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01.08.09 / Auf Wiedersehen Deutschland / 2008 zogen mehr Menschen fort als zu, einige kommen wieder, doch die Besten bleiben häufig in der Ferne

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Auf Wiedersehen Deutschland
2008 zogen mehr Menschen fort als zu, einige kommen wieder, doch die Besten bleiben häufig in der Ferne

Deutschland scheint vom Einwanderungsland zum Auswanderungsland geworden zu sein. Doch was treibt die Menschen fort?

„Immer dieser zermürbende Schichtdienst und das bei mittelmäßiger Bezahlung. Auf Dauer konnte ich mir das einfach nicht vorstellen.“ Robert sitzt in seinem Büro im englischen York und fasst minutiös die Ergebnisse medizinischer Forschungsergebnisse zusammen. Der 31jährige Arzt ist die Personifizierung jener Ängste, die die aktuellen Auswandererzahlen des Statistischen Bundesamtes bei manchen auslösen können: Deutschland verliert seine bestausgebildeten Leute.

Und tatsächlich sind die Zahlen der Behörde dazu angetan, die Zukunft Deutschlands noch kritischer zu betrachten, als es anhand der demographischen Entwicklung und eines riesigen Schuldenberges bereits der Fall ist. Zwar weisen die Statistiker darauf hin, dass aufgrund der Bereinigung der Datenbestände wegen der Einführung der persönlichen Identifikationsnummer einige Unregelmäßigkeiten im Vergleich zum Vorjahr aufgetreten sind. In der Bilanz ist trotzdem ein klarer Trend erkennbar: Während 2008 738000 Personen aus Deutschland fortzogen, wanderten nur 682000 Menschen nach Deutschland ein. Berücksichtigt man nur die Fort- und Zugänge der Personen mit deutschem Pass, so ergibt sich ein Negativsaldo von 66000. Deutschland verliert also Deutsche, während gleichzeitig weniger Ausländer ins Land kommen.

Hatten sich vor wenigen Jahren noch Politiker und Medien darüber gestritten, ob Deutschland ein Zuwanderungsland sei, wurde es allmählich zum Auswanderungsland. Bereits seit Jahren bietet die Bundesregierung Ausreisewilligen Informationen an. Auch empfiehlt sie ihnen, das Raphaels-Werk zu konsultieren. Diese 1871 als „Verein zum Schutze Katholischer Auswanderer“ gegründete kirchliche Institution sollte die vielen Menschen, die aus Not Deutschland verließen, mit Rat und Tat zur Seite stehen und sie vor rücksichtslosen Agenten schützen. Im 19. Jahrhundert verließen jährlich bis zu 250000 Menschen das Deutsche Reich, um in die USA und nach Kanada, aber auch nach Südamerika und Australien auszuwandern.

Auch heute noch sind die USA beliebtes Ziel der Menschen, die Deutschland verlassen. 2008 zog es 15500 deutsche Auswanderer über den Ozean in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nur die Schweiz lockt mehr Deutsche an, gefolgt von Polen und Österreich.

„Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes überraschen mich nicht. Die Tendenz ist seit Jahren da und sie wird immer intensiver“, kommentiert Christina Busch vom Raphaels-Werk in Berlin die Zahlen aus Wiesbaden aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen der letzten Jahre. Sachlich führt sie die Gründe an, die Menschen dazu bewegen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Viele hofften, im Ausland eine bessere berufliche Perspektive zu haben. Doch bei ihr sind es nicht nur Studenten und Jungakademiker, die um Rat fragen, sondern auch viele Langzeitarbeitslose, die seit vier oder fünf Jahren vergeblich in Deutschland eine Festanstellung suchten und nun vor allem im deutschsprachigen Ausland auf eine Chance setzten. Hinzu kämen Personen, die einfach eine berufliche Veränderung anstrebten oder von ihrer Firma ins Ausland entsendet würden. Vor allem in Polen seien beispielsweise deutsche Spätaussiedler besonders begehrt, da sie mir ihren deutschen wie russischen Sprachkenntnissen ideal als Brücke der Firmen zwischen Ost und West agieren könnten.

Aber auch aus privaten Gründen zöge es viele über die deutschen Grenzen. Binationale Ehen und Partnerschaften, aber auch Familiennachzug seien hier anzuführen, genauso wie der Wunsch von Ruheständlern, ihren Lebensabend im Ausland zu verbringen. Doch „bekanntermaßen ist das Paradies auf Erden nicht zu finden“, so Christina Busch, und so berate das Raphaels-Werk auch Rückkehrer. Zwei von drei Anfragen dieser Gruppe beträfen Personen, die aus Spanien zurück nach Deutschland wollten. In Spanien sei die Weltwirtschaftskrise deutlich schneller auf dem Arbeitsmarkt angekommen als in anderen Ländern, so dass von dort bereits die ersten zurückkommen. Inwieweit das auch noch die in andere Länder Ausgewanderten beträfe, müsse im Laufe der nächsten Monate näher beobachtet werden.

Doch trotz der äußerst verschiedenen Motive bleibt der Trend erkennbar, dass vor allem junge und gut ausgebildete Leute Deutschland verlassen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass infolge der Globalisierung vor allem Unternehmen des Exportweltmeisters Deutschland Personal ins Ausland entsenden, so wagen auch viele selbständig ihr Glück im Ausland. Vor allem Ärzte und Banker galten in den letzten Jahren als besonders auswanderungswillig. Aber auch Naturwissenschaftler würde es in Länder mit besseren Forschungsbedingungen und vor allem Gehältern ziehen. Zwar gibt es in keinem anderen Land ein so gutes soziales Netz wie in Deutschland, doch das hält eher die Leistungsunwilligen und -unfähigen beziehungsweise zieht sie an. Die Leistungsfähigen, die das soziale Netz ja finanzieren müssen, schreckt es eher ab, dass ihr Gehalt inklusive Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen zu fast 70 Prozent vom Staat vereinnahmt wird.  Rebecca Bellano

Foto: Ab nach Polen? Im Jahr 2008 zog es 13711 aus Deutschland in das Nachbarland. Es liegt damit auf Platz 3 der Auswandererziele.


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