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08.08.09 / Pfarrerbilder, Sagen und Mythen / Ernst-Wiechert-Gesellschaft erforscht seit 20 Jahren den Nachlass des Dichters

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-09 vom 8. August 2009

Pfarrerbilder, Sagen und Mythen
Ernst-Wiechert-Gesellschaft erforscht seit 20 Jahren den Nachlass des Dichters

Ihre Zehnte Wissenschaftliche Tagung konnte die Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG) mit einem Rückblick auf ihr 20jähriges Bestehen verbinden.

Der Tagungsort war wieder „Die Wolfsburg“, die beliebte Katholische Akademie in Mühlheim/Ruhr. Im Mittelpunkt stand die wissenschaftliche Arbeit. So begann die Tagung mit einem Referat von Marie-Luise Pfeiler: „Ein anderer Aspekt der Pfarrerbilder in Ernst Wiecherts Literatur“.

Die Referentin hatte akribisch aufgelistet, wie viele Pfarrerfiguren in Wiecherts Werk vorkommen und wie sie jeweils einzuordnen sind. Auf diesem Wege kam sie zu fundierten Ergebnissen und stellte fest, dass die positive Darstellung der Pfarrerfiguren überwiegt.

Eine literarische Besonderheit stellte Dr. Leonore Krenzlin vor. „Geisterreigen und Masuren-Schwermut – Ernst Wiecherts erster unveröffentlichter Roman ,Der Buchenhügel‘“ – die gespannte Erwartung der Wiechert-Freunde wurde nicht enttäuscht. Der unbekannte Roman, geschrieben von dem 20jährigen Wiechert, zeigt die reiche Sagen- und Mythenwelt seiner masurischen Heimat, die eine Gegenwelt zur so genannten „Realität“ bildet, in der jedoch stabilere Gesetze herrschen als in der Wirklichkeit. Der Erstling enthält Ansätze, die Wiechert später nicht weitergeführt hat; so die Darstellung des Dialektes und bestimmter Verhaltensweisen – die Zuhörer fühlten sich an „Suleyken“ von Siegfried Lenz erinnert – wie auch die Nennung konkreter Orte und politischer Gegebenheiten, was im späteren Werk stilisiert wird. Der große Arbeitsaufwand der Referentin, die das Manuskript durchlesen und durcharbeiten musste, hat sich gelohnt.

Das literarische Werk wurde in der stets beliebten Gruppenarbeit weiter gewürdigt, und zwar mit den Novellen „Der Mann von 40 Jahren“ und „Die Fahrt um die Liebe“. Eine dritte Gruppe befasste sich mit dem Bericht „Der Totenwald“ und setzte sich somit mit dem Dichter im Widerstand auseinander.

Dieser Aspekt bildete einen besonderen Schwerpunkt der Tagung. „Der Totenwald“, eine Schilderung der Haftzeit Wiecherts im KZ Buchenwald von Mai bis August 1938, ist 2008 vom Suhrkamp Verlag neu aufgelegt worden. Außerdem wurde am 22. November 2008 im saarländischen Oberthal der Film „Johann Becker – Fragmente eines Lebens“ uraufgeführt. Er schildert das Leben und Leiden des Kommunisten Johannes Becker, der Wiechert durch seine Hilfe im KZ das Leben rettete und dem Wiechert im „Totenwald“ ein Denkmal setzte. Eine Kopie des Filmes war organisiert worden und konnte den Wiechert-Freunden vorgeführt werden, die mit betroffenem Schweigen reagierten.

Das Jubiläum wurde fröhlich begangen. Der stellvertretende Vorsitzende Klaus Weigelt gab einen ausführlichen Überblick über die Geschichte und die Leistungen der Gesellschaft, bereichert durch ein geschickt zusammengestelltes Bildmaterial. So kann die IEWG zwölf informative „Mitteilungen“ und drei wissenschaftliche Publikationen in ihrer „Schriftenreihe“ vorweisen, sie kann auf zehn wissenschaftliche Tagungen zurückblicken und eine gute Zusammenarbeit mit den polnischen und russischen Wiechert-Freunden vorweisen. Mit besonderem Stolz hob Weigelt die im Frühjahr erschienene russische Übersetzung von „Wälder und Menschen“ und „Jahre und Zeiten“ hervor. Der Höhepunkt war die Verleihung des Ernst-Wiechert-Preises der Stadtgemeinschaft Königsberg an Dr. Hans-Martin Pleßke. Der Vorsitzende der Stadtgemeinschaft Klaus Weigelt nannte in seiner Laudatio die Verdienste Pleßkes für das Werk des Dichters. Als Vorsitzender der IEWG organisierte er große Veranstaltungen, u.a. zum zehnjährigen Bestehen in Berlin oder zum 50. Todestag Ernst Wiecherts in Wolfratshausen: Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen sind die Bände der Schriftenreihe „Zuspruch und Tröstung“ und „Von bleibenden Dingen“ und die Broschüren „Noch tönt mein Lied“ und „Der die Herzen bewegt“ für die Wiechert-Freunde besonders wertvoll.

In seiner Danksagung schilderte-Hans-Martin Pleßke seine lebenslange Verbundenheit mit Ernst Wiechert und nannte die Preisverleihung den Höhepunkt seiner Bemühungen.

Zum Ehrenmitglied wurde außerdem Horst Radeck erhoben, der Begründer und langjährige Vorsitzende des Ernst-Wiechert-Freundeskreises in Braunschweig. Leider konnte er nicht anwesend sein, aber die von Dr. Joachim Hensel kunstvoll gestaltete Urkunde wurde dem Vorstandsmitglied Christel Heinemann, ebenfalls in Braunschweig, mitgegeben.     Bärbel Beutner

Foto: Schwermütiger Masure: Ernst Wiechert (1887−1950)


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