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25.07.09 / Von Jahr zu Jahr moderner / Eine Vorschau auf die diesjährigen Bayreuther Festspiele

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-09 vom 25. Juli 2009

Von Jahr zu Jahr moderner
Eine Vorschau auf die diesjährigen Bayreuther Festspiele

Es gibt in diesem Jahr keine Neuinszenierung, dafür ist der Umfang des Programms gewaltig: „Der Ring des Nibelungen“, „Tristan und Isolde“, „Parsifal“, „Die Meistersinger“ kommen ab 25. Juli in Bayreuth zur Aufführung. An sieben Tagen werden die Riesenwerke Richard Wagners aufgeführt – riesenhaft im Inhalt, riesenhaft in der Musik, aber auch riesenhaft in der Länge.

Im „Ring des Nibelungen“ erlebt der Zuschauer ein Pandämonium, wie es nur noch in den Werken Shakespeares und in Faust 1 und 2 stattfindet. Drama und Musik sind absolut kongenial. Deshalb wird jede Neuinszenierung mit Spannung erwartet, vom Publikum wie von der Fachwelt, ganz besonders wenn es sich um Bayreuth handelt.

Tankred Dorst hat das Werk auf unterschiedlichen Zeitebenen inszeniert, um damit die ewige Wiederkehr des menschlichen Dramas in den Mittelpunkt zu stellen. Das gelingt ihm mit vielen aussagekräftigen Bildern: Die Elemente Erde, Wasser und Feuer, die zentralen Archetypen des Ring, sind auf der Bühne anwesend, für jeden sichtbar und fühlbar – Mythos und Wirklichkeit in steter Wechselwirkung! Und damit ist diese Inszenierung konkret und eindringlich.

Christian Thielemann steht in einer Reihe mit den großen Dirigenten der Welt, die den Ring in Bayreuth geleitet haben, mit Karajan und Solti, Knappertsbusch und Furtwängler. Bei aller Klanggewalt, manchmal Klangrausch, ist seine Interpretation differenziert und ausgewogen.

Parsifal, das transzendentale Werk Wagners, ist wohl auch das Werk mit der größten Deutungsbreite. Der Mythos vom Gral ist bis heute ein Dauerrenner in der gehobenen Unterhaltungsliteratur wie im Film. Für Wagner ist der Gral so bedeutend, dass er ihn in seiner Oper „Lohengrin“ nochmals eine wichtige Rolle spielen lässt: Lohengrin ist der Sohn Parsifals, des Gralsuchers und Finders, und Lohengrin kommt selbst aus der Gralsburg und kehrt dahin zurück.

In Bayreuth trägt der Regisseur Stefan Herheim diesem Rechnung, indem er in eine sonst geschickt verfremdete Handlung das zentrale Ereignis, das Gralsopfer Parsifals, in den sakralen Zusammenhang, sprich in einen stilisierten Dom, stellt.

Der Regisseur zieht viele Parallelen zwischen der Gralsgeschichte und der Geschichte des Hauses Wagner. Die Handlung läuft im Haus Wahnfried und in dessen Garten ab. Dazwischen werden Szenen aus der Geschichte, wie die Weltkriege und das „Dritte Reich“, gekonnt eingeblendet. Es ist eine bildmächtige Inszenierung, etwas fürs Auge, und lockert die oft statuarische Ausrichtung anderer Inszenierungen angenehm auf.

Genau das kann man Marthalers Regie in „Tristan und Isolde“ nicht nachsagen. Tristan ist ohnehin das einzige Werk des Komponisten, das man auch konzertant erleben kann. Wenn das Werk schon auf der Bayreuther Bühne aufgeführt wird, wünscht man sich, dass deren enorme Möglichkeiten auch genutzt werden. Die sterile Atmosphäre, die zwischen Krankenhauszimmer und Bahnhofswartesaal wechselt, dazu die Billigkleidung aus den 50er Jahren, sind ebenso abgestanden und ermüden wie die Personenregie der aneinander vorbeiagierenden Figuren.

Zum Ausgleich vermittelte der Gesang der Titelfiguren Robert Dean Smith und vor allem Nina Stemme die Intensität, die in der Inszenierung fehlte.

Der Inszenierung Katharina Wagners der „Meistersinger von Nürnberg“ fehlt eines sicher nicht: Ideen und Einfälle. Es passiert viel, und so wird die längste Oper überhaupt nicht langweilig.

Fazit: Bayreuth ist in der letzten Zeit von Jahr zu Jahr „moderner“ geworden, mit allen positiven und negativen Aspekten, die dieser vage Begriff einschließt. Was viele Wagnerianer besonders freut, ist, dass nach einem halben Jahrhundert großer Festspielgeschichte, gestaltet durch Wolfgang und Wieland Wagner, die Töchter Wolfgangs die Leitung übernommen haben, und damit bleiben Festspiele Bayreuth und Richard Wagner identisch.   Werner Dremel


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