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08.08.09 / Ein Traum für Geheimdienste / Streit um Schutz für EU-Bankkundendaten: Bleibt es beim kaum begrenzten Zugriff für die USA?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Ein Traum für Geheimdienste
Streit um Schutz für EU-Bankkundendaten: Bleibt es beim kaum begrenzten Zugriff für die USA?

Europäische Bankkundendaten lagern seit Jahren in den USA. Diese Auslagerung mag viele Europäer wundern. Was kaum einer von ihnen weiß: Seit den Anschlägen 2001 machen US-Behörden ohne rechtliche Grundlage Gebrauch von den Bank- und Zahlungsinformationen. Ihr Argument: der Kampf gegen den Terror.

Um vor generellen und daher datenschutzrechtlich bedenklichen US-Zugriffen sicher zu sein, will die EU die Daten und deren elektronische Speicher in die Schweiz verlagern. Soweit besteht in Brüssel Konsens. Die Europäer reklamieren ihre Rechte auf ihre Daten. Allerdings soll nun doch irgendwie alles beim Alten bleiben, die USA könnten dann weiter theoretisch jedem EU-Bürger auf den Kontostand blicken. Am 27. Juli beschlossen die Außenminister der EU, von sich aus den USA das Material zu liefern. Deutsche Politiker haben die brisante Datenschutzfrage daher für ihren Wahlkampf entdeckt. Sie machen der EU-Kommission Vorwürfe. Denn die soll nach einstimmigem Beschluss der EU-Außenminister die Verhandlungen mit den Amerikanern führen, mit dem Ziel: Die USA bekommen weiter Zugriff. Die Kommission wiederum sieht sich übergangen. Wer letztlich warum entscheidet und welchen Druck die USA auf Europa ausüben, bleibt den EU-Bürgern weitgehend verborgen.

Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication, kurz Swift, verbindet seit 1973 weltweit Banken, die untereinander per Telekommunikation Geld transferieren. Allein 2005 verschob diese Art Genossenschaft 4,8 Billionen Euro um den Globus. Millionen einzelner Nachrichten versendet Swift täglich. Kunden sind Wertpapierhändler, Börsen, Finanzinstitute und natürlich Banken, somit letztlich jeder Bürger, der Kontodaten für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr preisgibt. Dass es sich beim Bezahlen beispielsweise eines Kleidungsstückes im Ausland um eine Preisgabe eigener Daten handeln kann, ist vielen EU-Bürgern unbekannt. Im Juni 2006 kam das Ausspähen seitens der US-Dienste dank der Zeitung „New York Times“ zum ersten Mal an die Öffentlichkeit.

Der Skandal: Bis dahin werteten die Amerikaner schon Millionen von Datensätzen ohne Wissen der Betroffenen aus.

Wie der neue Einblick der US-Behörden jetzt geregelt wird, bleibt Anlass zu vielfältigen Spekulationen. Swift hält sich auffallend zurück: „Wir kennen die Details des Mandates nicht und wissen nicht, wie die Zukunft aussieht“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Mit Mandat ist die Datenweitergabe gemeint – „eine politische Entscheidung“ so die Swift-Dienstleister. Den Umzug in die Schweiz lässt Swift unkommentiert. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hält sich bedeckt. Bereits 2006 erklärte EZB-Chef Jean-Claude Trichet dem EU-Parlament, seine Behörde sei nicht zuständig. Die Beteuerung der US-Dienste, die Daten nur zur Terror-Abwehr zu nutzen, reichte bislang auch dem Swift-Überwachungsausschuss. Ein provisorisches Abkommen erlaubt den USA seit 2007 den Zugriff. Das an sich sei schon verfassungswidrig, klagen jetzt deutsche Datenschützer. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie dieser Vertrag aussehen müsste, damit er verfassungsgemäß wäre“, sagt Thilo Weichert, Jurist und schleswig-holsteinischer Datenschutzbeauftragter. Eine Laufzeit von „ein paar Monaten“ und danach ein endgültiges Abkommen, das ist es, was sich die EU-Kommission derzeit aus den Verhandlungen mit Wa-shington erhofft. Wenn denn der EU-Reformvertrag in Kraft und das EU-Parlament dadurch entsprechend gestärkt ist, soll es zur endgültigen Regelung auch befragt werden, so der Vizepräsident der Europäischen Kommission und EU-Kommissar für Justiz, Jaques Barrot (72). Der französische Politiker kündigt gar einen „gegenseitigen Austausch“ an – ein Ablenkunsgmanöver. Denn auf Wünsche der Europäer auf gleichberechtigten Zugang zu US-Daten reagierte Washington bisher nicht gerade freigiebig.

 Laut Barrot solle derzeit mit den Verhandlungen sichergestellt werden, dass Washington seine Untersuchungen in europäischen Daten nicht abbrechen müsse. Mit Anti-Terrorkampf ist so viel Fürsorge kaum zu erklären – mit erheblichem Druck aus Washington hinter den Kulissen schon eher. Dass der Blick auf die Daten auch der US-Wirtschaftsspionage neue Horizonte erschließen kann, liegt auf der Hand. Indizien dafür wollen die zuständigen Stellen in Brüssel bislang nicht entdeckt haben. Möglicherweise sind jedoch nicht so sehr Europäer das Ziel. Washington bietet sich dank Swift die Chance, die eigene US-Wirtschaft zu überwachen. Swift verzeichnet nämlich lückenlos US-Überweisungen an Europäer oder deren Banken. Die wiederum dienen mitunter zur Abwicklung von Geschäften, die Wa-shington seinen Landsleuten nicht erlaubt, Geschäfte mit dem Iran beispielsweise.

Auch Wirtschaftssanktionen der Europäer gegen solche missliebigen Staaten können die USA hinsichtlich ihrer Wirkung dank Swift überwachen. So maßregelten die USA seit 2007 Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich, die Niederlande, Schweden und Großbritannien für die Zusammenarbeit von Firmen dieser Länder mit Staaten, die Amerika zu seinen Gegenspielern zählt. Europäische Bankdaten als bequeme Informations- und Überwachungsquelle will Wa-shington sich nicht ohne Not nehmen lassen. Die EU rechnet, Diplomaten zufolge, mit einem so starken US-Interesse, dass Washington bereit sein werde, Datenschutzbestimmungen zu übernehmen. Ein Rechtsschutz soll gewährt und die Speicherdauer der übernommenen Daten bei den Amerikanern eingeschränkt werden. Unklar bleibt, ob Kunden über diese Zugriffe der USA informiert werden. Sverre Gutschmidt

Foto: Bei EU-Auslandsüberweisungen notwendig: Die Angabe des Swift-Codes (Bildmitte)


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