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08.08.09 / Zwischen Pannen und Verzweiflung / Der SPD will im Wahlkampf nichts gelingen – Eingeklemmt zwischen Linkspartei und halblinker CDU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Zwischen Pannen und Verzweiflung
Der SPD will im Wahlkampf nichts gelingen – Eingeklemmt zwischen Linkspartei und halblinker CDU

Mit einer außergewöhnlichen Pechsträhne hat der Wahlkampf der SPD begonnen, nun sind die Umfragen niederschmetternd.  Dennoch ist bislang öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen an Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ausgeblieben.

Frank Walter Steinmeier ist derzeit nicht zu beneiden. Die meisten Umfragen sehen eine absolute Mehrheit für Schwarz-Gelb. In der „K-Frage“ steigert Kanzlerin Merkel ihre Traumwerte noch einmal um drei Punkte auf 62 Prozent, Steinmeier ist in seinem Sinkflug bei 25 Prozent angelangt.

Das sind alarmierende Zahlen für die SPD, die eine Aufholjagd wie 2005 als Wunschtraum erscheinen lassen. Beschwörende Appelle in diese Richtung von Parteichef Müntefering und Kandidat Steinmeier wirken wie Selbsthypnose.

Nun ist Mitleid bei Wählern und Medien keine Haltung, über die sich ein Kanzlerkandidat freuen kann. Die CDU und ihre Kanzlerin strafen Steinmeier und seine unbeholfene Kampagne mit Missachtung und regieren einfach weiter, fast so, als gäbe es in sieben Wochen gar keine Wahl.

Die Probleme des SPD-Wahlkampfes sind vielfältig. Die sichtbare Malaise des Kandidaten ist vor allem eine Konsequenz aus dem Zustand der Partei und äußeren Umständen, so dass bisher auch kaum Kritik am Kandidaten aus den eigenen Reihen zu vernehmen war – ungewöhnlich für die deutsche Sozialdemokratie.

Da ist zum einen die übermächtige Kanzlerin, gegen die es schwer ist, Stimmung und Wahlkampf zu machen. Ihre Umfragewerte werden immer besser. Die Deutschen mögen sie, vielleicht nicht einmal trotz, sondern sogar  wegen ihres inhaltlich so schwachen Profils. In diesem mangels echter Alternativen recht nichtssagenden Wahlkampf findet die Personalisierung gerade dort statt, wo sie der SPD schadet: in der

„K-Frage“. Da ist das Image-Dilemma der Sozialdemokraten mit ihrem Kandidaten, der zwar gelegentlich vor Arbeitern den hemdsärmeligen „Krawall-Schröder“ imitiert wie bei seinem Auftritt vor der Opel-Belegschaft. Doch kaufen das dem braven Beamten nur wenige ab.

Nun hat die Bundeskanzlerin in ihrem Leben auch nicht viel früher parteipolitischen Stallgeruch angenommen als Steinmeier. Doch sie beherrscht die Klaviatur der Macht und den Apparat der Partei perfekt, während Steinmeier immer noch einen Parteivorsitzenden neben oder über sich weiß – das alte Dilemma der SPD. Und Steinmeier unterlaufen zudem handwerkliche Fehler, wenn er etwa Ulla Schmidt aus seinem Kompetenzteam fernhält, bis „die Vorwürfe geklärt“ sind, statt beispielsweise nur von „offenen Fragen“ zu sprechen. So hat er die für ihn überaus ärgerliche Affäre selber „größergeredet“.

Während Merkel die Pflege des Beziehungsgeflechts in die Partei hinein bei ihrem Entdecker Helmut Kohl in Vollendung studieren durfte, konnte Steinmeier bei seinem Mentor Schröder eher die Kunst der auf die eigene Person zugeschnittenen Selbstdarstellung lernen. Und das reicht nicht aus, wenn die im Wahlkampf darzustellende Person als Typ nicht wirklich authentisch wirkt.

Doch der Kanzlerkandidat wirkt allzu oft wie ein wandelnder Aktenordner auf zwei Beinen, weswegen die Übertragung des Schröderschen Erfolgsrezeptes auf Steinmeier einfach nicht funktionieren will.

Nun darf die Malaise des SPD-Wahlkampfes aber auch nicht allein dem Kandidaten angekreidet werden. Steinmeier kandidiert für eine Partei, die mehrere Flügel hat und einen deutlichen Hang zur Selbstzerfleischung.

Der linke und der pragmatische Parteiflügel (die „Seeheimer“) beäugen einander misstrauisch bis feindselig. Die Aussagen aus dem anderen Parteilager werden seismographisch genau wahrgenommen, oft genauer als die Thesen der Gegner. Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel und Generalsekretär Hubertus Heil sind sich in herzlicher Abneigung verbunden. An der Parteispitze ergänzen sich ein alternder Parteichef im dritten Frühling sowie ein Kandidat ohne Charisma und politischen Instinkt zu einem für die SPD im Herbst wohl letalen Führungsduo.

Daran kann auch das jüngst vorgestellte „Schattenkabinett“ nichts ändern. Diese Ansammlung an Oldies und Nobodies erntete selbst in der Sozialdemokratie wohlgesonnenen Blättern ein verheerendes Echo. Um bei der Bundestagswahl überhaupt noch Chancen zu haben, müsste die SPD massiv Wähler mobilisieren. Doch das wird mit diesem SPD-Wahlkampfteam nicht klappen: Harald… wer? Karin… wer? Dagmar… wer? „Who is who?“ in der SPD fragen hier selbst Insider der Berliner Szene. Das „Schattenkabinett“, das die SPD sicherheitshalber gar nicht erst so nannte, spiegelt auch in der Einschätzung SPD-naher Medien den Zustand der Partei wider. Welche Kriterien diesem „Casting“ zugrundelagen, erschließt sich nicht so schnell. Mit dieser Mannschaft jedenfalls, so der Tenor, wird Steinmeier die Festung Merkel kaum sturmreif schießen können.

Die SPD hinterlässt nach elf Jahren an der Macht aber nicht nur den Eindruck einer personell ausgelaugten Truppe. Die Partei ist strategisch eingeklemmt zwischen der von einem früheren SPD-Chef geführten „Linken“ und einer CDU, die mit populärerem Personal faktisch sozialdemokratische Politik macht.

Eine tückische Klippe muss allerdings auch der so glatt laufende Wahlkampf der CDU vor dem 27. September noch umschiffen: Am 30. August sind drei Landtagswahlen mit äußerst unsicherem Ausgang im Saarland, in Sachsen und Thüringen, die ein erhebliches Risiko für die Kanzlerin bergen. Sollte die CDU-Regierung von Peter Müller im Saarland fallen und die Partei in den Freistaaten Mitteldeutschlands einbrechen und sich dort rot-rote Mehrheiten anbahnen, dann könnte die Kanzlerin Probleme bekommen. Sicher kann die SPD aber auch darauf nicht zählen: Möglich ist auch, dass sie dort zwar (zusammen mit der Linken) passabel abschneidet, aber dann eine scharfe Diskussion über ihr Verhältnis zur Linkspartei auf Bundesebene am Hals hat.       Jürgen Henkel

Foto: Geduldeter Kandidat: Frank-Walter Steinmeier löst selbst in seiner eigenen Partei keine Euphorie aus.


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