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15.08.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,           

liebe Familienfreunde,

nun muss ich auf meine Erinnerungen zu sprechen kommen aufgrund eines Briefes von Frau Anna Maria Winkler, den ich soeben erhielt. Im wahrsten Worte „Erinnerungen“, denn dieses Wort habe ich in eines meiner ersten Bücher geschrieben, das ich für sie vor fast 70 Jahren in Ostpreußen so signierte: „Zur Erinnerung an den 25.7.40 in Gerdauen und an Ruth Geede“. Und diese Lesung einer „jungen ostpreußischen Dichterin“, wie Frau Winkler schreibt, blieb für die ehemalige Arbeitsmaid aus dem Reichsarbeitsdienst-Lager Herdenau unvergessen und wird in ihr geweckt, „wenn jeden Freitag die Post kommt und zuerst die Ostpreußische Familie gelesen wird. Vielleicht, so denke ich, weiß ich auch mal eine Auskunft oder kann einen Hinweis geben, doch der Zufall blieb aus.“ Kann sie doch, wenn auch bisher zu dem Königsberger Schauspieler Eberhard Gieseler keine Frage gestellt wurde, denn von diesem legt sie eine Widmung vor. Der Schauspieler hat sie auf ein Notenblatt geschrieben, als er fünf Jahre nach Kriegsende in der damals neu gegründeten LOW-Gruppe in Burgdorf bei Hannover sprach und eine nette Unterhaltung in heimatlicher Verbundenheit bot: „Zur freundlichen Erinnerung an den Ostland-Abend in Burgdorf am 26./ IV.50“. Frau Winkler stellt mir dieses schon leicht vergilbte Notenblatt für mein Königsberg-Archiv zur Verfügung, ich bin aber auch mit einer Kopie zufrieden, falls jemand aus der Familie des Königsberger Schauspielers, der auch am Reichssender Königsberg mitwirkte, Interesse an dem Original hat oder aus anderen Gründen es gerne besitzen will. Ihnen, liebe Frau Winkler, herzlichen Dank, auch für die Anerkennung unserer Familienarbeit!

Der Nachwelt erhalten – das ist uns ein Anliegen, denn durch die vielen Fragen und Wünsche, vor allem aber durch die darauf folgenden Antworten wird viel Wissenswertes über unsere Heimat dokumentiert, was sonst in Vergessenheit geraten könnte, weil es in irgendwelchen Schubladen bisher unentdeckt geschlummert hat. Und so werden manchmal verborgene Kenntnisse geweckt, weil sie plötzlich gefordert werden. Auch wenn man selber zu den Fragen, die in unserer Kolumne behandelt werden, nichts Konkretes sagen kann, so beschäftigt man sich doch mit den angeschnittenen Themen und kann auf Möglichkeiten hinweisen, die zu einer Lösung führen. Und immer profitiert man selber, wenn man feststellen kann: Das habe ich ja überhaupt nicht gewusst! So gesteht Frau Ilse Pruß aus Ulm: „Bis vor zehn Jahren wusste ich kaum etwas von Ostpreußen. So freue ich mich jetzt in jeder Woche, wenn das Ostpreußenblatt kommt. Sehr viel durfte ich daraus schon erfahren, und ich freue mich, dass mein heute 40-jähriger Sohn so viel Interesse an der Zeitung zeigt.“ Dass sie sozusagen „Ostpreußen aus erster Hand“ vermittelt bekam, lag an einer „wunderbaren Fügung“: Erst im hohen Alter begegnete sie dem damals 85-jährigen Juristen und Heimatforscher Paul Pruß aus Lyck, und in den folgenden drei gemeinsamen Jahren, die ihnen verblieben, lernte sie Ostpreußen durch seine Arbeiten kennen, die auch nach seinem Tode ihr Leben bestimmen. So konnte sie bewirken, dass er in der neuen Litauischen Enzyklopädie aufgeführt wird. Übersetzt lautet die Eintragung: Pruß (Thomas) Paul (* 17.VIII.1912 in Lyck, † 18.XI.1999 in Ulm, Jurist, Heimatforscher. Nach dem Studium arbeitete er von 1937 bei den Gerichten von Königsberg und Tilsit, nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland. Mitglied der Tolkemita. Nach den Erzählungen seines Vaters und Großvaters hat er, unter Mithilfe seiner Frau Ilse Pruß, eine Chronik des Dorfes Saleschen geschrieben. Er wurde mit Anerkennungsschreiben ausgezeichnet.“ Zu dieser Chronik: Es gibt viele Orte dieses Namens in Ostpreußen, hier handelt es sich um Saleschen, Kreis Treuburg, das in Tannau umbenannt wurde und von den Polen „Zalesie“ genannt wird. Aus diesem, zum Kirchspiel Schwentainen gehörenden kleinen Ort kommt die Familie Pruß, der Großvater von Paul Pruß war Töpfermeister, die Ahnenliste ist in der „Altpreußischen Geschlechterkunde“ enthalten.

Zu einigen dieser Namensträger hat die Witwe des Chronisten noch immer Verbindung, und eine ganz besondere besteht zu einem heute in Brasilien lebenden Landsmann, dessen Großmutter Justine Schmidt geborene Pruß nach dem Ersten Weltkrieg nach Brasilien kam. Sie stammte aus Saleschen und hat immer Heimweh gehabt. Der Enkel erinnert sich, dass sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs besonders unter dem Schicksal ihrer Heimat litt. Helmuth Schmidt schrieb in einem Brief an Frau Ilse Pruß über dieses Heimweh: „Sie ging dann immer an einen Koffer und hat ein rotes Buch rausgeholt und darin waren ein paar Blätter von Eichen, und hat dann bitter geweint. Diese Blätter waren von dem Baum aus Ostpreußen, aus Saleschen, sie wuss­te von dem Leid dieser Menschen, die fliehen mussten, hat immer gesprochen von der Heimat, und so wurde ich auch erzogen.“ Es ist wirklich bewundernswert, dass sich der Enkel, der nie eine deutsche Schule besucht hat, so gut in der Sprache seiner Großmutter ausdrücken kann, sie hat sie ihm beigebracht. Justine besaß auch viele Aufzeichnungen, wahrscheinlich Familiendokumente, aber „die haben die Termiten gefressen, als wir sie in einem hohlen Baum verstecken mussten, weil Deutsch nicht so gelitten war“. Jetzt ist das anders, und Helmuth Schmidt liest mit Begeisterung alles über Ostpreußen, was Frau Pruß übermittelt hat, vor allem die Heimatbriefe der Kreisgemeinschaften Lötzen, Lyck und Fischhausen. Er fühlt sich so ganz als Ostpreuße in seiner Naturverbundenheit, die ihn wohl dazu bewegt hat „Tecnico Florestal“ zu werden. Seine Finca, „zu der die größten Autoritäten spazieren kommen“, ist ein Paradies. Ich werde ihm jetzt die PAZ mit dem Ostpreußenblatt zusenden lassen, um die Verbindung noch zu festigen.

Wir werden noch mehr hören – so hatte ich in Folge 30 geschrieben, als ich die ersten Erfolge auf die Suchfragen von Frau Dorothea Seggebruch melden konnte, die nach den Familien ihrer Eltern Karl Neumann und Anna geborene Milkereit und Menschen aus deren damaligem Umfeld fragte. Ich hörte auch etwas mehr, als ich bei Frau Seggebruch anrief – wenn ich nachfassen muss, mache ich dies gerne telefonisch, deshalb bitte ich möglichst in allen Anschriften auch die Telefonnummer anzugeben –, und zwar erfuhr ich, dass es ein Hochzeitsfoto ihrer Eltern gibt. Mit diesem verbindet Frau Seggebruch nun noch eine weitere Frage. Wir bringen heute das im Februar 1936 aufgenommene Bild, auf dem das Brautpaar inmitten der Hochzeitsgesellschaft zu sehen ist, und suchen in erster Linie jenen Landsmann aus dem Kreis Labiau, der seinen Vater auf diesem Foto erkannt haben will. Das geschah auf dem Labiauer Kreistreffen im Jahr 2000 in Bad Nenndorf, als Frau Seggebruch das Bild herumreichte, um vielleicht Näheres über die Abgebildeten zu erfahren. Leider vergaß sie, den Teilnehmer nach Namen und Adresse zu fragen, weil sie Näheres über dessen Vater wissen wollte. Es sind nun allerdings einige Jahre vergangen, aber Frau Seggebruch hofft, dass sich dieser Landsmann aus dem Kreis Labiau meldet. Vielleicht gibt es noch weitere Leser und Leserinnen, die irgendwelche Personen auf dem Bild erkennen. Herr Neumann stammte aus Karpau, seine Frau aus Kleinheide. Das Ehepaar wohnte zuletzt in Nautzken. (Dorothea Seggebruch, Volksdorf 6 in 31715 Meerbeck, Telefon 05721 / 2378.)

Immer wieder taucht in unserer Ostpreußischen Familie der Städtename Heiligenbeil auf, zumeist in Verbindung mit dem furchtbaren Geschehen im sogenannten „Heiligenbeiler Kessel“, der auch im Fokus der Bemühungen von Herrn Horst Doerfer um eine Klärung des Schicksals seines dort vermissten Vaters steht. Wir haben seinen Suchwunsch eingehend behandelt, und er dankt uns sehr dafür, obgleich es keinen auf die direkte Suche bezüglichen Erfolg gab. Herr Doerfer schreibt:

„Ihnen, liebe Frau Geede, aber auch mit einbezogen Herrn Böttcher, danke ich sehr herzlich für dieses Aktivwerden in eigener Sache. Damit lege ich den Fall ,zu den Akten‘, da die Zeit nach so vielen Jahren mir diese Einsicht gibt. Irgendwie hat sich das Bemühen um den Vater – weiteres Licht in das Dunkel jener Zeit zu bringen – für mich doch noch gelohnt. Und es kam noch zu zwei weiteren Anrufen. Eine aus Heiligenbeil stammende Dame aus Velbert teilte mir mit, dass auch ihr Vater verletzt in Heiligenbeil in dem Lazarett lag, das sich im Haus der Haushaltungsschule Schröder befand.

Anfang Februar 1945 wurde er verlegt, kam in den Westen und erneut in den Einsatz, denn er geriet in englische Gefangenschaft. Er wurde nach Kriegsende entlassen, ist dann aber bald verstorben.“

Ein anderer Anrufer gab Hinweise auf das Versorgungsamt, über das er nach seiner Entlassung aus russischer Gefangenschaft seine Angehörigen fand. Fazit von Herrn Doerfer: Trotz der vielen, vielen vergangenen Jahre bewirkt die Ostpreußische Familie noch immer metaphysische Kräfte, die zu diesen Aussagen führen.

Eure Ruth Geede

Foto: Wer kennt jemanden auf diesem Hochzeitsfoto? Sachdienliche Hinweise bitte an die Tochter des Hochzeits­paares Dorothea Seggebruch, Volksdorf 6 in 31715 Meerbeck, Telefon 05721 / 2378


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