendherberge der Welt, die hier 1912 eingeweiht wurde. Sie ist als Museum Weltjugendherberge noch im Originalzustand erhalten. Ab August 2009 soll ein sogenannter interaktiver Museumstisch den Besuchern der Burg die Geschichte der weltweiten Jugendherbergsbewegung erklären und einen reizvollen Kontrast zwischen der knapp 100 Jahre alten Originalausstattung der Herbergsräume und den museumspädagogischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts bilden.

Rechtzeitig zum Jubiläum wird auf der Burg Altena auch eine Ausstellung zum Thema Jugendherbergen eröffnet. Unter dem Titel „Über Stock und Stein – 100 Jahre Jugendherberge“ werden annähernd 150 Exponate zu bestaunen sein. „Die Ausstellung gibt zunächst mittels kleiner Inszenierungen Einblick in die Ausstattung der Häuser früher und heute und stimmt somit auf das Thema ein“, erläutern die Ausstellungsmacher. „Anschließend skizziert sie die ge-schichtliche Entwick-lung mit ihren Höhen und Tiefen. Sie beginnt mit dem Gründer Richard Schirrmann und seinen Weggefährten, erzählt von der Werbung und Geldbeschaffung in der Anfangsphase, vom Geist der Jugendherbergsbewegung, von der Rolle der Herbergseltern, berichtet über die großen Probleme während der NS-Diktatur und über die Situation in der DDR. Sie widmet sich auch dem Siegeszug der Idee über die ganze Welt und endet in der Gegenwart.“

Hört man heute das Wort Jugendherberge, so denkt man allzu oft an kratzige Wolldecken, durchgelegene Matratzen, Gemeinschaftsduschen mit kaltem Wasser und roten Früchtetee zum Abendbrot. Diese Zeiten sind längst vorbei. Die ehemals muffigen Herbergen in alten Gemäuern, in denen nur Wanderer oder Paddler eine Unterkunft fanden, haben sich zu schmucken Gästehäusern auf Hotelniveau gemausert. Das hätte sich der Volksschullehrer Richard Schirrmann auch nicht träumen lassen, als er am 26. August 1909 während eines Klassenausflugs die bahnbrechende Idee der Jugendherberge entwickelte. Ein Gewitter hatte die Gruppe auf dem Weg von Altena nach Aachen erwischt, und es gab keine geeignete Unterkunft außer in einer leerstehenden Dorfschule. „Das Unwetter tobte während der ganzen Nacht mit Blitz und Donnerschlag, mit Sturm und Wolkenbruch und Hagelprasseln, als wenn die Welt untergehen sollte“, notierte Schirrmann in seinem Tagebuch. „Plötzlich überfiel mich der Gedanke: Jedem wanderwichtigen Ort in Tagesmarschabständen gleich Schule und Turnhalle auch eine gastliche Jugendherberge zur Einkehr für die wanderfrohe Jugend Deutschlands ohne Unterschied.“ – Wer war dieser Mann mit der weitsichtigen Idee? Richard Schirrmann wurde am

15. Mai 1874 in Grunenfeld bei Heiligenbeil geboren. Nach Besuch der Präparandenanstalt Friedrichsdorf bei Ortelsburg und des Lehrerseminars Waldau bei Königsberg war er kurze Zeit Privatlehrer auf Gut Drebbenau im Samland. Bei jeder Gelegenheit hielt er sich mit seinen Schülern im Freien auf. Nach einem Jahr legte Schirrmann in Karalene bei Insterburg das Examen ab und wurde danach bei Lötzen, dann in Schrombehnen bei Preußisch Eylau als Lehrer eingesetzt. Wanderfahrten hatten ihn in dieser Zeit in seiner Liebe zur Natur nur noch bestärkt.

1901 verließ er Ostpreußen und ging ins westfälische Industriegebiet. Auch dort nahm er bei jeder Gelegenheit seine Schüler hinaus in die Natur, die schon wenige Kilometer vor den Städten voller Reize war. Im sauerländischen Altena fand er dann seine Bestimmung. 1912 konnte er seine Idee von einer festen Jugendherberge auf der wiederaufgebauten Burg Altena im Lennetal verwirklichen. Bei der Übernahme durch die Hitlerjugend mußte Schirrmann von seinen Ämtern zurücktreten und auch den Führungsposten im Internationalen Jugendherbergswerk, das mittlerweile entstanden war, abgeben. Er wurde aus Altena ausgewiesen und zog nach Grävenwiesbach im Taunus, wo er am 14. Dezember 1961 starb. Sein Name wird auf ewig mit dem der Jugendherbergen verbunden sein. Silke Osman

Die Ausstellung auf der Burg Altena, Fritz-Thomée-Straße 80, ist bis zum 21. Februar 2010 dienstags bis freitags von 9.30 bis 17.00 Uhr, am Wochenende und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt (gilt auch für die Dauerausstellung und für das Deutsche Drahtmuseum) Erwachsene 5 Euro, Kinder 2,50 Euro.

Foto: Idee eines Ostpreußen: Richard Schirrmann erfand die Jugendherberge.


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