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01.08.09 / Die Gefahr lauert im Kleingedruckten / Immer mehr Städte und Gemeinden kooperieren mit der Privatwirtschaft − unerwartete Folgekosten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-09 vom 01. August 2009

Die Gefahr lauert im Kleingedruckten
Immer mehr Städte und Gemeinden kooperieren mit der Privatwirtschaft − unerwartete Folgekosten

Angesichts der Wirtschaftskrise verschulden sich Bund, Länder und Kommunen derzeit mit rasanter Geschwindigkeit. Viele verkaufen daher kommunales Eigentum oder gehen Öffentlich-Private Partnerschaften ein.

Schnell und effizient sollen die Gelder unter anderem aus dem Konjunkturpaket II eingesetzt werden. Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP, Englisch PPP für Public Private Partnership) heißt die Zauberformel, nach der zu diesem und anderen Zwecken staatliche Einrichtungen und Wirtschaft meist langfristig zusammenarbeiten. Verfahren von Genehmigung bis Auftragsvergabe werden so beschleunigt. Private Unternehmer finanzieren staatliche Aufgaben im Idealfall mit. Hoheitliches Handeln verwandelt sich so in wirtschaftliches. Der Preis solcher als unbürokratisch angepriesenen Lösungen offenbart sich meist erst später.

Aktuell leiden beispielsweise viele Städte und Kommunen unter den Folgen des in den letzten Jahren so hochgepriesenen „Cross-Border-Leasings“. So verkauften weit über 100 deutsche Kommunen von Müllentsorgung bis Wasserversorgung ganze Systeme an private US-Investoren. Dies sollte Geld in die Gemeindekassen spülen. Die Rechnung ging jedoch nicht auf: Der Ruhrverband beispielsweise verkaufte 2001 in einem komplexen Vertragswerk Kläranlagen an US-Firmen. Seit der Wirtschaftskrise taten sich jedoch Mehrkosten in Höhe 4,5 Millionen Euro auf.

Dresden entledigte sich 2006 gleich aller öffentlichen Wohnungen. Der Handel mit dem US-Investor Fortress machte die Stadt quasi über Nacht „schuldenfrei“ – rund 1,7 Milliarden Euro Einnahmen für die Elbstadt. Die Kehrseite: Mieten steigen, eine Regulierung des Wohnungsmarktes gibt es nicht mehr. Die Kosten daraus fallen auf die Stadt zurück. Zirka 40 Prozent der deutschen Kommunen planen, sich wie Dresden auf diesem Sektor zu sanieren. Zwischen 1997 und 2007 wurden zirka 700000 Wohnungen aus der öffentlichen Hand privatisiert. Es sind enorme langfristige Einnahmen, die wegen solcher Geschäfte allerorten der öffentlichen Hand entgehen. Oftmals bestehen die Verträge mit den rechtlich bestens gewappneten privaten Investoren aus Hunderten von Seiten Regelwerk. Kaum ein leitender kommunaler Verantwortungsträger überblickt die scheinbaren Schnäppchenverträge. Die Folgen darin versteckter Haftungsklauseln können für den einstigen öffentlichen Eigner verheerend sein.

Um dem allgemeinen Negativ-Bild entgegenzuwirken, hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eigens eine „ÖPP Deutschland AG“ ins Leben gerufen. Sie soll „das Potenzial stärker ausschöpfen, neue Projekte anschieben“, heißt es im Internetauftritt der Behörde. Konkret geht es derzeit um „Umstrukturierung und Erweiterung bestehender Krankenhaus-standorte“. Ein Leitfaden für das „Forschungsprojekt“, aus öffentlichen Geldern finanziert, ermöglicht Unternehmern, sich als künftige Geschäftspartner der öffentlichen Hand zu präsentieren. Offiziell richtet sich der Leitfaden an „Entscheidungsträger in Krankenhäusern“. Doch die sind oft leitende öffentliche Angestellte. In Hamburg wurde eine vollständige Privatisierung des einst landeseigenen Krankenhausbetriebs schon vorher durchgeführt – Extrembeispiel einer ÖPP. Die angestrebte Effizienzsteigerung brachte dort zuerst Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst, dann niedrigere Löhne beim nun privatwirtschaftlichen Personal. Andererseits wurden schnell moderne Krankenhäuser gebaut. Unter Landesregie wäre dies kaum finanzierbar, geschweige denn zeitlich rasch umsetzbar gewesen. Aber Patienten und Verbraucherschützer klagen über die Folgen. Grundsätzlich droht bei vollständiger Abgabe staatlicher Aufgaben an Private auch immer eine Abschiebung von Kosten und somit Lasten. Denn mit den im Leitfaden angeregten Einsparungen durch Zusammenlegung von Gebäuden, Energie und effizienterer Nutzung der Ressourcen ist nicht automatisch die Gewinnzone erreicht. Wenn Krankenhäuser als reine Gewinnbetriebe  ausgerichtet werden, kann der kostenintensive Patient oder chronisch Kranke nur auf der Strecke bleiben.

Auf der Strecke – zumindest länger – bleiben Autos dank ÖPP auf der Autobahn Hamburg−Bremen. Der Bund baut aus, oder besser, lässt bauen. Bilfinger und Berger, zweitgrößter Baukonzern Deutschlands und an obigem Leitfaden beteiligt, erhielt den Zuschlag. 650 Millionen Euro würden investiert, so der Konzern – ein Großprojekt in Sachen ÖPP. Denn nicht nur die Summe ist groß, auch die Nutzung ändert sich. Eine Projektgesellschaft wird die Autobahn nach Ausbau 30 Jahr betreiben und kassiert dafür einen Teil der Lkw-Maut. Auch hier also zieht sich der Staat aus der Verantwortung zurück. In Stuttgart setzt das partnerschaftlich zwischen Bund, Bahn und Baden-Württemberg geplante „Projekt Stuttgart 21“ Maßstäbe für ÖPP. Alte Bahnhöfe und Trassen verlegen oder umgestalten, neues Bauland schaffen, urbane Zentren beleben, das wollen auch München und Frankfurt. Sie bringen vergleichbare Pläne mit der inzwischen als AG geführten Deutschen Bahn aufs Gleis. Neben solchen Kooperationen mit einem Drang zur Größe delegieren Kommunen auch gern lokale Aufgaben. In Berlin gewannen jüngst drei Projekte bei einem Wettbewerb Zuschüsse der Stadt: „Designbewegung Boxhagener Platz“, „Mobiles Kinderparadies Wilmersdorfer Straße“ und „Schillermarkt – Markt der Vielfalt“ – sie werden mit öffentlicher Teilfinanzierung privat realisiert. Hier könnte tatsächlich etwas geschaffen werden, was die Stadt ohne fremdes Engagement nicht anpacken würden. Der Unterschied in diesem lokalen Fall ist jedoch der Einsatz der Anwohner. Fazit: Nicht jede ÖPP muss zur Katastrophe werden. Korruption und Übervorteilung drohen erfahrungsgemäß dort, wo mit schnell und gewinnmaximiert denkenden privaten Akteuren Geschäfte gemacht werden.         S. Gutschmidt

Foto: Privatisierung von Krankenhäusern: Erhoffte „Effizienzsteigerung“ geht häufig mit niedrigeren Löhnen und Entlassungen einher.


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