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25.07.09 / Wenn Marder und Co. zur Last fallen / Wildschweine, Krähen, Füchse: Stadtjäger haben viel zu tun, greifen aber eher selten zur Waffe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-09 vom 25. Juli 2009

Wenn Marder und Co. zur Last fallen
Wildschweine, Krähen, Füchse: Stadtjäger haben viel zu tun, greifen aber eher selten zur Waffe

Wenn Wildtiere sich in der Stadt niederlassen, verursachen sie mitunter Ärger: Kot, Attacken in der Brutzeit, verwüstete Autos und Gärten. In solchen Fällen hilft der Stadtjäger. Ehrenamtlich berät er Grundbesitzer und greift eher selten zur Waffe.

Wald und Flur werden traditionell bejagt, in der Stadt hingegen ruht die Jagd – so will es der Gesetzgeber. Von Menschen geschaffene Ballungsräume gelten als befriedetes Gebiet, nur haben das inzwischen auch viele Tiere mitbekommen. In fast allen Großstädten sind gerade in den waldnahen Bezirken Wildschweine ein Problem. Marder nagen auch in dichter besiedelten Straßen an Autokabeln oder veranstalten auf Dachböden Lärm, Gänse verunreinigen Seen und Gewässer, und Krähen wiederum gehen in ihrer Brutzeit schon mal zum Angriff auf Passanten über. „Viele Leute bemerken die Tiere erst, wenn sie von ihnen gestört werden, dann verlangen Anwohner von mir beispielsweise, ich solle die Krähen alle abschießen“, sagt Wolfgang Paul, ehrenamtlicher Stadtjäger in Hamburg und dort zuständig für mehrere ganz unterschiedliche Bezirke.

Der Pensionär kennt die Probleme im Umgang mit wilden Tieren. Manchmal beschäftigen ihn aber mehr die wilden Attacken auf sein Auto – von Menschenhand. Denn es gibt viele, die es nicht schätzen, wenn er der Stadtjagd nachgeht. Seit zwölf Jahren rückt er aus, wenn Grundeigentümer oder besorgte Bürger sich über die Polizei an ihn wenden. In anderen Städten sind die Wirtschaftsämter Ansprechpartner der Bürger. „Viele sehen meine Aufgaben ganz anders, wenn sie betroffen sind“, so Paul. Oft muss er allzu forschen Schießanfragen eine Absage erteilen. Schon aus technischen Gründen kann scharfe Munition in Wohnvierteln nur begrenzt eingesetzt werden. Selbst kleinkalibrige Munition reicht 1000 bis 1500 Meter weit. Schrotladungen streuen zudem – 2,5 Millimeter ist daher das maximal einsetzbare Kaliber. Eine Schießerlaubnis hat Paul zwar, doch darf er Menschen nicht gefährden. Nachts von drei Uhr bis halb fünf kann der passionierte Jäger davon Gebrauch machen. In Ballungsräumen wird mit Unterschallmunition geschossen, ständige Aus- und Fortbildungen sind Vorschrift. Zudem darf der Stadtjäger nicht von sich aus auf die Pirsch, sondern nur auf Anfrage beziehungsweise Anweisung der Behörden.

Doch die meiste Arbeit steckt ohnehin in der Beratung. Manches wie Rattenbefall liegt schlicht nicht in seinem Zuständigkeitsbereich: „Nicht mein Metier – das machen Schädlingsbekämpfer.“ Tipps gibt der zweifache Vater jedoch immer gern: „Krähen am besten mit Schirm und Stock vergrämen“, rät er, „gegen Rehverbiss im Garten hilft Schafwolle oder Flatterband.“ Doch die Krähen haben auch ihr Gutes: Sie halten die Tauben in Schach. Für Tauben sind wiederum die Veterinärämter zuständig.

Für seinen Einsatz bekommt der Stadtjäger keinen Cent. „Einmal musste ich in einem Krankenhaus Marder aus dem 5. Stock vertreiben“, sagt er belustigt, „wie die da wohl hingekommen sind?“

Bei allen Maßnahmen gilt es stets Brut- und Setzzeiten einzuhalten. Das heißt: keine Abschüsse oder Tötungen von Tieren, wenn deren Junge unterwegs sind oder aufgezogen werden. Auch nahe Kindergärten hält er sich sehr zurück: „Ich will die Freude der Kinder an den Tieren nicht verderben“, sagt der Familienvater. Was der eine oder andere Laie an Wolfgang Pauls Arbeit für grausam hält, ist auf den zweiten Blick notwendig: „Aus Tierschutzgründen stelle ich beispielsweise keine Lebendfallen auf – die Leute vor Ort schauen trotz ihrer Zusagen selten nach, und das Tier verendet dann qualvoll“, so Paul. Wer mit einem Stadtjäger spricht, erfährt viel über die Tiere – dass die so niedlichen Eichhörnchen für die Gelege von Singvögeln genauso gefährlich sind wie die oft geschmähten Elstern, wollen viele Menschen nicht so gern wahrhaben. „Doch meist sind die Leute ganz vernünftig, wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt“, so Wolfgang Paul. Dazu hat er reichlich Gelegenheit: „Manchmal müssen bastardisierte Enten rausgenommen werden“ – diese Mischlinge aus den größeren, von Menschen gezüchteten Hausenten und den wilden Stockenten bedrohen den Fortbestand der frei lebenden Art. Auch der viele Gänsekot, der Gewässer und Ufer schädigt, beschäftigt den Stadtjäger. Vor jedem Einsatz muss er sich bei der nächstgelegenen Polizeiwache melden. Wegen Ver-kehrsunfällen mit Wild wird er auch mal nachts aus dem Bett geklingelt. Eine Arbeit im Verborgenen führt ein Stadtjäger trotzdem nicht – oft hat Paul Ortstermine, schaut sich Löcher im Rasen an oder Verbiss an Pflanzen. Dennoch wissen nur wenige, wo er überall zum Einsatz gerufen wird. Sogar Bahnfahrten sind dank Stadtjägern sicherer: „Würde man die Karnickel am Bahndamm ihre bis zu einem Meter großen Burgen graben lassen, würde das den Bahnverkehr  gefährden“, so Paul. Fünf Jahre wird er sein Ehrenamt noch ausfüllen, „dann ist wohl aus Altersgründen Schluss“.          Sverre Gutschmidt

Foto: Schnell weg: Nicht immer werden die Enten und Gänse gern gesehen. Ihr Geschnatter nervt so manchen Stadtbewohner, und ihr Kot verunreinigt die Gewässer.  


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