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15.08.09 / Humboldts Bildungsideal wird Realität / Vor 200 Jahren wurde von König Friedrich Wilhelm III. per Kabinettsorder die Berliner Universität gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Humboldts Bildungsideal wird Realität
Vor 200 Jahren wurde von König Friedrich Wilhelm III. per Kabinettsorder die Berliner Universität gegründet

Vor 200 Jahren, am 16. August 1809, gründete der damalige preußische König die spätere Friedrich-Wilhelms- und heutige Humboldt-Universität. Sie bildete in einer der schwersten Phasen der preußischen Geschichte den Versuch, mit etwas gänzlich Neuem – der Verfolgung des Humboldtschen Bildungsideals – Preußen an die Spitze zurückzuführen.

„Der Staat muß durch geistige Kräfte ersetzen, was er an physischen verloren hat.“ Mit diesem Satz hat der preußische König Friedrich Wilhelm III. nach dem verlorenen Vierten Koalitionskrieg von 1806/1807 das Motiv für die preußische Bildungsreform auf den Punkt gebracht. Und Preußen hatte in dem jenen Krieg beendenden Tilsiter Frieden wahrlich viel verloren. Zu der Hälfte seines Territoriums, das es abtreten musste, gehörten auch seine westelbischen Besitzungen mit den Universitäten Halle, Erfurt, Göttingen, Duisburg, Münster und Paderborn.

Professoren der von Napoleon geschlossenen Universität in Halle suchten den Preußenkönig in Memel auf und baten ihren ehemaligen Landesherren um eine Verlegung ihrer Hochschule in die Hauptstadt Berlin. Friedrich Wilhelm stimmte dem zuerst zu. Als jedoch der König von Westfalen, an den Halle gefallen war, mit der Vereinigten Fried­richs-Universität Halle-Wittenberg die Tradition der Halleschen Hochschule wieder aufnahm, machte der Preuße einen Rückzieher. Nun sollte seine Hauptstadt eine neue Universität bekommen.

Wissenschaftliche Infrastruktur, auf die sich aufbauen ließ, war bereits in beachtlichem Maße vorhanden. Seit 1700 bestand die von Gottfried Wilhelm Leibniz begründete Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Im Jahre 1710 wurde die Charité eingerichtet, die seit 1726 als Zivilkrankenhaus und als klinische Ausbildungsstätte für Militärärzte diente. Berlin beherbergte außerdem die Akademie der Künste, die Königliche Bibliothek, mehrere namhafte Gymnasien, eine Tierarzneischule, einen botanischen Garten, ein anatomisches Museum, eine Sternwarte, Naturalienkabinette, Münzsammlungen und die Gemäldegalerie im Schloss.

Trotzdem kam erst Bewegung in die Sache, als die Universitätsgründung in die Zuständigkeit des größten preußischen Bildungsreformers fiel. Am 10. Februar 1809 wurde Wilhelm von Humboldt zum Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im preußischen Ministerium des Innern berufen. 18 Tage später trat er seinen Dienst an. Welche Bedeutung der Universitätsgründung in seiner viel zu kurzen Amtstätigkeit als Zuständiger für die Bildungsreform zukam, beschrieb der Gelehrte, Bildungspolitiker und Wissenschaftsorganisator treffend: „Ich that, was ich vermochte, und glaube mit Recht behaupten zu können, dass das Unterrichtswesen im hiesigen Staat durch mich in einen neuen Schwung gekommen ist, und dass, ob ich gleich nur ein Jahr etwa mein Amt verwaltet habe, doch viele Spuren meiner Verwaltung zurückbleiben werden. Etwas, was mir noch eigenthümlicher, als alles Andre persönlich angehört, ist die Errichtung einer neuen Universität hier in Berlin.“

Der außerordentlichen Lage Preußens nach der Niederlage von Jena und Auerstedt angemessen, sollte auch die Berliner Universität außerordentlich sein. An ihr sollte erstmals verwirklicht werden, was wir heute als Humboldtsches Bildungsideal kennen und schätzen. Generationen von Wissenschaftlern galt die Berliner Universität deshalb als richtungweisend und vorbildlich. In letzter Zeit mehren sich jedoch kritische Stimmen zu Humboldts Erbe. In der Praxis setzt sein ganzheitlicher Bildungsansatz nämlich eine längere Studiendauer und eine stärkere Beschäftigung der Professoren mit ihren Studenten voraus. In Zeiten der Massenuniversität kann das die Ausmaße eines volkswirtschaftlichen Problems annehmen. Zu Zeiten Humboldts jedoch, als nur eine verschwindende Minderheit studierte, überwogen eindeutig die Vorteile. Im Idealfall lernt der Student gemäß dem Humboldtschem Ideal nicht stur Fakten, sondern das Lernen. Er sollte damit im Angesicht jeder Herausforderung in der Lage sein, sich das zur Lösung des Problems nötige Wissen anzueignen. Abgesehen von diesem volkswirtschaftlichen Vorteil verfolgt zumindest das Humboldtsche Bildungsideal das Ziel, den Studenten durch eine all­umfassende Bildung in seiner Persönlichkeitsbildung voranzubringen.

Zum ganzheitlichen Ansatz gehörte die Einheit von Forschung und Lehre, aber auch deren Freiheit. Zur Erlangung dieser Freiheit schlug Humboldt vor, der Universität, aber auch den anderen wissenschaftlichen und künstlerischen Einrichtungen der Hauptstadt Domänengüter in der Nachbarschaft der Stadt zu übertragen, die einen jährlichen Reinertrag von 150000 Talern abwerfen, mit denen der Unterhalt der Institutionen finanziert werden sollte.

Mit seinem humanistischen Bildungsideal und seinen praktischen Vorschlägen hat Humboldt die Berliner Universität derart stark geprägt, dass sie mit einem gewissen Recht heute seinen Namen trägt. Realität wurden Humboldts Universitätsgründungsvorstellungen jedoch durch die Unterschrift des Mannes, nach dem die Universität in ihrer besten, produktivsten Zeit benannt war. Vor 200 Jahren, am 16. August 1809, gründete König Friedrich Wilhelm III. per Kabinettsorder die Berliner Universität. Am 2. Oktober 1810 fand die offizielle Eröffnungsfeier statt. Im ersten Semester studierten 256 Hoffnungsträger bei 52 Lehrenden, unter letzteren so renommierte Wissenschaftler wie Friedrich Daniel Schleiermacher, Friedrich August Biener, Johann Gottlieb Fichte und Christoph Wilhelm Hufeland als Dekane sowie dem Juristen Theodor Schmalz als Rektor. Mit der Theologie, der Jurisprudenz, der Philosophie und der Medizin standen von Anfang gleich vier Fakultäten den Studierenden zur Wahl. Am 24. November 1810 erhielt die Alma Mater Berolinensis ihr eigenes Domizil übertragen, das Heinrichs-Palais. Dieser Bau, den einst Friedrich der Große seinem Bruder Heinrich hatte bauen lassen und der nach dem Tode des Prinzen und dessen Ehefrau an die Krone zurückgefallen war, dient bis zum heutigen Tag der Berliner Universität als Hauptgebäude.   Manuel Ruoff

Foto: Vorderansicht des Vorlesungsgebäudes der Friedrich-Wilhelms-Universität: Kolorierter Stahlstich um 1860


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