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15.08.09 / Aufrichtige Empfindungen / Berliner Impressionismus: Eine Ausstellung in Dortmund zeigt Schätze der Alten Nationalgalerie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Aufrichtige Empfindungen
Berliner Impressionismus: Eine Ausstellung in Dortmund zeigt Schätze der Alten Nationalgalerie

Lovis Corinth, Max Liebermann und Max Slevogt gelten als die bedeutendsten Vertreter des Berliner Impressionismus. Eine Ausstellung in Dortmund, die Teil des Föderalen Programms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist, zeigt ihre Werke und die ihrer Wegbegleiter.

Was ist Kunst? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht erst seit heute Kritiker und Künstler glei-chermaßen. Max Liebermann, der große alte Herr der Kunstszene zu Beginn des 20. Jahrhunderts, beantwortete diese Frage 1899 in seiner Eröffnungsrede zur ersten Ausstellung der Berliner Secession: „Für uns gibt es keine allein seligmachende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk – welcher Richtung es angehören möge –, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert.“ Fünf Jahre später setzte er noch eins drauf: „Die gut gemalte Rübe ist ebenso gut wie die gut gemalte Madonna.“ Bei der Auseinandersetzung um die Frage „Was ist Kunst?“ legten sich die Künstler damals sogar mit dem Allerhöchsten, dem Kaiser, an. Für Wil-

helm II. musste Kunst pathetisch und moralisch erbaulich sein. Damit konnten und wollten einige Maler und Bildhauer nicht dienen, sie grenzten sich ab von der akademischen Ausbildung eines Anton von Werner und gründeten eine eigene Künstlervereinigung, die Berliner Secession (lateinisch für Trennung, Abspaltung). Vor allem die Auswahlprinzipien der Jury zur Großen Berliner Kunstausstellung erhitzten die Gemüter – wenn es auch nur eine Legende ist, dass die Ablehnung eines Bildes des Brombergers Walter Leistikow zur Gründung der Secession führt habe.

Leistikow (1865–1908) war es aber, der später zu den führenden Köpfen der Secession zählte und unermüdlich für das Neue in der Kunst kämpfte. 63 Werke aus dem Bestand der Alten Nationalgalerie Berlin haben eine Reise angetreten und veranschaulichen unter dem Titel „Berliner Impressionismus – Werke der Berliner Secession“ im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte das kurze, aber spannende Kapitel deutscher Kunstgeschichte. Für ein Jahrzehnt wurde die Secession zum führenden deutschen Kunstinstitut und der Impressionismus zum vorherrschenden Stil, bevor er vom Expressionismus abgelöst wurde.

Im Vordergrund der Ausstellung stehen Bilder des so genannten Dreigestirns des deutschen Impressionismus Lovis Corinth, Max Slevogt und Max Liebermann. Aber auch Bilder und Skulpturen ihrer Wegbegleiter wie des Breslauers Hans Baluschek, des aus Birnbaum in Posen stammenden Lesser Ury, des Schlesiers Eugen Spiro, des mit Ostpreußen familiär verbundenen Sachsen Waldemar Rösler sind zu sehen.

„Anders als die Franzosen sahen die Secessionskünstler den deutschen Impressionismus weniger als künstlerischen Stil denn vielmehr als Weltanschauung: ,Jeder kann in ihr nach seinem Talent selig werden‘, formulierte Liebermann, und so fanden ganz unterschiedliche Maler in der Secession ihre künstlerische Heimat. Die Ausstellung spürt diesem Stil, seinen Ursachen, Ideen und Motiven nach“, so die Ausstellungsmacher. „Entlang ihrer Hauptmotive glie-dert sich die Ausstellung in fünf Themenbereiche: ‚Stadt und Um-land‘ zeigt die bürgerlichen Orte der Freizeit und Erholung, etwa Max Liebermanns flirrendes ,Gartenlokal an der Havel – Nikolskoe‘ oder Max Slevogts ,Trabrennen‘. Lebendige, ausdrucksstarke Porträts aus dem direkten Umfeld der Secessionskünstler zeigt der Abschnitt ,Die handelnden Personen‘ – etwa Lovis Corinths Sicht auf seinen Malerkollegen Leistikow. In ,Haus, Garten, Interieur‘ betrieben die Impressionisten Farbstudien in Schlössern, Parks und Stillleben. ,Frauen, Kinder‘ bietet einige Porträts, die in ihrer gekonnten Flüchtigkeit und Dynamik wie fotografische Schnappschüsse wirken, so Lovis Corinths ,Lotte Roll‘. Das Lieblingsmotiv der Impressionisten jedoch war die Landschaft. Unter dieser Über-schrift finden sich malerische Huldigungen an die Natur – nicht so sehr an die unberührte, sondern meist an gestaltete Kulturlandschaften der nächsten Umgebung. Dank ihrer Licht- und Luftmalerei erscheint dabei auch noch eine weite holländische Ebene mit Kuhweide (Max Liebermanns ,Landschaft bei Noordwijk‘) oder ein ,Waldstück mit Sandgrube‘ (Walter Leistikow) reizvoll und poetisch.“

Es muss nicht verwundern, wenn es bei einer solch unterschiedlichen Zusammensetzung auch einmal zu Diffferenzen kam. Lovis Corinth, der von 1910 bis 1912 und von 1915 bis 1917 Vorsitzender der Secession war, erinnerte sich, dass es nach dem Tod von Leistikow 1908 zu Erschütterungen kam: „Unangenhemes verbreitete sich unter den Mitgliedern, Stänkereien und Intrigen waren an der Tagesordnung.“

Von diesen Entwicklungen spürt der Besucher der Dortmunder Ausstellung (natürlich) nichts, und so kann er den Anblick der Werke unbeeinflusst genießen.            Silke Osman

Die Ausstellung „Berliner Impressionismus“ im Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastrasse 3, Dortmund, ist bis 11. April 2010 dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, sonnabends von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt 6/4 Euro, Katalog 20 Euro.

Foto: Waldemar Rösler: Diese Frühlingslandschaft (Öl, 1910) entstand in der Nähe des Teltowkanals.


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