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08.08.09 / Samland ist Glücksspielzone / Seit Juli ist das neue Reglement in Kraft – In der Praxis halten sich die Folgen in Grenzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Samland ist Glücksspielzone
Seit Juli ist das neue Reglement in Kraft – In der Praxis halten sich die Folgen in Grenzen

Ähnlich wie Michail Gorbatschow einst den Wodka bekämpfen wollte, ziehen Wladimir Putin und Dmitrij Medwedew gegen die Spielhallen zu Felde. Seit dem 1. Juli ist das Glücksspiel nur noch in vier Sonderzonen der Russischen Föderation erlaubt, darunter das Königsberger Gebiet. Doch das frische Verbot wird bereits munter umgangen.

Der Beschluss, in Russland ein Gesetz „Über die staatliche Regulierung der Organisation und der Durchführung von Glücksspielen“ zu erlassen, wurde schon 2006 gefasst. Demzufolge sollen alle Glücks­spieleinrichtungen und Säle mit Automaten in spezielle Zonen ausgelagert werden. Ein Projektentwurf, der die Zustimmung der Politiker fand, sieht die Gründung von vier „Spielzonen“ vor, in denen Kasinos und Spielhallen weitergeführt werden dürfen. Am 1. Juli ist die Frist für die Schließung aller bisherigen Glücksspieleinrichtungen abgelaufen. Alle Kasinos mussten in die speziellen Spielzonen umziehen oder schließen.

Eine dieser Spielzonen soll am Ostseeufer an einem Ort nahe Kirpehnen (Powarowka) bei Palmnicken (Jantarnyj) in Ostpreußen entstehen. Nach ersten Planungen wird die Zone auf einem 11,7 Quadratkilometer großen Gelände entstehen. Sie wird in zwei Sektoren aufgeteilt: in eine Erholungszone ohne Spieleinrichtungen mit Hotels und in eine reine Spielzone. Dort könnten zirka 20000 Spiel­automaten und 800 Spieltische aufgestellt werden.

Das Thema erregt seit drei Jahren die Gemüter, die öffentliche Meinung ist geteilt. Während es eine starke Bewegung in der Region gegen die Spielzone gab, haben die Regionalpolitiker mit allen Mitteln versucht, die Bewohner des Samlandes von deren wirtschaftlichen Vorteilen für die Entwicklung der Region zu überzeugen.

Indessen beeilt sich niemand, in einer fast leeren Gegend etwas aufzubauen. Die Kosten für neue Spieleinrichtungen sind hoch, und ob die Ausgaben in absehbarer Zeit wieder hereinkommen, steht in den Sternen. Vor dem 1. Juli sahen die Kasinobetreiber in den Städten jedenfalls keine Veranlassung, ihre Geschäfte zu schließen, zumal es noch keinen Ort gibt, an den sie ziehen könnten. Die Geschäftsinhaber warteten vielmehr lange darauf, dass die Frist verschoben würde. Doch schon am 6. Mai erklärte der Präsident das Datum 1. Juli für endgültig.

Weder im Königsberger Gebiet noch in den drei anderen vorgesehenen Regionen für staatlich autorisierte Spielzonen haben bislang Bauarbeiten für Erholungs- und Spielzonen begonnen. Im Königsberger Gebiet beispielsweise wurde erst vor kurzem das erste Grundstück für den Bau von Spielhallen zum Kauf ausgeschrieben. Und dies erst, nachdem die Regierung wegen der Finanzkrise die Bestimmungen für die Veräußerung der Grundstücke geändert hatte. Statt einen Unternehmer auszuwählen, der für das Gesamtprojekt und die Erstellung einer Infrastruktur die Verantwortung übernimmt, entschieden die Politiker, die Grundstücke für die geplante Spielzone an jeden zu verkaufen, der Interesse zeigte.

Vermutlich wird das Projekt frühestens in zehn Jahren verwirklicht. Der Region drohen hohe Einnahmeverluste durch den Wegfall von Steuern aus dem Glücksspielgeschäft. Schon in diesem Jahr ist mit Steuerausfällen von 120 Millionen Rubel (2,8 Millionen Euro) zu rechnen. Dem stehen zwar Investitionen in Höhe von 600 Millionen Rubel (13,6 Millionen Euro) für das Spielzonen-Projekt gegenüber, doch werden diese wohl noch lange auf sich warten lassen.

An die Leiter von Spielhallen haben die Behörden vor dem 1. Juli die Aufforderung verschickt, ihre Tätigkeit fristgerecht einzustellen und sich von der Steuer abzumelden, um der zwangsweisen Schließung zu entgehen. Die Kasino-Könige hielten jedoch still und regten sich nicht sonderlich auf. Sie hatten längst Möglichkeiten gefunden, das Gesetz zu umgehen.

Eine besteht darin, virtuelle Glücksspiele in Internet-Cafes zu betreiben. Anstelle von Spielautomaten und Spieltischen stehen dort Computer, und mit speziellen Programmen und dem Internet können die Spieler sich an Glücks­spielen beteiligen. Niemand kann zur Verantwortung gezogen werden, weil die Spielautomaten und -tische ganz woanders stehen und in einem „Internet-Cafe“ ja lediglich der Zugang zum Internet verkauft wird.

Eine andere Variante ist die Lotterie. Dabei werden Spielautomaten in Lotterieapparate umgebaut. Die Besucher beteiligen sich an Lotteriespielen und das ist völlig legal.

Eine weitere Möglichkeit ist Poker, der unlängst in Russland als Sport anerkannt wurde, also bisherige Spielhallen könnten in Pokersäle umfunktioniert werden und so ihre Dienste in den bisherigen Lokalen weiter anbieten.

In Königsberg und anderen Orten wurde Ende Juni mit der Demontage der Schilder und Leuchtreklame der bisherigen Spielhallen begonnen. Hier und da sind an ihre Stelle neue Reklameschilder für Lotterien getreten.        

Jurij Tschernyschew

Foto: Demontage von Glücksspielwerbung: Häufig wird die Reklame nur durch solche für Lotterien oder Poker ersetzt.


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