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15.08.09 / Krankrechnen bleibt effektiv / Beitragssatz in zehn Jahren bei 20 Prozent? Finanzbedarf der Krankenkassen wächst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Krankrechnen bleibt effektiv
Beitragssatz in zehn Jahren bei 20 Prozent? Finanzbedarf der Krankenkassen wächst

Von der Einführung des Gesundheitsfonds zu Beginn dieses Jahres verspricht sich die Bundesregierung nach wie vor ein gerechteres Gesundheitssystem. Der große Wurf soll es sein, endlich Verteilungsgerechtigkeit unter den mehr als 200 gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und somit mehr Solidarität. Das wünscht sich die Regierungskoalition, allen voran Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Und so funktioniert es: Jede Krankenversicherung (KV) zieht die Sozialversicherungsbeiträge (derzeit 14,9 Prozent, getragen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) ihrer Kunden ein, überweist sie neuerdings aber an einen Fonds. Das ist ein großer Geldtopf, aus dem die Kassen wieder Geld zurückerhalten – viel zusätzlicher bürokratischer Umverteilungs-Aufwand, so Kritiker. Die Verheißungen der Fonds-Idee sind dagegen ein geringerer, da einheitlicher Beitragssatz für alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, mehr Geld für die Kassen mit vielen schwer Erkrankten und damit kostenintensiven Mitgliedern. Im Umkehrschluss bedeutet das weniger Geld für solche Krankenkassen, die sich bisher erfolgreich um eine vergleichsweise kostengünstige Kundschaft bemüht haben.

Dass diese Versicherungen sich die Beschneidung ihrer Einnahmen durch den Fonds nicht gefallen lassen wollen, liegt also auf der Hand. Statistische Tricksereien der Kassen seien die unmittelbare Folge des Fondsmodells, sagen Kritiker. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung bemerkte beispielsweise Versuche einiger Krankenversicherungen, Ärzte bei deren Diagnosen zu beeinflussen. Denn: Je kranker der Patient auf dem Papier, desto mehr transferiert der Fonds an die Kasse. Allmählich machen sich anhand solcher struktureller Mängel die langfristigen Folgen des neuen Systems bemerkbar. Ingo Kailuweit, Vorsitzender der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), sieht „im nächsten Jahr zusätzlichen Finanzierungsbedarf in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ – deutlich zeichne sich dies ab. Schon vor Monaten sagte der Experte einen massiven Anstieg der Beiträge zur GKV in Folge des Fonds-Modells voraus. Auf bis zu 20 Prozent könne der Beitragssatz in den nächsten zehn Jahren ansteigen, so Kailuweit.

Neben den systembedingten Mängeln des Fonds nötigen Extrakosten die Krankenkassen zu Beitragserhöhungen. So ist unklar, wie die Kosten für Impfungen gegen die Schweinegrippe im System verrechnet werden sollen. Auf 125 Millionen Euro beziffert der Verband allein die Verwaltungskosten, wenn, wie geplant, bestimmte Risikopatienten rausgesucht und angeschrieben werden.

Extrakosten lauern auch noch an anderer Stelle. Aufgrund steigender Arbeitslosigkeit erwartet SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im zweiten Halbjahr erste Zusatzbeiträge für die Versicherten. Die wären auch ohne Schweinegrippe bei vielen Kassen zum Herbst fällig, so der Abgeordnete. Warum sind Beitragserhöhungen, ob als Zusatzbeitrag getarnt oder nicht, überhaupt nötig, mag mancher sich fragen.

Adolf Bauer, Vorsitzender des Sozialverbandes Deutschland, sieht den Start „unter keinem guten Stern“. Mehr bezahlen trotz vieler Nachteile in der Versorgung, lautet sein Urteil. Der Fonds als große günstige Versicherung für alle bleibt Wunschdenken: Trotz der neuen Versicherungspflicht sind noch zirka 45000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherung. Gerade derzeit geringverdienende Selbständige können sich die mit der Reform gestiegenen Beiträge der privaten Krankenkassen nicht mehr leisten. Tausende von ihnen überweisen nur noch Teilbeträge. Ein Wechsel in eine gesetzliche Kasse wird diesen oft noch von der Wirtschaftskrise besonders Getroffenen durch das neue Fondsmodell weiter erschwert. Um bis zu 20 Prozent sind, abhängig vom Tarif, die Beiträge für Privatversicherte gestiegen. Höhere Ausgaben für Medikamente und ärztliche Behandlungen sind laut Versicherern der Grund für den Kostenanstieg. Neben den schon Versicherten müssen aber auch Neukunden der Privaten mit deutlich höheren Beiträgen rechnen.

Die Entwicklung des Gesundheitsfonds läuft somit langfristig auf höhere Beiträge für die Mehrheit der Versicherten hinaus. Solange das Verteilungsproblem, dass alle Kassen möglichst viel aus dem Fonds herausziehen müssen, um bestehen zu können, bleibt, ist eher mit mehr Verwaltungsaufwand zu rechnen.         Sverre Gutschmidt


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