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25.07.09 / Die Abschottung nimmt zu / Die USA, China, Russland und viele andere Länder agieren protektionistisch − Wissenschaftler besorgt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-09 vom 25. Juli 2009

Die Abschottung nimmt zu
Die USA, China, Russland und viele andere Länder agieren protektionistisch − Wissenschaftler besorgt

Erhöhung der Zölle, Einfuhrbeschränkungen und „Kauf nur national“-Parolen bergen große Gefahren für die Weltwirtschaft. Doch diese Lehre der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932 wird zunehmend in den Wind geschlagen.

Neoprotektionismus ist nicht nur ein Wortungetüm, sondern könnte die weltweite Wirtschaftskrise weiter verschärfen. Ein Großteil des weltweiten Wohlstandes ist nun einmal der internationalen Arbeitsteilung zu verdanken. Wird diese durch Zölle, bürokratische Hemmnisse, die Abwertung der eigenen Währung oder auf anderem Wege behindert, können die Folgen fatal sein. Wirtschaftshistoriker erinnern daran, dass die Depression der frühen 1930er Jahre nur deswegen so gravierend ausfiel, weil damals der Welthandel infolge Protektionismus um zwei Drittel einbrach.

Gerade die Deutschen können kein Interesse an einer Rückkehr des Protektionismus haben: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wird zu 49 Prozent durch Exporte erwirtschaftet. Deutsche Autoproduzenten erzielen sogar gut 72 Prozent ihres Umsatzes im Ausland, ähnlich ist die Lage beim Maschinenbau oder der Chemieindustrie.

Dennoch haben mehrere Länder bereits das Undenkbare getan. Russland beispielsweise hat seinen Zoll für Importautos von 25 auf 30 Prozent erhöht. Dabei hatte  Ministerpräsident Wladimir Putin versprochen, genau dies nicht zu tun: „Wir dürfen nicht in Isolationismus und unbeschränkten ökonomischen Egoismus zurückfallen.“ Aber warum sollte Putin anders reagieren als Politiker in anderen Ländern?

Im April in London betonten die Staatschefs der G 20 zwar noch, auf keinen Fall der Versuchung des Protektionismus zu erliegen. Und in L’Aquila versicherten sich die beim G 8-Treffen zum Teil wieder Zusammengekommenen erneut ihrer besten Absichten.

Dass das nur Worthülsen sind, bescheinigte ihnen der Generalsekretär der Welthandelsorganisation WTO, Pascal Lamy, noch während die Zeitungen ihre Beteuerungen in der Welt verbreiteten. Allein im Monat April, dem Monat des G 20-Treffens, registrierte die WTO 83 neue Handelshemmnisse.

Deutschland und auch die EU trifft dabei kaum Schuld. Es sind vor allem die USA und China, die zwar auf die Öffnung der Märkte der anderen drängen, die ihren eigenen aber in bestimmten Bereichen stets geschlossen gehalten haben und nun weiter „schützen“.

Schon seit 1933 gibt es in den USA den „Buy American Act“, der nun mit neuem Leben gefüllt wurde. Schon immer bevorzugten die Vereinigten Staaten Stahl und Eisen aus eigener Produktion, im US-Konjunkturprogramm erlangte die Forderung „Buy American“ neue Dominanz. Daraufhin liefen die Befürworter des Freihandels Sturm, doch ganz konnten sie sich nicht durchsetzen. Zudem verzerrt Washington mit seiner Rettung von Banken und Unternehmen auch die Wettbewerbsbedingungen. In anderen Ländern können die ebenfalls von der Wirtschaftskrise betroffenen Unternehmen nicht dank derart königlicher, staatlicher Konjunkturpakete gesunden.

Obwohl sich die Bundesregierung international intensiv gegen Protektionismus einsetzt, ist ihre Weste auch nicht ganz weiß. Zum seit jeher abgeschotteten Agrarmarkt der EU kommen die Pakete zur Rettung von Banken und Unternehmen. Diese stellen eine Form der Subvention dar und werden deswegen von der WTO mit einigem Recht als indirekt protektionistisch eingestuft.

Nicht selten geht der Protektionismus von den Arbeitnehmervertretungen aus, sogar dann, wenn Arbeitsplätze (noch) nicht akut bedroht sind. In England forderten Gewerkschaftsmitglieder, nur noch Briten Arbeit zu geben. Da etwa jeder siebte Arbeitnehmer in Großbritannien ein Ausländer ist, birgt diese Forderung sozialen Sprengstoff in sich. In Malaysia, einem sehr multinational geprägten asiatischen Schwellenland, hat die Regierung diese Forderung bereits umgesetzt: Fabriken, Kaufhäusern und Restaurants wurde es untersagt, Ausländer einzustellen.

Derweil stellen deutsche Firmen fest, dass sie vom chinesischen 420-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket nur äußerst schwer profitieren können. Zwar darf Peking als Mitglied der WTO ausländische Produkte nicht diskriminieren, doch bereits in der Vergangenheit umging China dieses Verbot durch Zölle und bürokratische Hürden.

Während in Europa Umwelt- und Gesundheitsbestimmungen chinesischen Produkten den Marktzugang erschweren, sind es in China vor allem lange Bearbeitungszeiten. So dürfen ausländische Unternehmen nur vom Konjunkturpaket, das ganz offen mit einer „Buy-China“-Klausel ausgestattet ist, profitieren, wenn sie dafür eine Genehmigung der zuständigen Behörden erlangen. Diese prüfen sehr genau.

„Wir müssen befürchten, dass nach solchen Überlegungen in den USA und China andere Länder nachziehen und wir ein Hochschaukeln erleben, das am Ende allen schadet“, warnt der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Jürgen Hambrecht. Er weiß wovon er spricht, denn Hambrecht ist Chef des global agierenden Chemieriesen BASF. Doch das Hochschaukeln hat bereits begonnen: Die Türkei, Ägypten, Vietnam und Indonesien erheben erstmals oder erhöhen Zölle auf Stahl, Argentinien und Brasilien wollen Zusatzgebühren für insgesamt 500 Importwaren und die EU reagierte auf chinesische Quoten und Exportzölle auf 20 Rohstoffe mit Importzöllen auf Stahl aus China.      Rebecca Bellano

Foto: Britische Arbeiter zuerst? Da etwa jeder siebte Arbeiter in Großbritannien Ausländer ist, drohen soziale Unruhen.


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