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15.08.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-09 vom 15. August 2009

Rheingold / Wie Merkel Steini enttäuscht, warum uns weder Pofallakraft noch Heilsvisionen reizen,  und was uns die Frau Drohsel empfiehlt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Hurra, die Kanzlerin ist wieder da! Niemand ist von ihrer Rückkehr heftiger entzückt als Frank-Walter Steinmeier. Während ihres Urlaubs in Tirol irrte er durch die Republik wie einst der unglückliche Napoleon durch Russland. Endlich eine Schlacht wollte er. Doch statt eine geschlossene gegnerische Linie vorzufinden, auf die er schießen könnte, hörte er bloß das hämische Gegacker der feindlichen Späher im Busch.

Nun aber ist sie da, das große Ringen kann beginnen. Aber wo ist sie eigentlich? Zum Kohl gegangen, um über 20 Jahre Mauerfall zu reden und Weitschweifigkeiten über die Krise, die europäische Verantwortung und ähnliches auszutauschen. Kein Wort zu Steinis „Deutschlandplan“. Wieder nichts.

Die ersten Anzeichen deuten darauf hin, dass Angela Merkel ihre Abwesenheit trotz Anwesenheit fortzusetzen gedenkt. Wie sehr diese Kampfverweigerung die Sozialdemokraten in den Wahnsinn treibt, verriet SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Rande eines Wahlkampfauftritts mit Steinmeier: Ach, das sei doch ganz gut für die SPD, dass die Frau Merkel nicht präsent sei. Da könne man völlig ungestört die eigenen Positionen im Land verbreiten.

Solche Politiker-Äußerungen enthüllen ihren wahren Kern nur, wenn man sie spiegelverkehrt betrachtet. Lauterbach winselte geradezu darum, dass die CDU-Chefin endlich aus der Reserve kommen möge.

Als durchkam, dass die Union offenbar statt eines richtigen Kampfes vorhat, Angela Merkel erst in der Schlussphase mit dem glamourösen historischen Expresszug „Rheingold“ durch Deutschland gondeln zu lassen, da platzte Steinmeier der Kragen: „Das wird nicht funktionieren, wie die CDU das anlegt. Möglichst kein Wahlkampf und in der heißen Phase mit dem Rheingold durch Deutschland fahren“, giftete der Kandidat, sichtlich um den Eindruck von Gelassenheit ringend, in der Berliner Bundespressekonferenz diese Woche.

So, und warum nicht? Der Kaiser kam auch immer im Zug und alle waren sie hingerissen. Das sind doch unschlagbare Bilder, wie die Kanzlerin unter den Klängen von „Heil Dir im Siegerkranz“ das Waggontreppchen herabsteigt, winkt, den jubelnden Menschen eine „gute Zukunft“ wünscht, und später können alle protzen, dass sie „dabei“ waren.

Na ja, die Musik wird wohl eine andere sein, aber sonst kann man den CDU-Strategen nur gratulieren. Das wird Eindruck machen, während Steinmeier in hässlichen Fabrikhallen schwitzt und dem Mechaniker erklärt, wie man Arbeitsplätze schafft, während der Bequatschte dauernd auf die Uhr guckt.

Der Steinmeier immer mit seinen Inhalten. Soll er doch! Hat Merkel 2005 auch versucht. Ihre „Inhalte“ verknoteten sich nach dem Abgang von Steuerexperte Paul Kirchhof zu einem tödlichen Strick, der sie fast das politische Leben gekostet hätte. Nie wieder. Sachthemen? Rheingold!

Das müsste Karl Lauterbach doch am besten begreifen, als Gesundheitsexperte. Gleich neben ihm wäre beinahe eine Ministerin versunken. Nicht etwa, weil sie den Inhalt ihres Amtes, das deutsche Gesundheitswesen, in Schutt und Asche gelegt hat. Nein, diese Karre war’s. Nicht der vermurkste Inhalt also, sondern ein schnöder Stimmungskiller warf die ewige Ressortchefin im neunten Ministerjahr beinahe aus der Bahn.

Manchen Kritikern geht das mittlerweile ziemlich auf die Nerven: Die Deutschen beschwerten sich, dass sie von den Politikern nicht ernstgenommen würden. Dabei seien es doch die Deutschen, die ihrerseits die Politik nicht ernst nähmen. Deshalb seien wir selber schuld, wenn wir bei wenigen Ausnahmen nur amphibienglatte Politpuppen statt ernsthafter Entscheidungsträger sähen. Gescholtene Politiker setzen gern noch nach: Die Bürger müssten sich schon aus dem Sessel bemühen und sich „politisch engagieren“, wenn ihnen nicht passt, was läuft.

Wo? In den Parteien natürlich. Da sind immer weniger Leute, und die werden zudem immer älter. Diesen Sommer muss die SPD nicht bloß unterirdische Umfrageergebnisse en masse schlucken. Neben denen schlägt ihr noch eine weitere Zahl auf den verdorbenen Magen: 511000. Wenn kein Wunder geschieht, hat die SPD die Menge von 511000 Genossen zum Jahresende unterschritten. Damit hätte sich die Partei seit 1977, als sie mit 1022000 ihren Mitgliederrekord verzeichnete, halbiert – obwohl es heute fünf Landesverbände mehr gibt als 1977.

Die CDU ist auch ordentlich geschrumpft, aber nicht so heftig, die CSU noch weniger. FDP und Grüne sind erstaunlich stabil. Die haben aber auch in etwa genauso viele Posten zu vergeben, wie Mitglieder da sind. So hat jeder einzelne einen höchstpersönlichen Grund zu bleiben.

Warum wollen immer weniger Leute in Parteien eintreten? Machen uns die schmissigen Einladungen von Ronald Pofalla, Hubertus Heil und Co. etwa nicht an? Das kann es nicht sein: Der eine hat „die Kraft“, der andere sogar „Visionen“!

Es hilft nichts, die Leute wollen einfach nicht in Parteien eintreten. Selbst die einst quirligen Jugendorganisationen ziehen nicht mehr so recht. Das waren mal die Kampfplätze der Heißsporne und putzigen Dilettanten. Ob die 16-, 18-, 20-Jährigen nun auf kantig-konservativ machten, die soziale Revolution herbeimotzen wollten oder als liberale Alle-von-allem-Befreier auftraten, sie hatten etwas, das man bei zeitgenössischen „Nachwuchspolitikern“ oft vergeblich sucht: Sie waren unverkennbar jung und immer ein bisschen in Wut über den Zustand der Welt und die Dummheit der Massen, von der sie sich selbst natürlich frei wähnten.

Höchstens die Spitzenfunktionäre hatten schon diese glatte Fassade derer, die ihre Reden vor dem Spiegel üben und sich mit „Imageberatern“ und gut informierten Hofschranzen umgeben, um nur ja nichts falsch zu machen in ihrer Karriere. Diese Gattung aber hat sich sozusagen nach unten durchgefressen.

Heute sagen einem schon stellvertretende Ortsvorsitzende von Jungsozialisten, Junger Union oder Jungen Liberalen Sätze ins Gesicht wie: „Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger, und damit meinen wir ausdrücklich auch unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund, mitnehmen bei unserer Politik für eine bessere Zukunft.“ (Der Juso hätte nach „bessere“ noch „und gerechtere“ eingefügt.) Zum Lachen? Zum Weinen? Zum Weglaufen das Gedröhn! Und was soll da erst der vollgequatschte 16-Jährige sagen?

So soll man sich über mangelnden Parteinachwuchs nicht wunder und könnte die Flinte gleich ins Korn werfen, wenn es da nicht ein paar funkelnde Ausnahmen gäbe, die uns Bewunderung und Faszination abnötigen mit ihrer Eloquenz, ihrer Energie – und ihrem unerschütterlichen Mut zur Dummheit.

Die Juso-Bundesvorsitzende Franzis­ka Drohsel hat im Streitgespräch mit CDU-Nachwuchspolitiker Jens Spahn einen Einblick in ihr Weltbild gewährt, der sprachlos macht: Sie will mehr Rente und mehr Sozialausgaben und kostenlose Bildung und das alles gleichzeitig. Finanzierung? Steuern rauf und mehr Schulden. Schließlich förderten höhere Sozialausgaben ja auch die Binnenkonjunktur und dann laufe das alles irgendwie von selbst. Schulden belasten kommende Generationen? Papperlapapp!

Drohsel hat die alte Kuchen-Idee aus dem ideologischen Leichenhaus geholt. Danach ist ein Land immer gleich reich, der „Kuchen“ muss nur „gerechter“ verteilt werden. Das einst reiche Simbabwe hat diese Theorie seit 1980 Schritt für Schritt bis zum absoluten Ende ausprobiert. Der Kuchen wurde verteilt und verteilt und nochmal verteilt (bei saftiger Begünstigung der Führungsfunktionäre, wie immer im Sozialismus), bis sogar die Krümel knapp wurden. Die Arbeitslosigkeit stand zuletzt bei 94 Prozent.


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