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15.08.09 / Russki-Deutsch (30): Gorki

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Russki-Deutsch (30):
Gorki
von Wolf Oschlies

Gorki“ (bitter) ist ein russisches Adjektiv, das so oder so ähnlich in allen slawischen Sprachen besteht, zudem eine Verwandtschaft mit dem mittelhochdeutschen „garstig“ haben soll. Es wird auch in vertrauten Nuancierungen verwendet: ein bitterer Kaffee ist gut, ein bitteres Schicksal nicht. Im Russischen bedeutet „gorki“ noch „übermäßig“: „pitj gorkuju“ heißt nur wörtlich „die bittere trinken“, meint aber „exzessiv Wodka saufen“.

Die bittere Wortbedeutung ist Deutschen aus der Biographie des Schriftstellers Aleksej Peschkow (1868–1936) bekannt, der sich nach schwerster Kindheit und Jugend Maxim Gorki nannte. Der bei Deutschen sehr populäre Gorki zählt zu den vielen, die bei der Vergabe des Literaturnobelpreises übergangen wurden, weil der zumeist an Unbekannte und Unbegabte geht. Gorki war ein „Linker“, was immer das im zaristischen Russland heißen mochte, aber er war kein Kommunist, wurde nur von Lenin, Stalin & Kumpanei als solcher ausgegeben. 1921 emigrierte er, kehrte 1931 zurück, wurde danach in der Sowjetunion festgehalten und 1936 vermutlich dort umgebracht.

Vom Adjektiv „gorki“ gibt es das Attribut „gorko“, das bei russischen Hochzeitritualen eine große Rolle spielt: Deutsche Russlandbücher haben das oft beschrieben: Immer wieder heben die Gäste das Glas und rufen „gorko“, mitunter auch „sorno vino“ (saurer Wein), worauf sich die Brautleute küssen, um so die Feier zu „versüßen“. Dieser Brauch ist oft Sujet trauriger Lieder: Jemand erinnert sich, wie lange und innig er ein Mädchen liebte, für das jetzt die Gäste „gorko“ rufen, wobei er leider nicht an ihrer Seite sitzt.

Andere Etymologien sind prosaischer: Im alten Russland wurde zumeist im Winter geheiratet, weil sommers die Zeit zu knapp für mehrtägige Feste war. Aus dem Schnee baute man eine „gorka“, eine Tribüne, auf der die Braut und ihre Freundinnen standen, während der Bräutigam und seine Kumpels die Tribüne stürmten, von der Hochzeitsgesellschaft mit dem Rufe „gorka“ angefeuert. Das klingt einleuchtend, aber nicht glaubhaft: Ein russisches Fest ohne Wodka ist keins! Darum gefällt mir die von Ethnologen in Zentralrussland oft beobachtete Abfolge von drei G besser: Gorko – Getränk – Geschenk!


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