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01.08.09 / Die Vergessenen von Gaza / Erschütternder Bericht des Roten Kreuzes – Israelische Soldaten bekennen Untaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Die Vergessenen von Gaza
Erschütternder Bericht des Roten Kreuzes – Israelische Soldaten bekennen Untaten

Der Gaza-Krieg zu Jahresbeginn stand kurze Zeit im Mittelpunkt des Weltinter-esses. Auch unmittelbar danach war noch für Aufmerksamkeit gesorgt, denn wer konnte, flog nach Gaza, um vor Kameras die zum allergrößten Teil zivilen Opfer zu beklagen. Im März folgte eine „Geber-Konferenz“ – und dann war Pause.

In den letzten Wochen kamen nun doch wieder bemerkenswerte Meldungen: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) veröffentlichte einen drastischen Bericht über die Lage in Gaza, und israelische Soldaten bekannten Taten, die man überall sonst als Kriegsverbrechen anprangern würde. Und einige Aufregung gab es auch um das Bundesverdienstkreuz für die Menschenrechts-Aktivistin Felicia Langer.

Der Gaza-Bericht des Roten Kreuzes (Dokument T2009.54/ 750, im Internet abrufbar) befasst sich mit den Folgen der Kriegsschäden und der bereits seit Mitte 2007 bestehenden israelischen Blockade des 360 Quadratmeter großen Gebiets. Eingegangen wird auf die humanitäre Lage, aber ebenso auf die Wirtschaftsprobleme, die auf Ernährung und Gesundheit der 1,5 Millionen Bewohner zurückwirken.

Die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend: Einrichtungen wurden zerstört oder beschädigt, Geräte werden durch häufige Stromausfälle unbrauchbar, Ersatzteile fehlen und Mangel herrscht selbst bei Medikamenten. Die Ausreise von Schwerkranken, die nicht in Gaza behandelt werden können, wird durch bürokratische Hürden lange – oft zu lange – verzögert, Intensivpatienten, die mit Ambulanzen zum Übergang Erez gefahren werden, müssen über den Grenzstreifen getragen werden, und Personen, die noch gehfähig sind, werden stundenlangen Verhören unterzogen.

Das IKRK weist zudem auf die weitverbreitete Traumatisierung hin, vor allem bei Kindern, denn fast jeder hat Verwandte oder Bekannte, die getötet, verwundet oder sonstwie geschädigt wurden. Dazu kommt der „Lagerkoller“ in dem – wie es der israelische Publizist Tom Segev nannte – „größten Gefängnis der Welt“

Die Wasserversorgung ist durch Zerstörungen, Ersatzteilmangel und Stromausfälle schwer beeinträchtigt. Abwässer fließen ins Meer oder sickern ins Grundwasser. Zehntausende obdachlos Gewordene müssen auf unabsehbare Zeit in Zelten oder zusammengepfercht bei Verwandten hausen, weil Israel auch die Lieferung von Baumaterial verbietet. Die von Geberländern zugesagten 4,5 Milliarden Dollar bleiben daher weitgehend ungenutzt.

Die Einfuhr von Versorgungsgütern beträgt heute nur ein Fünftel dessen, was vor der Blockade üblich war. Verboten ist unter anderem die Einfuhr von Glühbirnen, Kerzen, Streichhölzern, Kleidung, Decken und Schulbüchern. An Nahrungsmitteln darf gerade so viel passieren, dass der Mindestkalorienbedarf gedeckt ist – weshalb viele nur noch von Kohlehydraten leben. Die Folge sind Mangelkrankheiten, und bei Kindern drohen Langzeitschäden.

Die systematische Zerstörung von Industriebetrieben sowie Ersatzteil- und Treibstoffmangel haben das Wirtschaftsleben lahm gelegt. Selbst die Landwirtschaft, in der ein Viertel der Bevölkerung tätig war, ist arg beeinträchtigt: Ein Drittel der Flächen wurden von Israel zum Sperrgebiet erklärt, und weitere Flächen sind von Panzern verwüstet oder mit Blindgängern übersät. Glashäuser wurden zerstört und unzählige Olivenbäume, Dattelpalmen und Zitrusbäume ausgerissen. Und die Fischer, die früher einen großen Teil des Proteinbedarfs lieferten, sind wegen der Seeblockade zur Untätigkeit verdammt.

Die israelische Organisation „Breaking the Silence“ – „das Schweigen brechen“ – hat mit ihrer Veröffentlichung der Aussagen von 54 Kriegsteilnehmern bestätigt, dass die in Eigenbezeichnung „moralischste und humanste Armee der Welt“ nicht nur militärisch völlig sinnlose Zerstörungen angerichtet, sondern Soldaten auch zu offensichtlichen Verbrechen an der Zivilbevölkerung aufgerufen hat. Aber so wie vergessen ist, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag vor genau fünf Jahren die Zerstückelung des Westjordanlands durch Kontrollpunkte und den Bau des Sperrzauns als eklatanten Bruch des Völkerrechts eingestuft hat, wird die Welt wohl auch diesmal bald wieder zur Tagesordnung übergehen.             R. G. Kerschhofer


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