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25.07.09 / In Altenburg lebt die Tradition der Spielkarten / Im östlichen Thüringen liegt die »Welthauptstadt des Skats« – 500 Jahre Tradition – Einst als »Teufels Gebetbuch« bekämpft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-09 vom 25. Juli 2009

In Altenburg lebt die Tradition der Spielkarten
Im östlichen Thüringen liegt die »Welthauptstadt des Skats« – 500 Jahre Tradition – Einst als »Teufels Gebetbuch« bekämpft

Dieses Jahr spielt Altenburg im östlichen Thüringen einen besonderen Trumpf aus: Man feiert das 500jährige Bestehen der Spielkarte. Seitdem 1813 in der Stadt zwischen Dresden, Leipzig und Gotha das Skatspiel erfunden wurde, bezeichnet man Altenburg auch als „Welthauptstadt des Skats“. Von hier aus begann der Siegeszug eines der populärsten Kartenspiele der Welt.

Auf der Burg über der Stadt sind noch bis zum 25. Oktober in der Sonderausstellung „500 Jahre Spielkarten in Altenburg“ zwei vergilbte Spielkarten hinter Panzerglas zu sehen. Die Jahreszahl 1509, gelbe und rote Herzchen in verschiedener Zahl markieren den Beginn des Kartenspiels. Der Name des Altenburger Spielkartenherstellers Hockendorf ist auf den Karten aufgedruckt. Entstanden sind sie in einer Zeit, in welcher der Buchdruck bereits erfunden war und ganz in der Nähe begann Martin Luther, das Fegefeuer und den Ablasshandel in Frage zu stellen. Das Kartenspiel, das manche auch als des „Teufels Gebetbuch“ bezeichnen, weil man damit Haus und Hof verspielen konnte, gibt es heute in vielen verschiedenen Variationen. Rommé, Doppelkopf oder das vornehme Bridge; immer werden Karten zum Spielen gebraucht. Daher können die 150 Beschäftigten in der Altenburger Spielkartenfabrik über Arbeit und Aufträge auch im Krisenjahr 2009 nicht klagen.

Als kultureller Schatz in Mitteldeutschland ist Altenburg auch jenseits aller Begeisterung für Spielkarten ein Geheimtipp. Ab 1307 residierten in der Lieblingspfalz des rotbärtigen Kaisers die Wettiner, nach denen auch die Hauptstraße des Ortes benannt ist. Spektakulär war der „Sächsische Prinzenraub“ im Jahr 1455, als Ritter Kunz von Kaufungen die Prinzen Ernst und Albrecht entführte. Ob dieses Kidnapping tatsächlich das erste geschichtlich verbriefte war, mag man anzweifeln, aber Besucher können bei den jährlich stattfindenden Prinzenraubfestspielen am Originalschauplatz alles nacherleben. Vor dem Schloss, in dem sich das Spielkartenmuseum befindet, erstreckt sich der 16 Hektar große Schlosspark, einer der schönsten Thüringens. Ein Bummel durch die im englischen Landschaftsgartenstil gehaltene Anlage führt zum Teehaus und zur Orangerie. Beide Barockbauten sind mit Millionenaufwand saniert worden und sollen  als Restaurant und Theaterspielstätte genutzt werden.

Im 1562 errichteten Rathaus von Altenburg gibt es deftige, regionale Spezialitäten wie Mutzbraten mit Sauerkraut und Brot oder Cordon bleu mit Altenburger Ziegenkäse. Dort, in der Bauernstube kann man auch ein Figurenfries des Skatmalers Otto Pech besichtigen, dem auch manche der Bilder auf dem deutschen Skatblatt zu verdanken sind. Wer durch Altenburg geht, begegnet den Spielkarten sozusagen auf Schritt und Tritt. Direkt hinter dem Rathaus bietet ein Laden mehr als 110 verschiedene Spielkarten nationaler und internationaler Hersteller an, darunter auch antiquarische Sammlerkarten. Am Brühl, dem alten Marktplatz Altenburgs, befindet sich der weltweit einzige Brunnen, der einem Kartenspiel gewidmet ist. Dort fließt das Wasser aus bronzenen Schweinsköpfen, die dem Skatspieler bei Berührung Glück bringen sollen. Dort findet jedes Jahr im Mai das Skatbrunnenfest statt, bei dem die Neuauflagen des Kartenspiels mit einem bunten Programm und Altenburger Spezialitäten gefeiert werden.

Als Höhepunkt in diesem Jubiläumsjahr gilt jedoch das „weltgrößte Skatturnier“, das Mitte Juli Skatspieler aus aller Welt versammelt hat. Gegenüber dem Spiel im Internet (etwa bei www.gameduell.de), bei dem man heutzutage auch mit realen Gegnern Skat spielen kann, bevorzugen die meisten der geschätzten 15 Millionen Skatspielern, in Deutschland das Spiel an einem realen Tisch. Da bringt das „Karten kloppen“, zumal wenn nicht nur ein ganzer Schinken, sondern einige 1000 Euro als Hauptgewinn winken, nochmal soviel Spaß.

Entstanden ist das Skatspiel übrigens als Frucht der furchtbaren napoleonischen Kriege. Umherziehende Soldaten aus Bayern brachten Anfang des 19. Jahrhunderts den vergleichsweise langweiligen „Schafskopf“ mit. Honoratioren aus Thüringen – wie der Hofadvokat Hempel, der Verleger Brockhaus, der Ratskopist Neefe oder der Kanzler von Gabelentz – ersannen an Kaminabenden bei Zigarre und Frankenwein nach und nach das saturierte System aus Reizen, Drücken und Stechen. Kosmopolitische Varianten kamen dann aus Frankreich und Italien hinzu. Streitfragen über die vielen verschiedenen Variationen des Spiels wurden daher schon früh in Altenburg besprochen und entschieden. Ab 1927 richtete man ein offizielles Deutsches Skatgericht und führte Schiedsrichterprüfungen ein. Nach einer 40jährigen Unterbrechung durch die deutsche Teilung residiert seit 1990 das Skatgericht wieder in Altenburg. Seit 2002 findet man auch die Zentrale des Skatverbandes in der Stadt, wo man bei „20“ noch lange nicht passt.            Hinrich E. Bues

Das Spielkartenmuseum Altenburg ist erreichbar unter der Adresse Schloss 2–4, 04600 Altenburg, oder Telefon (03447) 512712.


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