19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.07.09 / Zur Zuckerbäckerin geworden / Ein »Spiegel«-Autor fragt, warum Angela Merkel so selten Stellung bezieht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-09 vom 18 Juli 2009

Zur Zuckerbäckerin geworden
Ein »Spiegel«-Autor fragt, warum Angela Merkel so selten Stellung bezieht

Dirk Kurbjuweit, Autor von „Angela Merkel – Die Kanzlerin für alle?“, ist Leiter des Hauptstadtbüros des „Spiegels“. Sein Beruf ermöglicht ihm exklusive Einblicke in die politische Szene Berlins. Er reist mit Politikern zu Auslandsbesuchen, begleitet sie zu Reden und sieht sie somit in Momenten, in denen sie sich unbeobachtet fühlen. So hat er auch bereits mehrfach die Kanzlerin in Situationen erlebt, in denen nicht die Kameras auf sie gerichtet sind. Doch selbst in diesen schon fast privat anmutenden Momenten bleibt die Kanzlerin meist Kanzlerin. Den Privatmensch Angela Merkel will Dirk Kurbjuweit bisher nicht erkannt haben. Allerdings stellt er fest, daß Angela Merkel in Hintergrundgesprächen für Journalisten, über deren Inhalte die Journalisten nicht berichten dürfen, viel natürlicher und spontaner rüberkomme als bei öffentlichen Auftritten. Ihre Worte wären durchaus weniger gewählt, manchmal würde ihre eigene Position zu einem Thema offenbar, doch kaum sind die Gespräche beendet, würde Merkel wieder ganz zur Chefin einer Großen Koalition. „Wer nicht polarisieren will, hütet sich deshalb vor klaren Sätzen. Und eine Bundeskanzlerin will in der Regel nicht polarisieren, weil sie die Sache des gesamten Volkes vertreten muß“, kommentiert der 47jährige Journalist Merkels Verhalten. „Eine Festlegung ist immer eine Schwächung“, analysiert er weiter. Auch behauptet er, daß die CDU-Chefin an ihrem Amt besonders hänge, weil sie „kein Idyll, keine Ersatz-welt, keine klare Vorstellung von einem Danach“ habe.

Als „Spiegel“-Mitarbeiter dürfte der Autor nicht zu den klassischen CDU-Anhängern gehören, doch es ist auch nicht so, daß er die Kanzlerin nicht mag. Er beäugt sie kritisch, stellt unangenehme Fragen und versucht, sich in ihre Lage zu versetzen. Und als er Angela Merkel in einem Hintergrundgespräch einmal in emotionalem Aufruhr erlebt, ist er zumindest positiv überrascht. „Diese zehn Minuten Ausbruch vor dem Ikea-Ambiente zeigten, daß die Bundeskanzlerin nicht alles in Ordnung findet, was sie zu verantworten hat, diese zehn Minuten gaben einen Hinweis darauf, daß Leipzig 2003 ernst gemeint war, nicht nur eine Masche, wie nun häufig vermutet.“ Auch lobt er sie für ihre sachliche Zusammenarbeit mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Beide hätten lange Zeit gemeinsam Staatsziele statt nur Parteiziele verfolgt.

Erstaunlicherweise stellt Kurbjuweit die These auf, daß unter der Regierung Merkel das Volk so stark mitregiere wie nie zuvor. Wer diese These jedoch positiv wertet, wird schnell enttäuscht, denn hiermit ist nicht das Volk an sich, sondern sind Umfragen gemeint, die den Volkswillen angeblich wiedergeben wollen (siehe Seite 8).

Auch fragt der Autor, ob Merkel jemals versucht habe, das Optimum aus ihrer Regierung herauszuholen. Anhand ihrer Vorgänger zeigt er auf, wie wichtig es für einen Kanzler sei, den Herrschertypen zu mimen. „Angela Merkel hat sich als Kanzlerin zur Sozialdemokratin gewandelt, zur Zuckerbäckerin. Aus Angst vor Lafontaine. Aus Angst vor der SPD. Aus Angst vor der Stimmung im Volk. Das ist die traurige Erkenntnis ihrer ersten Amtszeit.“ Fatalerweise werden diesem Urteil mehr CDU- als SPD-Anhänger zustimmen.  Rebecca Bellano

Dirk Kurbjuweit: „Angela Merkel – Die Kanzlerin für alle?“, Hanser, München 2009, gebunden, 155 Seiten, 16,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren